BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Medikationsfehler verhindern

Ähnlich klingende Arzneinamen, irreführende Produktbezeichnungen – es gibt verschiedene Faktoren, die zu Medikationsfehlern führen können und ein Risiko für die Anwendenden darstellen. Im BfArM werden solche Berichte gesammelt, ausgewertet und gemeinsam mit den pharmazeutischen Unternehmern Lösungen erarbeitet.

Die Pharmakovigilanz hat die Aufgabe, Nebenwirkungen sowie andere arzneimittelbezogene Probleme zu erfassen, zu bewerten und Maßnahmen zu deren Minimierung bzw. Vorbeugung einzuleiten. Meldungen zu Medikationsfehlern werden bereits seit 2014 vom BfArM systematisch ausgewertet. Rund 1000 solcher Meldungen erreichen das BfArM pro Jahr mit steigender Tendenz; dabei erhöht sich die Anzahl der Direktmeldungen jährlich um durchschnittlich 40 Prozent zum Vorjahr. Unter Direktmeldungen versteht man Meldungen, die direkt an das BfArM übermittelt werden, beispielsweise von den Arzneimittelkommissionen der Heilberufe. Die Meldequellen und die Arten der Meldungen entwickeln sich dynamisch, beispielsweise auch durch die Aufnahme von Meldungen aus Forschungsprojekten, wie ADRED oder KIDSafe).
Medikationsfehler können im gesamten Medikationsprozess auftreten (beispielsweise bei der Verordnung, Abgabe oder Administration) und haben vielfältige Ursachen. Alle, die an diesen Prozessen beteiligt sind, können die Fehler verursachen, einschließlich der Patientinnen und Patienten oder deren Angehörige. Dieser komplexe Vorgang führt zu einer breiten Palette denkbarer Fehler.

Dosierungsfehler kommen am häufigsten vor

Dosierungsfehler stellen dabei die am häufigsten berichteten Medikationsfehler dar und machen rund 40 Prozent der Meldungen an das BfArM aus. Dosierungsfehler können bei der Einnahme, vor allem aber bei der Zubereitung eines Arzneimittels unterlaufen oder aus einem schon vorher entstandenen Fehler (z.B. bei der Verschreibung oder Abgabe) resultieren. Kommt es zu Über- oder Unterdosierungen des Arzneimittels oder wird die vorgegebene Dosierung nicht eingehalten, kann dies entsprechend unerwünschte Folgen für die Patientinnen und Patienten haben.
Das BfArM hat in den vergangenen Jahren einen besonderen Fokus auf diese Fehlerquelle gelegt. Wie die Fälle zeigen, ist es stets wichtig, neben den beitragenden Faktoren auch Informationen zur Art des Fehlers (potenzieller, verhinderter Fehler, Fehler mit oder ohne Schaden), zum Patienten oder zur Patientin, zum betroffenen Medikationsprozess (Verschreibung, Abgabe, Anwendung etc.) und zum Arzneimittel zu berichten. Je nach Art des Fehlers vervollständigt eine Beschreibung des eingetretenen oder potenziellen Schadens den Bericht. Empfehlungen zur Fehlervermeidung sind dabei willkommen.

Dosierung flüssiger Zubereitungen zum Einnehmen – Potenzial für Medikationsfehler

Gegenmaßnahmen von Schulungen bis zur Anpassung der Packungsbeilage

Eine Schulung der Beteiligten kann angebracht sein, wenn menschliche Faktoren wie Fehlkalkulationen, falsche Übertragungen oder Interpretationen die Ursache sind. Aber auch das Arzneimittel selbst kann zur Entstehung von Dosierungsfehlern beitragen. Beispiele hierfür sind veränderte oder ungeeignete Applikationshilfen, Verwechslungen aufgrund ähnlicher Aufmachung der Umverpackungen verschiedener Dosisstärken oder missverständliche Stärke- bzw. Dosierungsangaben in den Produktinformationen. Wenn nach der Bewertung die Notwendigkeit einer regulatorischen Gegenmaßnahme vom BfArM gesehen wird, leitet das BfArM die entsprechende risikominimierende Maßnahme ein. Neben der Arzneimittelbezeichnung spielen dabei die Produktinformationen inklusive der Packmittelbeschriftungen eine besondere Rolle. Die Produktinformationen, d.h. die Fach- und Gebrauchsinformationen (Packungsbeilagen) sind die wichtigsten Informationsquellen zu einem Arzneimittel, die vor dem Markteintritt auf der Basis von klinischen Studien erstellt und nach dem Markteintritt auf Basis neuer Erkenntnisse immer wieder aktualisiert werden.

Zum Verwechseln ähnlich: Lookalikes und Soundalikes

Ein Risiko sind auch potenziell ähnlich aussehende oder klingende Arzneimittel, sogenannte Lookalikes und Soundalikes (LASA). Die Bezeichnung eines Arzneimittels stellt ein wesentliches Identifikations- und Unterscheidungsmerkmal dar. Eine Verwechslung aufgrund zu ähnlicher Bezeichnungen muss daher ungeachtet der jeweiligen optischen „Aufmachung“ ausgeschlossen werden. (Fantasie-) Bezeichnungen oder Zusätze mit beschreibenden Inhalten sollten die Eigenschaften eines Arzneimittels widerspiegeln und keine falschen Vorstellungen über Anwendungsgebiete, -orte oder die Art der Anwendung erwecken. Das Design der Verpackung soll ebenfalls dazu beitragen, Fehlanwendungen durch Verwechslung, Unklarheiten oder Verharmlosungen zu verhindern.

Medikationsfehler in der Praxis: Die Bedeutung von Look- und Soundalikes als Mitursache von Medikationsfehlern

Ziel: Gemeinsam Lösungen erarbeiten

Falls Medikationsfehler durch Kennzeichnungen beziehungsweise Aufmachungen mitverursacht werden, kann das BfArM Lösungen erarbeiten, um diese Fehler künftig zu verhindern. Dazu arbeitet es idealerweise mit den Zulassungsinhabern und den Meldenden zusammen. In Ausnahmefällen kann es sein, dass sich das BfArM mit den pharmazeutischen Unternehmen nicht über angemessene Maßnahmen einigen kann. In diesen Fällen können weitere regulatorische Schritte auf nationaler oder europäischer Ebene notwendig werden.
Die Auswertungen der Fallberichte des BfArM im Zusammenhang mit LASA ergeben ebenfalls einen Mittelwert von circa 20 Prozent, wobei jedoch in den vergangenen acht Jahren eine rückläufige Tendenz festzustellen ist. Gründe dafür können das wachsende Risikobewusstsein der pharmazeutischen Industrie, aber auch Maßnahmen des BfArM inklusive entsprechender Risikokommunikation sein. Unter anderem hat das BfArM gemeinsam mit dem Paul-Ehrlich-Institut Leitlinien zu den Bezeichnungen von Arzneimitteln veröffentlicht.

Dr. Claudia Kayser

Dr. Claudia Kayser

Studium der Pharmazie und Promotion an der Freien Universität in Berlin.
Seit Oktober 1997 im BfArM tätig, bis 2011 als Formalpharmazeutin und Regulatorin in der Zulassung und ab November 2011 in der Arzneimittelüberwachung mit Schwerpunkt Arzneimitteltherapiesicherheit. Mitarbeit im Pharmakovigilance Business Team in Europa bis 2020 und in der AG AMTS des Aktionsbündnisses für Patientensicherheit (APS) seit 2017, sowie dauerhafter Gaststatus bei den Sitzungen der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK). Koordination der Maßnahmen des Aktionsplans AMTS des BMG seit 2012.