BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Lieferengpässe

Was ist ein Lieferengpass?

Grundsätzlich muss zwischen Lieferengpässen und Versorgungs­engpässen unterschieden werden.

Ein Lieferengpass ist eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann.

Wird ein Lieferengpass gemeldet, prüft das BfArM, ob es sich um ein versorgungs­relevantes Arzneimittel handelt. Hierbei ist insbesondere von Bedeutung, ob Alternativ­präparate für die Therapie zur Verfügung stehen und sich diese Arzneimittel zurzeit auf dem Markt befinden.

Ein Lieferengpass muss daher nicht gleichzeitig ein Versorgungs­engpass sein, da oftmals alternative Arzneimittel zur Verfügung stehen, durch die die Versorgung der Patientinnen und Patienten weiter sichergestellt werden kann.

Die Informationen zu gemeldeten Liefer­engpässen, die in der Lieferengpassdatenbank des BfArM abrufbar sind, enthalten daher auch Hinweise zu möglichen Alternativ­präparaten.

Was sind die Gründe für Lieferengpässe?

Lieferengpässe können allgemein ganz unterschiedliche Ursachen haben. Häufig sind Produktions­probleme der Auslöser für einen Lieferengpass, zum Beispiel, wenn Herstellungs­prozesse aufgrund von Qualitäts­problemen umgestellt werden, Ware nicht freigegeben werden kann oder wegen einer gestiegenen Nachfrage die Kapazitäten erhöht werden müssen.

Vor allem, wenn beispielsweise für einen Wirkstoff oder ein Zwischenprodukt nur wenige Hersteller vorhanden sind, besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich ein Lieferengpass zu einem Versorgungs­engpass entwickeln kann.

Wann gilt ein Arzneimittel als versorgungsrelevant?

Eine Liste der versorgungs­relevanten Wirkstoffe wurde auf der Basis der Vorschläge der medizinischen Fach­gesellschaften und der WHO-Liste der essenziellen Arzneimittel zusammengeführt.

Der Beirat für Liefer- und Versorgungs­engpässe legte mit 2. Sitzung am 21. Oktober 2020 gemäß § 52b Abs. 3c AMG die Definition/Kriterien versorgungs­relevanter Wirkstoffe fest:

  1. Das Arzneimittel wird in inhaltlich aktuellen Leitlinien der Fach­gesellschaften empfohlen bzw. es entspricht dem aktuellen Therapie­standard.
  2. Bei Nicht-Verfügbarkeit verschlechtert sich die Prognose der betroffenen Patientinnen und Patienten.
  3. Die zu behandelnde Krankheit ist lebensbedrohlich oder irreversibel progredient oder bei fehlender Behandlung würde der Patient schwer geschädigt. Dies gilt sowohl für Akutsituationen (Notfall), chronische Situationen oder Situationen mit einem möglichen tödlichen Verlauf, in denen das Arzneimittel den Verlauf positiv beeinflusst.
  4. Das Arzneimittel unterliegt der Verschreibungs­pflicht.
  5. Der Wirkstoff ist für die Gesamt­bevölkerung relevant.

Grundsätzlich nicht als versorgungsrelevant gelten:

  1. OTC-Arzneimittel
  2. Arzneimittel mit einem Orphan-Status
  3. neue Stoffe

Die Liste wird aufgrund neuer Zulassungen oder neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse (z.B. neue Therapieoptionen) kontinuierlich im Rahmen der Beirats-Routinesitzungen weiterentwickelt. Sie wird außerdem kontinuierlich dahingehend überprüft, ob Arzneimittel mit den dort enthaltenen Wirkstoffen in Deutschland noch verfügbar sind. Im Falle eines versorgungs­relevanten Engpasses erfolgt in Zusammen­arbeit mit dem Beirat eine Prüfung, ob Arzneimittel mit vergleichbarer therapeutischer Wirksamkeit zur Verfügung stehen. Bei Identifikation therapeutischer Alternativen werden diese auf der Homepage des BfArM publiziert. In einem Anhang sollen zusätzlich die Impfstoffe und Impfantigene aufgenommen werden.

Was bedeutet Versorgungsmangel?

Auf Basis der Erkenntnisse des BfArM und unter Einbeziehung der Landes­behörden kann das Bundesministerium für Gesundheit einen Versorgungs­mangel nach § 79 Absatz 5 Arzneimittel­gesetz (AMG) feststellen. Bei dieser Feststellung handelt es sich um eine Ausnahme­ermächtigung in versorgungs­kritischen Situationen, die nach sehr strengen Kriterien zu treffen ist und immer eine risikobasierte Prüfung beinhaltet. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die Landes­behörden / Aufsichtsbehörden im Einzelfall und befristetet von bestehenden Vorgaben des Arzneimittel­gesetzes abweichen dürfen. Die Feststellung erfolgt durch eine Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit, die im Bundesanzeiger veröffentlicht wird.

Im Fall von kritischen Lieferengpass­situationen bleibt den Apotheken oft nur das bürokratisch komplexe Verfahren der Einzel­importe, das in der Regel eine mehrtägige Vorlaufzeit für die Belieferung der individuellen Verschreibung bedeutet. Eine Bekanntmachung nach § 79 Absatz 5 des Arzneimittel­gesetzes ermöglicht die Versorgungs­möglichkeiten im Bedarfsfall zu flexibilisieren. Konkret dürfen die zuständigen Landes­behörden auf dieser juristischen Grundlage gestatten, dass beispielsweise Import-Arzneimittel in Verkehr gebracht werden, die in Deutschland nicht zugelassen sind.

Des Weiteren werden die Aufsichts­behörden der Bundesländer ermächtigt, Chargen von Arzneimitteln freizugeben, auch wenn diesen nicht die letztgenehmigte Version der Packungs­beilage beiliegt. Auch das Inverkehr­bringen eines Arzneimittels in fremdsprachiger Aufmachung kann zugelassen werden sowie das Inverkehr­bringen von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln, sofern sie in dem Staat rechtmäßig in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in den Geltungsbereich des deutschen Arzneimittel­gesetzes verbracht werden.

Sobald die regelhafte bedarfsgerechte Verfügbarkeit wieder gewährleistet ist, wird die Ausnahme­ermächtigung vom Bundesministerium für Gesundheit wiederum per Bekanntmachung aufgehoben.

Welche Rolle nimmt das BfArM im Zusammenhang mit Lieferengpässen ein?

Das BfArM stellt im Zusammenhang mit Lieferen­gpässen für Human­arzneimittel in Deutschland umfangreiche Informationen auf seiner Homepage bereit. Unter anderem sind die Listen der versorgungs­relevanten Wirkstoffe und der Wirkstoffe mit einem erhöhten Versorgungs­risiko eine wichtige Grundlage dafür, Liefer­engpässen differenziert begegnen zu können. Mit diesen Informationen schafft das BfArM Transparenz und verbessert den Informations­fluss.

Im Fall eines drohenden oder bestehenden Versorgungs­engpasses kann das BfArM

  • Sachverhalte ermitteln, die zu einem Lieferengpass geführt haben, und diese Information an beteiligte Akteure kommunizieren.
  • ermitteln, welche Ausmaße ein Lieferengpass hat, und diese Information an beteiligte Akteure kommunizieren.
  • Kontakt mit dem Zulassungs­inhaber und / oder den Fach­gesellschaften aufnehmen, um Informationen zu kommunizieren.
  • Kontakt mit weiteren nationalen Zulassungs­behörden oder der Europäischen Arzneimittel-Agentur aufnehmen, um Informationen zu kommunizieren.
  • Anträge auf Zulassung von Arzneimitteln bevorzugt bearbeiten, bzw. sich in europäischen Verfahren für eine beschleunigte Bearbeitung einsetzen.
  • Anträge auf Änderungen (Variations) eines Arzneimittels bevorzugt bearbeiten, bzw. sich in europäischen Verfahren für eine beschleunigte Bearbeitung einsetzen. Änderungen in den Angaben und Unterlagen zur Zulassung (beispielsweise Änderungen der Herstellungs­stätten oder der Gebrauchs­informationen) muss der Inhaber der Zulassung gegenüber der zuständigen Behörde anzeigen und diese genehmigen lassen.

Das BfArM steht in engem Austausch mit den in Deutschland für die Überwachung des Arzneimittel­verkehrs zuständigen Landes­behörden. Auf Basis der Erkenntnisse des BfArM und unter Einbeziehung der Landes­behörden kann das BMG einen Versorgungs­mangel nach §79 Abs. 5 AMG feststellen. Diese Feststellung ist Voraussetzung dafür, dass im Einzelfall von den Landes­behörden notwendige Maßnahmen ergriffen werden können, um einen Versorgungs­mangel abzumildern.

Voraussetzung für die Feststellung eines Versorgungs­mangels nach § 79 Abs. 5 AMG ist, dass es sich um ein Arzneimittel handelt, welches von der Bevölkerung zur Vorbeugung oder Behandlung lebens­bedrohlicher Erkrankungen benötigt wird, oder im Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht. Mit der Bekanntmachung nach § 79 Abs. 5 AMG können die zuständigen Behörden im Einzelfall auch ein befristetes Abweichen von Erlaubnis- oder Genehmigungs­erfordernissen oder von anderen Verboten nach dem AMG gestatten.

Was kann das BfArM bei Lieferengpässen nicht leisten?

  • Das BfArM kann Unternehmen weder zur Produktion von Arzneimitteln, Wirkstoffen o.ä. verpflichten, noch Unternehmen dazu verpflichten, Arzneimittel in den Verkehr zu bringen.
  • Das BfArM hat keine Informationen darüber, welche Mengen der betroffenen Arzneimittel sich noch auf dem Markt befinden.
  • Das BfArM darf keine individuelle medizinische Beratung leisten oder Empfehlungen zur Therapie geben, etwa, wenn Patientinnen oder Patienten wegen eines Engpasses auf ein anderes Arzneimittel eingestellt werden müssen. Hierfür sind viele Faktoren von Bedeutung, die nur im persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient angemessen berücksichtigt werden können.
  • Das BfArM agiert weder als Arzneimittel­vermittler zwischen verschiedenen Zulassungs­inhabern noch zwischen potenziellen Herstellern und Zulassungs­inhabern.
  • Ein Schwerpunkt der Arbeit des BfArM ist die Zulassung von Fertig­arzneimitteln auf der Grundlage des Arzneimittel­gesetzes. Das BfArM stellt weder Arzneimittel her, noch kann es Arzneimittel zur Verfügung stellen.

Gibt es eine Verpflichtung für die pharmazeutischen Unternehmer, Lieferengpässe zu melden?

Die pharmazeutischen Unternehmer haben im Jahr 2016 im Pharmadialog eine Selbst­verpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen für versorgungs­relevante Arzneimittel abgegeben. Die im Jour Fixe vereinbarten Melde­kriterien wurden vom Beirat für Liefer- und Versorgungs­engpässe im Jahr 2020 bestätigt.

Eine Aufgabe des Beirats ist auch, zu prüfen, inwieweit die Unternehmen ihrer Selbst­verpflichtung nachkommen, also ob alle wesentlichen Liefer­engpässe gegenüber dem BfArM gemeldet wurden. Ausstehende Lieferengpass­meldungen werden nach vorheriger Prüfung seitens des BfArM eingefordert.

Eine gesetzliche Verpflichtung besteht für die Meldung an Krankenhäuser (§ 52b Abs. 3a AMG; pharmazeutische Unternehmer müssen im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit Krankenhäuser im Falle ihnen bekannt gewordener Liefer­engpässe bei verschreibungs­pflichtigen Arzneimitteln zur stationären Versorgung umgehend informieren).

Weitere Verpflichtungen ergeben sich aus § 52b Abätze 3e und 3f AMG. Diese ermöglichen es der zuständigen Bundes­oberbehörde im Falle von kritischen Lieferengpässen (3e), oder für bestimmte Arzneimittel regelhaft, Daten zu Produktion, Beständen und Absatzmengen zu erheben. Während Absatz 3e im Einzelfall angewendet wird, ist Absatz 3f für solche Fertig­arzneimittel verpflichtend, bei denen die Maßnahme in Rücksprache mit dem Beirat für Liefer- und Versorgungs­engpässe als notwendig für die kontinuierliche Beurteilung der Versorgungs­lage erachtet wird. Die vollständige und gültige Fassung der Liste von Fertigarzneimitteln, die in die regelmäßige Datenübermittlung aufgenommen wurden ist zur öffentlichen Einsicht publiziert.

Wie werden Lieferengpässe gemeldet?

Die Meldungen erfolgen durch die pharma­zeutischen Unternehmer an das BfArM¹ und werden der Öffentlichkeit in einer Datenbank, die eine umfassende Übersicht zu Liefer­engpass­meldungen für Human­arzneimittel (ohne Impfstoffe) in Deutschland enthält, zur Verfügung gestellt: Lieferengpassdatenbank des BfArM.

¹ Bei Impfstoffen an das Paul-Ehrlich-Institut

Welche Lieferengpässe sollen gemeldet werden?

Die Meldungen erfolgen durch die pharmazeutischen Unternehmer und basieren auf der im Pharmadialog erklärten Selbst­verpflichtung zur Meldung von Liefer­engpässen für versorgungs­relevante Arzneimittel.

Die Selbstverpflichtung umfasst derzeit folgende Kriterien:

  1. Der Wirkstoff steht auf der Liste der versorgungskritischen Wirkstoffe.
  2. Das Arzneimittel unterliegt der gesetzlichen Meldeverpflichtung an Krankenhäuser.
  3. Das vom Lieferengpass betroffene Arzneimittel hat einen Marktanteil von 25 Prozent und mehr bezogen auf den Wirkstoff.

Wie haben sich die Lieferengpassmeldungen seit 2013 entwickelt?

In Deutschland gibt es ca. 100.000 verkehrsfähige Humanarzneimittel in der Zuständigkeit des BfArM (Stand: Juli 2022). Mit Blick auf die Entwicklung der Lieferengpassmeldungen muss beachtet werden, dass die Meldekriterien 2017 umfassend angepasst wurden, sodass die Meldungen seitdem auf einer veränderten Grundlage erfolgen. Die Meldezahlen können daher nicht mehr mit denen aus den Vorjahren verglichen werden.

Des Weiteren können Sondereffekte zu Steigerungen führen, aus denen jedoch keine belastbaren statistischen Aussagen abgeleitet werden können. So hatte beispielsweise alleine die Valsartan-Problematik in 2018 zu 118 neu gemeldeten Lieferengpässen geführt. Dies stellt statistisch betrachtet einen deutlichen Anstieg der Meldungen in 2018 dar, ohne dass sich daraus ein genereller, wirkstoffübergreifender Anstieg von Lieferengpasssituationen in diesem Jahr ableiten ließe.

Nicht zuletzt geht das BfArM aufgrund der intensiven Abstimmungen im Beirat nach § 52b Absatz 3b AMG zu Liefer- und Versorgungsengpässen (vormals Jour Fixe) und der Einbindung aller relevanten Akteure auch von einem verbesserten Meldeverhalten aus.

Zudem muss ein Lieferengpass nicht gleichzeitig ein Versorgungsengpass sein, da oftmals alternative Arzneimittel zur Verfügung stehen, durch die die Versorgung der Patientinnen und Patienten weiter sichergestellt werden kann. Die Zahl der Meldungen zu Wirkstoffen, die als versorgungsrelevant eingestuft wurden, fällt in Relation zum gesamten Meldeaufkommen deutlich geringer aus.

Das BfArM führt vor diesem Hintergrund grundsätzlich Einzelfallprüfungen der Meldungen durch, deren Ergebnis die weiteren Maßnahmen unter Einbindung des Beirats sowie aller sonstigen betroffenen Akteure bedingt.

Lieferengpassmeldungen
JahrLiefer­engpass­meldungen (gesamt)Liefer­engpass­meldungen
(versorgungs­relevant eingestufte Wirkstoffe)
Liefer­engpass­meldungen
(versorgungs­kritisch eingestufte Wirkstoffe)
20244322652
2023101756127
2022666288148

Stand: 05.08.2024

Ab dem Jahr 2022 werden die Anzahl der Lieferengpassmeldung in einer neu strukturierten Tabelle dargestellt. Für das laufende Jahr beziehen sich die Angaben auf die Zeitspanne bis zum letzten Monatsende. Die aktuellen Zahlen werden immer zu Monatsbeginn publiziert.

Die angepasste Form der Darstellung wurde durch das Inkrafttreten des § 52b Absatz 3c AMG und der damit erfolgten Definition für versorgungskritische Wirkstoffe erforderlich. Damit ist der Begriff „versorgungsrelevant eingestufte Wirkstoffe, die unter besonderer behördlicher Überwachung stehen“ abgelöst worden. Weitere Erläuterungen zu versorgungskritisch eingestuften Arzneimitteln sind unter „Liste der versorgungskritischen Wirkstoffe gemäß § 52b Absatz 3c AMG“ zu finden

Lieferengpassmeldungen
JahrLiefer­engpass­meldungen (gesamt)Liefer­engpass­meldungen
(versorgungs­relevant eingestufte Wirkstoffe)
Liefer­engpass­meldungen
(versorgungs­relevant eingestufte Wirkstoffe, die
unter besonderer behördlicher Überwachung stehen)
202138122021
202054342614
201935519710
20182681395
2017108573
201681298
201540188
201430123
20134298

Was sind versorgungsrelevante Wirkstoffe?
Definition/Kriterien versorgungsrelevanter Wirkstoffe (§52b Abs. 3c AMG)

  1. Das Arzneimittel wird in inhaltlich aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen bzw. es entspricht dem aktuellen Therapiestandard.
  2. Bei Nicht-Verfügbarkeit verschlechtert sich die Prognose der betroffenen Patientinnen und Patienten.
  3. Die zu behandelnde Krankheit ist lebensbedrohlich oder irreversibel progredient oder bei fehlender Behandlung würde der Patient schwer geschädigt. Dies gilt sowohl für Akutsituationen (Notfall), chronische Situationen oder Situationen mit einem möglichen tödlichen Verlauf, in denen das Arzneimittel den Verlauf positiv beeinflusst.
  4. Das Arzneimittel unterliegt der Verschreibungspflicht.
  5. Der Wirkstoff ist für die Gesamtbevölkerung relevant.
  6. Grundsätzlich nicht als versorgungsrelevant gelten:

    1. OTC-Arzneimittel
    2. Arzneimittel mit einem Orphan-Status
    3. neue Stoffe

s. unten „Welche Arzneimittel werden als versorgungsrelevant angesehen?“

Was sind versorgungsrelevante Wirkstoffe, die unter besonderer behördlicher Überwachung stehen?
Definition/Kriterien versorgungskritischer Wirkstoffe (§52b Abs. 3c AMG)

  1. Der Wirkstoff steht auf der Liste der Wirkstoffe, für welche die Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen gilt, oder
  2. der Wirkstoff steht auf der Liste der Wirkstoffe mit einem in der Vergangenheit eingetretenen Versorgungsmangel oder
  3. eine Meldeverpflichtung besteht nach § 52b Absatz 3a AMG an Krankenhäuser oder
  4. das Arzneimittel hat einen Marktanteil von 25 % und mehr oder
  5. das Arzneimittel steht auf der Substitutionsausschlussliste.

s. unten „Welche Arzneimittel werden als versorgungsrelevant angesehen?“

Was ist bei der Interpretation der Zahlen aus der Datenbank „Gemeldete Liefer­engpässe für Human­arzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)“ zu beachten?

Die Datenbank bildet sowohl die aktuellen als auch bereits behobene Liefer­engpässe ab (Menüpunkt „alle Meldungen“). Bei der Übersicht „Aktuelle Lieferengpässe“ sind die Lösch­mitteilungen bereits herausgefiltert; sie zeigt also die aktuellen Liefer­engpass­meldungen für Human­arzneimittel (ohne Impfstoffe).

Die Veröffentlichung in der Datenbank erfolgt arzneimittel­bezogen. Zu einem Arzneimittel ist daher immer nur die Meldung enthalten, die den zuletzt gemeldeten Stand wiedergibt. Dabei kann es sich entweder um die Erstmeldung eines Liefer­eng­passes handeln oder um eine Änderungs- oder eine Löschmitteilung.

Beispiel:

Der Zulassungsinhaber meldet den Lieferengpass eines Arzneimittels. Diese Meldung wird in die Datenbank aufgenommen.

Das Arzneimittel ist wieder lieferfähig, der Zulassungs­inhaber meldet eine Löschmitteilung des Lieferengpasses. Diese Meldung wird in die Datenbank aufgenommen. Die Erstmeldung des Lieferengpasses, auf die sich diese Löschmitteilung bezieht, wird nicht mehr als eigenständige Meldung in der Datenbank aufgeführt. Die Information „Datum der Erstmeldung“ erscheint vielmehr als Information im Datensatz der Löschmitteilung.

Einige Zeit später tritt dann noch einmal ein Lieferengpass ein, den der Zulassungs­inhaber erneut meldet. Diese Meldung wird in die Datenbank aufgenommen. Jetzt wird nicht mehr die Lösch­mitteilung als eigenständige Meldung in der Datenbank dargestellt, sondern stattdessen die dann aktuelle Erstmeldung.

Ein Arzneimittel kann also zu verschiedenen Zeitpunkten mehrfach von Liefereng­pässen betroffen sein – es wird aber in der Datenbank nur ein Mal mit dem jeweils zuletzt gemeldeten Status dargestellt.

Ebenso ist zu beachten, dass von einem Lieferengpass gleich mehrere zugelassene Arzneimittel des gleichen Wirkstoffs (insbesondere bei Generika) oder auch unterschiedliche Stärken oder Darreichungs­formen desselben Arzneimittels betroffen sein können.

Beispiel:

Es besteht der Lieferengpass eines Wirkstoffes, der in Schmerzmitteln verwendet wird.
Dieser Wirkstoff wird von zwei Zulassungsinhabern genutzt:
Zulassungsinhaber 1 stellt daraus Tabletten der Stärke 200 mg und 400 mg her. Zulassungsinhaber 2 stellt daraus Tabletten der Stärke 600 mg sowie Tropfen her.

Somit ergeben sich hier allein vier Meldungen. Diese betreffen jedoch letztlich nur Arzneimittel, die diesen einen Wirkstoff enthalten. Eine allgemeine Verschärfung der Lieferengpass­situation lässt sich daher an diesem Anstieg der Meldungen nicht ablesen.

So hatte beispielsweise alleine die Valsartan-Problematik in 2018 zu 118 neu gemeldeten Lieferengpässen geführt. Dies stellt statistisch betrachtet einen deutlichen Anstieg der Meldungen in 2018 dar, ohne dass sich daraus ein genereller, wirkstoff­übergreifender Anstieg von Lieferengpass­situationen in diesem Jahr ableiten ließe.

Das BfArM führt daher grundsätzlich Einzelfall­prüfungen der Meldungen durch, deren Ergebnis die weiteren Maßnahmen unter Einbindung aller betroffenen Akteure (Unternehmen, Fachkreise, Verbände etc.) bedingt.

Was ist der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe?

Mit der Umsetzung des „Gesetzes für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Kranken­versicherung“ (GKV-FKG) zum 22. März 2020 wurde der § 52b AMG erweitert und unter anderem durch den neuen § 52b Abs. 3b AMG die Bildung eines Beirates zur Beobachtung und Bewertung der Versorgungs­lage gesetzlich verankert. Damit ist der Beirat für Liefer- und Versorgungs­engpässe seit dem 22. Juli 2020 als rechtlich fundierte Nachfolge des ehemaligen Jour Fixe zum Thema Lieferengpässe etabliert.

Im Beirat sind Behörden, Organisationen und Institutionen aus Medizin, Forschung, Industrie und Politik vertreten. Er gewährleistet eine systematische Informations­struktur, die alle wichtigen Akteure einbezieht und stellt den adäquaten fachlichen Austausch zu angekündigten wie unvermittelt auftretenden Situationen sicher. Das BfArM nutzt dieses Netzwerk regelmäßig, um beispielsweise im Bedarfsfall Informationen im Rahmen von Sachverhalts­ermittlungen zu erhalten.

Der Austausch wird seitdem in einem regelmäßigen Turnus alle vier Monate fortgesetzt. Die Dialog-Partner kommen in regelmäßigen Abständen zusammen, um den Stand der Umsetzung zu diskutieren, neue Entwicklungen zu identifizieren und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Im Bedarfsfall werden die Mitglieder auch kurzfristig versammelt um dynamischen Entwicklungen und besonders kritischen Versorgungs­situationen zeitnah begegnen zu können.

Aufgabe des Beirates ist es, die Versorgungs­lage mit Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, kontinuierlich zu beobachten und zu bewerten. Hierzu gehört insbesondere die Unterstützung der Bundes­oberbehörden bei der Bewertung der Versorgungs­relevanz eines Lieferengpasses unter Berücksichtigung möglicher bestehender Therapie­alternativen sowie die Ausarbeitung von Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgungs­situation.

Die Bundes­oberbehörden haben mit dem GKV-FKG einen gesetzlichen Auftrag in Bezug auf behördliche Maßnahmen erhalten. Unter anderem besteht die Möglichkeit zur Anordnung von gezielten Maßnahmen und zur Übermittlung von Angaben zu verfügbaren Beständen, zur Produktion und zu Absatzmengen bei pharmazeutischen Unternehmern und Arzneimittel­großhandlungen (§ 52b Abs. 3d – 3f AMG). Bei vielen Maßnahmen ist der Beirat im Vorfeld anzuhören. Eine vollständige Aufführung der im Beirat vertretenen Institutionen sowie Sitzungsprotokolle finden sich unter Beirat.