BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Mit Überzeugung und guten Werkzeugen gegen Lieferengpässe

Liefer- und Versorgungsengpässe beschäftigen viele Menschen im Gesundheitsbereich. „Ich kann die Verärgerung der Patientinnen und Patienten, aber auch der Mitarbeitenden in den Arztpraxen und Apotheken gut verstehen, ich bin ja selbst Apotheker“, erklärt Michael Horn aus dem BfArM. Gerade weil er die Situation der Menschen im Blick hat, engagiert er sich seit sieben Jahren für eine sichere Versorgung mit Arzneimitteln.

Seit 2013 informiert das BfArM über Lieferengpässe. Zu Beginn mit einer Liste, die inzwischen zu einer Lieferengpassdatenbank weiterentwickelt wurde. „In den ersten Jahren war das BfArM nur ein Übermittler ohne aktive Rolle“, erinnert sich Horn. Der Verkehr mit Arzneimitteln wird eigentlich von den Bundesländern geregelt. Aber im BfArM gibt es die Vision, dass jeder Mensch ideal gesundheitsversorgt ist. Das ist auch die Überzeugung von Michael Horn, der betont: „Bei den Lieferengpässen hatten wir das Problem, dass sich niemand zuständig fühlte. Um die Menschen zu unterstützen, die auf ihre Arzneimittel angewiesen sind, haben wir uns diesem Thema gestellt.“

Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe

So wurde im Jahr 2016 ein Jour Fixe Lieferengpässe unter der Leitung von Michael Horn und mit einer aktiven Rolle des BfArM eingerichtet. Die Kompetenzen dieses Gremiums wuchsen kontinuierlich und dieser entwickelte sich zum Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe. In diesem sind heute alle relevanten Gruppen von den Apothekern über die Ärzte bis hin zu den Krankenkassen vertreten und suchen in den Sitzungen gemeinsam nach Lösungen.

Ursachen für Liefer- und Versorgungsengpässe

Lieferengpässe haben sehr unterschiedliche Ursachen. „Einmal wurde eine Pflanze regional unter Schutz gestellt und dies brachte uns einen Lieferengpass bei einem daraus hergestellten Arzneimittel“, erklärt Horn. Meist sind aber Produktionsprobleme die Ursache für einen Lieferengpass. Der Kostendruck sorgt bei den Herstellern für eine effiziente, aber auch anfällige Produktion. Eine Zentralisierung der Herstellung auf einen oder wenige Hersteller verschärft das Problem deutlich: „Es gibt eine Abhängigkeit von einzelnen Herstellern und Regionen.“ Der Konzentrationsprozess hat in der Vergangenheit bereits dazu geführt, dass ein Produktionsausfall in einem Unternehmen zu globalen Lieferengpässen geführt hat. „Wir sprechen hier nicht nur von Abhängigkeiten in Bezug auf den asiatischen Raum, so gibt es auch Fälle, in denen die Herstellung auch in der EU erfolgt.“ Deswegen sei es eine wichtige Aufgabe, Anreize zu schaffen, um Monopolstrukturen zu verhindern.

Werkzeugkasten

Horn ist seiner Überzeugung treu geblieben und arbeitet kontinuierlich an der Weiterentwicklung des Systems: „Manchmal hat der Gesetzgeber das manifestiert, was wir vorher schon ohne gesetzliche Regelung gelebt haben.“ So wuchsen die Kompetenzen des Beirats seit der Gründung kontinuierlich und es entstanden neue Lösungsansätze. Seit 2020 kooperiert das BfArM zum Beispiel mit dem Unternehmen IQVIA und kann so aktuelle Markdaten in die eigenen Analysen einfließen lassen. Mit der Zeit entstand ein ganzer Werkzeugkasten. Der Arzneimittelmarkt ist ein multifunktionales System. Deswegen muss jeder Lieferengpass neu betrachtet werden. „Wir schauen sozusagen jedes Mal in unseren Werkzeugkasten und wählen für die jeweilige Situation das Richtige aus.“ Empfehlungen oder Kontingentierungen sind einige der Stellschrauben, die der Beirat aussprechen kann, um die Versorgungssituation zu verbessern. Zu Beginn des Jahres 2022 wurde dem Beirat ein Lieferengpass für Tamoxifen angekündigt. Der Wirkstoff wird hauptsächlich zur Therapie von Brustkrebs (Mammakarzinom) eingesetzt und ist Bestandteil der Liste versorgungsrelevanter Wirkstoffe. Damals war der Bedarf in Deutschland nicht mehr gedeckt. „Bei Tamoxifen haben wir uns mit dem Beirat sehr schnell auf eine Strategie und ein Maßnahmenpaket geeinigt und konnten so den "Worst-Case" einer Nicht-Versorgung verhindern, obwohl die Situation schon sehr ernst war“, berichtet Horn. Nachdem vom Bundesgesundheitsministerium der Versorgungsmangel erklärt wurde, konnten die Bundesländer den Import ausländischer Arzneimittel gestatten. Auf der Internetseite des BfArM wurde eine zentrale Informationsplattform etabliert, entsprechende Grafiken eingestellt, die Produkte aus anderen Ländern aufgeführt und so die Transparenz der auf dem deutschen Markt verfügbaren Importarzneimittel gewährleistet. Außerdem gab es eine Empfehlung nur noch Kleinpackungen zu verordnen. „Alle im Beirat haben dazu beigetragen, dass Tamoxifen ins Land kommen konnte und so Schlimmeres verhindert“, berichtet Horn. „Im Vergleich zu den Anfängen haben wir jetzt schon einen beachtlichen Werkzeugkasten“, betont Horn und ist sich sicher: „Wir leisten inzwischen tagtäglich einen wichtigen Beitrag, um die Versorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Dies kann aber nur gelingen, wenn alle Beteiligten ihren Beitrag zum Wohle der Patientinnen und Patienten leisten.“

Künstliche Intelligenz (KI)

Heute plant das BfArM auch den Einsatz neuester Werkzeuge. Bei der Bewertung der Informationen und Daten zu Lieferengpässen soll künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt werden. In dem Projekt "Koordinierung der Produktion wichtiger Wirkstoffe" werden die Daten aus dem Markt und Organisationen analysiert. „Wir wollen ein Frühwarnsystem für Lieferengpässe aufbauen, damit wir die Anzeichen schon viel früher und auch unabhängig von Lieferengpassmeldungen erkennen und so frühzeitig dagegen etwas unternehmen können“, erklärt Horn. Schwachstellen sollen gefunden und Risiken mit Hilfe der KI schneller vorhergesehen werden.

Europa

Horn arbeitet im BfArM, der größten Zulassungsbehörde in Europa. „Wir müssen die Krisen aber zunehmend europäisch bewältigen, weil die nationalen Möglichkeiten nicht mehr ausreichen“, erklärt Gabriele Eibenstein. Die Leiterin des Fachgebiets für Lieferengpässe engagiert sich gemeinsam mit Horn, vor allem in dem sie sich auf europäischer Ebene für Versorgungssicherheit einsetzt. Ihre Motivation zieht sie aus der Erweiterung der Möglichkeiten: „Mich begeistert die Entwicklung des Gestaltungsspielraums, die wir durchlaufen haben.“ Eibenstein setzt sich bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA für die Arzneimittelsicherheit in Europa ein. Mit einem neuen Projekt Chessmen soll nun das europäische System noch optimiert werden: „Wir wollen die Effizienz der europäischen Arbeit steigern.“ Dafür soll aber kein neues System aufgebaut werden, sondern die Systeme der verschiedenen Länder sollen aufeinander abgestimmt werden. Vor allem die Erhebung der Daten in den unterschiedlichen Ländern soll harmonisiert werden: „Ziel ist es, den Blick europäisch zu weiten und so schneller Probleme zu erkennen.“ In dem europäischen Projekt ist das BfArM für das Work Package "Einheitliche Datenerhebung" zuständig.

ALBVVG

Horn und Eibenstein haben in den vergangenen Jahren vieles angestoßen und erreicht: „Wenn wir dazu beitragen können, dass es in Zeiten der Pandemie genug Propofol in den Krankenhäusern gibt, dann ist das ein Dienst am Menschen.“ Doch beide begrüßen auch ausdrücklich, dass die Politik das System weiter entwickeln möchte. Das Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln beauftragt das BfArM mit der Erstellung eines Frühwarnsystems und füllt den Werkzeugkasten zur Vermeidung mit neuen Tools. Das gibt Horn und Eibenstein neue Möglichkeiten, ihre Vision umzusetzen: „Wir wollen eine bestmögliche Versorgung mit Arzneimitteln für die Menschen in Deutschland und Europa.“

Lieferengpassmanagement

Die Entwicklung des Lieferengpassmanagement im BfArM seit 2013 zeigt die folgende Infografik:

Infografik zeitliche Entwicklung des Lieferengpassmanagement im BfArM seit 2013

Entwicklung des Lieferengpassmanagement (PDF, 526 kB, Datei ist nicht barrierefrei)

Dr. Michael Horn

Dr. Michael Horn

Leiter der Abteilung Zulassung 1 im BfArM seit 2007. Seit 2016 zusätzlich zuständig für den Bereich Liefer- und Versorgungsengpässe und Leiter des Beirates zu Liefer- und Versorgungsengpässen.

Gabriele Eibenstein

Gabriele Eibenstein

Fachgebietsleiterin Vereinfachte Verfahren II seit 2012, inklusive Liefer- und Versorgungsengpässe im BfArM seit 2017. Seit 2022 Mitglied der neu gegründeten Medicine Shortages Single Point of Contact (SPOC) Working Party und in europäischen Arbeitsgruppen (z. B. TF AAM, ESMP-MSSG WP).