BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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#5 Tipps für DiGA-Antragsteller

We know how to DiGA: Bilanz zum Verzeichnis-Jubiläum

0 Beratungsgespräche wurden in rund einem Jahr im BfArM zu den DiGA geführt.

Im Oktober 2020 wurde die erste App in das dazu vom BfArM geschaffene DiGA-Verzeichnis eingestellt. Damit wurde ein wichtiger Schritt zur sicheren digitalen Versorgung in Deutschland getan. Medizinische Apps und andere digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) können seither von Ärztinnen und Ärzten verschrieben werden. Bei entsprechender Diagnose ist die Erstattung auch direkt von der gesetzlichen Krankenkasse möglich. Eine Entwicklung, an der das BfArM maßgeblich beteiligt war und ist.

Denn damit Patientinnen und Patienten solche Anwendungen schnell und sicher nutzen können, wurde für die Hersteller ein neuer Weg in die Erstattung geschaffen: der sogenannte DiGA-Fast-Track. Darin prüft das BfArM auf Antrag innerhalb von drei Monaten, ob die Produkte die Anforderungen erfüllen, die in der Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung festgelegt werden. Hier geht es beispielsweise um die Sicherheit und Funktionstauglichkeit der Anwendungen. Die Hersteller müssen aber auch nachweisen, dass die App einen positiven Effekt auf die Versorgung der Patientinnen und Patienten hat. Nach erfolgreicher Prüfung kann das Produkt dann in das DiGA-Verzeichnis des BfArM aufgenommen werden. Das ist wiederum die Voraussetzung für die Verschreibung und Erstattung.

Ablauf des Fasttrack-Verfahrens

Fast-Track ist auch für andere Länder Vorbild

Deutschland hat mit diesem Verfahren erfolgreich Neuland betreten - mittlerweile wird der DiGA-Fast-Track auch in anderen Ländern als Vorbild für ähnliche Verfahren herangezogen.

Das Interesse der Hersteller ist groß, das zeigt schon die Zahl der Beratungen im BfArM. In gut einem Jahr wurden rund 230 Gespräche mit Herstellern geführt, vorwiegend zu Verfahrensdetails und den vorzulegenden Nachweisen. Dazu kamen noch mehr als 560 allgemeine Anfragen zum Verfahren.

Insgesamt wurden beim BfArM bereits 97 Anträge zur Aufnahme einer DiGA gestellt. Aktuell sind 22 Apps im Verzeichnis gelistet, darunter beispielsweise solche, die bei der Therapie von Angststörungen, Migräne oder Schlafproblemen unterstützen sollen.

Das BfArM möchte, dass die Hersteller den DiGA-Fast-Track erfolgreich durchlaufen. Antragsteller haben daher viele Möglichkeiten, Hilfe rund um das Bewertungsverfahren in Anspruch zu nehmen. Schon im Vorfeld können so wichtige Fragen geklärt werden: Wie müssen aussagekräftige Unterlagen zusammengestellt sein? Welche Daten werden für eine (endgültige) Aufnahme in das Verzeichnis benötigt? Das wissen Expertinnen und Experten, die hier in einem sogenannten „Kick-off Meeting“ zur Verfügung stehen. Diese Meetings werden vom BfArM-Innovationsbüro angeboten, das 2017 als unkomplizierte erste Anlaufstelle für Start-Ups, Forscher und Entwickler eingerichtet wurde.

Wir möchten, dass Hersteller das Verfahren erfolgreich durchlaufen

Leiterin des Innovationsbüros ist Dr. Wiebke Löbker. Allein zu den DiGA hat sie bislang gemeinsam mit ihrem Team sowie Kolleginnen und Kollegen aus der Fachabteilung rund 230 Beratungsgespräche geführt. „Eine spannende Aufgabe, von der nicht nur die Antragsteller profitieren, sondern auch wir“, erklärt sie. Viele der Rückmeldungen in dem Prozess seien bereits in den Anforderungskatalog des Gesetzgebers eingeflossen. „Wir arbeiten gemeinsam dafür, die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Daher haben wir alle ein Interesse daran, dass die Hersteller ihre Anwendungen am Ende auch im Verzeichnis listen können.“

Tatsächlich zeigt die vergleichsweise hohe Anzahl der von den Herstellern zurückgezogenen Anträge, dass es häufig noch an der ein oder anderen Stelle Nachbesserungsbedarf gibt. Die Leiterin des Innovationsbüros hat folgende Tipps für einen gelungenen DiGA-Antrag:

#1 Reden hilft: Schon vor Antragstellung die Beratungsangebote des BfArM nutzen

Unsere Erfahrung zeigt: Bei den Antragstellern, die frühzeitig vor Antragstellung das Gespräch mit dem BfArM suchen, sehen wir insgesamt eine deutlich höhere Qualität der Antragsunterlagen. Wir können daher nur dafür werben: Fragen Sie uns, kommen Sie zum Beratungsgespräch, damit wir gemeinsam mögliche Herausforderungen schon im Vorfeld des Antrags ansprechen können! Gerade mit Blick auf die Fristen im DiGA-Fast-Track ist das besonders wichtig. Denn so hat man die Möglichkeit, eventuelle Lücken, die mitunter sogar erst im Dialog deutlich werden, schon vor dem Start des Verfahrens zu schließen. Die meisten Hersteller, die ihren Antrag zurückgezogen haben, nannten als Grund, dass sie mehr Zeit zur Vorbereitung benötigen und dann einen neuen Antrag stellen werden. Auch hier bietet das BfArM optimale Unterstützung. Wer sich darauf vorbereitet, seine Unterlagen noch einmal einzureichen, kann sich ebenfalls von uns umfangreich beraten lassen – zu allen Aspekten des Verfahrens.

#2 Fristen im Blick behalten – die Uhr tickt

Das Fast-Track-Verfahren dauert maximal drei Monate. Anders als in den Arzneimittel-Zulassungsverfahren gibt es hier auch keine Möglichkeiten eines sogenannten „Clock-stop“. Was bedeutet, dass die Fristen im laufenden Verfahren nicht mehr angehalten werden können. Das kann zu einer Herausforderung werden – beispielsweise, wenn erst während des Verfahrens klar wird, dass Daten oder andere Informationen nachgeliefert werden müssen. Denn auch in solchen Fällen müssen die Hersteller die Fristen einhalten. Nehmen wir als Beispiel eine systematische Datenauswertung, bei der sich zeigt, dass sie nicht aussagekräftig genug ist. Dadurch entstehen Unsicherheiten bezüglich der Evidenz. Da liegt es auf der Hand, dass solche Daten nicht kurzfristig nachgeliefert werden können.

Wenn der Hersteller solche Mängel nicht innerhalb der verbindlichen Bewertungsfrist beheben kann, gibt es für das BfArM keine Möglichkeit, diese DiGA in das Verzeichnis aufzunehmen - auch nicht vorläufig. Umso wichtiger daher: Siehe Tipp #1.

#3 Bedeutung der Evidenz: Immens

Unsere Erfahrung aus mehr als einem Jahr DiGA zeigt: Vor allem in Punkto Evidenz haben die eingereichten Anträge sehr unterschiedliche Qualität.

Am Anfang steht hier die Frage nach der Art des Antrags: Geht es um die vorläufige Aufnahme zur Erprobung? Oder soll die DiGA dauerhaft in die Liste aufgenommen werden?

Bei der vorläufigen Aufnahme zur Erprobung spielt die systematische Datenauswertung eine zentrale Rolle. Sie stellt die plausible Begründung für die Versorgungsverbesserung dar. Die Evaluationskonzepte können dabei meistens kurzfristig angepasst werden - also auch im laufenden Bewertungsverfahren.

Bei diesen Anträgen haben wir verschiedene Probleme beobachtet: Zum Beispiel waren Beobachtungszeiträume für eine systematische Datenauswertung deutlich zu kurz. Oder es wurden positive Versorgungseffekte ausgesprochen, die aber durch die Datenauswertung gar nicht adressiert wurden. Und wenn Probandenzahlen im niedrigen einstelligen Bereich liegen, ist das ebenfalls unzureichend.

Ein weiterer Grund, der zur Rücknahme von Anträgen zur vorläufigen Aufnahme führte: die DiGAV gibt vor, dass der systematischen Datenauswertung Erhebungen mit der DiGA selbst zugrunde liegen müssen. Sich hierzu allein auf andere DiGA oder Veröffentlichungen zu beziehen, reicht an dieser Stelle nicht aus.

Bei Anträgen auf dauerhafte Aufnahme ist ein zentrales Problem, dass ältere Studien nicht für den Zweck eines Health Technology Assessments konzipiert wurden. Sie wiesen erhebliche Limitationen auf oder konnten keinen konfirmatorischen Nachweis zeigen. Hier fehlten zum Beispiel Dokumente wie das Studienprotokoll, die wichtige Infos z.B. zu Präspezifizierungen liefern, unabdingbar sind.

Dies alles sind Aspekte, die wir mit den Herstellern schon im Vorfeld besprechen können. So haben sie Zeit, ihren Antrag optimal vorzubereiten.

#4 Studien: Vor allem beim medizinischem Nutzen sind RCT meist am besten geeignet

Um einen positiven Versorgungseffekt nachzuweisen, ist für die DiGA ein retrospektiver Vergleich grundsätzlich die Mindestanforderung. Zu den aktuell im Verzeichnis gelisteten DiGA wurden ausschließlich, oder zumindest als „primäre“ Datengrundlage für die Bewertung randomisierte kontrollierte Studien (RCT) vorgelegt.

In den Beratungen wird dieses Bild noch bestätigt: Die RCT sind in den meisten Fällen das Design, das sich für den geplanten Nachweis am besten eignet und daher auch von den Herstellern direkt von Beginn an vorgesehen ist.

Was wir bislang selten sehen, sind retrospektive Datenauswertungen. Die DiGAV sagt hier aber ganz deutlich, dass diese möglich sind, wenn damit die Hypothesen bestätigt werden können. Versorgungsdaten sind hier auch grundsätzlich in verschiedenen Konstellationen heranziehbar, zum Beispiel in Form historischer Kontrollgruppen.

Auch intraindividuelle Vergleiche können im Antrag herangezogen werden. Dabei muss jedoch sichergestellt werden, dass der Effekt auch tatsächlich auf die DiGA und nicht zum Beispiel bei einer Allergie-App auf Jahreszeiteffekte zurückzuführen ist.

Für den Nachweis eines medizinischen Nutzens sehen wir bisher aber tatsächlich eher die RCT. Wir gehen davon aus, dass der Fast-Track-Bewertung in Zukunft auch vermehrt Versorgungsdaten aus dem „realen Versorgungskontext“ zugrunde gelegt werden, vor allem, wenn es um Nachweise zu Verfahrens- und Strukturverbesserungen geht.

#5 Ganzheitlich denken – den Blick auch auf Interoperabilität, Barrierefreiheit und Nutzerfreundlichkeit richten

Interoperabilitäts-Parameter sind wichtige Aspekte, die von der Idee bis zur praktischen Umsetzung mit im Fokus stehen sollten - neben den positiven Versorgungseffekten, Datenschutz und Informationssicherheit. Denn DiGA sind nicht isoliert zu betrachten, sondern sollen sich perspektivisch nahtlos in das zunehmend vernetztere digitale Ökosystem einbinden. Und dabei nicht nur mit Hardwarekomponenten, wie Blutzuckermessgeräten o.ä., sondern beispielsweise mit der elektronischen Patientenakte interagieren können. Barrierefreiheit und Usability sind für die Anwender und Patienten von großer Bedeutung – was dabei mit Blick auf die DiGA zu beachten ist, ist zum einem im DiGA-Leitfaden allgemein dargelegt. Und was das im Einzelfall für eine konkrete DiGA bedeutet, das können die Hersteller ganz konkret mit uns besprechen - siehe Tipp #1.


Dr. Wiebke Löbker

Dr. Wiebke Löbker

Studium der Pharmazie. Von 2009 bis 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Freien Universität Berlin. Von 2011 bis 2016 Referentin und Teamkoordinatorin in der Abteilung „Arzneimittel“ des Gemeinsamen Bundesausschusses, Schwerpunkt frühe Nutzenbewertung. Seit 2016 im BfArM als Leiterin der Stabsstelle Innovationsbüro/Changemanagement sowie als persönliche Referentin des Präsidenten tätig.

Weitere Informationen

Innovationen voranbringen, Hersteller unterstützen, Entwicklungen begleiten: Das Innovationsbüro leistet Hilfestellung bei der Vorbereitung zur Einreichung von DiGA-Anträgen und steht Herstellern mit Rat und Tat zur Seite:

Seit mehr als einem Jahr können beim BfArM Anträge zur Aufnahme digitaler Gesundheitsanwendungen in das DiGA-Verzeichnis gestellt werden. Das FastTrack Verfahren ist ein zentraler Beitrag zur schnellen und qualitätsgesicherten Etablierung der DiGA in Deutschland:

Hier geht es zum Antragsportal:

Gemeinsam die Digitalisierung des Gesundheitswesens gestalten: Wie das BfArM diesen Prozess in Deutschland und Europa aktiv vorantreibt und welche Rolle das Innovationsbüro dabei spielt: