Kurzprotokoll 12. Sitzung des Beirats nach § 52b Absatz 3b AMG zur Bewertung der Versorgungslage mit Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind
vom 19. Oktober 2023
14.11.2023
Ort
Hybridkonferenz von 10:00 - 15:00 Uhr
Gemäß § 7 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Beirats nach § 52b Absatz 3b des Arzneimittelgesetzes (AMG) erstellt die Geschäftsstelle ein Kurzprotokoll der Abstimmungsergebnisse (ausgewiesen als mehrheitlich oder einstimmig) innerhalb von 5 Werktagen nach den Sitzungen und veröffentlicht diese auf der Internetseite des BfArM.
Dem Beirat gehören als stimmberechtigte Mitglieder folgende Verbände, Organisationen, Institutionen und Behörden an (in alphabethischer Reihenfolge):
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF)
- Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK)
- Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
- Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (Paul-Ehrlich-Institut (PEI))
- Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH)
- Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e.V. (PHAGRO)
- Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI)
- Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e.V. (ADKA)
- Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA)
- Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG)
- Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
- Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (Kommission ART)
- Pro Generika e.V.
- Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband)
- Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa)
- Vertreter der Interessen der Patientinnen und Patienten (BAG SELBSTHILFE e.V.)
- Vertretung der Bundesländer
An der Sitzung am 19.Oktober 2023 haben die folgenden stimmberechtigten Mitglieder nicht teilgenommen:
- Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK)
- Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA)
- Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (Kommission ART)
- Vertreter der Interessen der Patientinnen und Patienten (BAG SELBSTHILFE e.V.)
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat als Gast an der Sitzung teilgenommen.
Das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) hat als Gast an der Sitzung teilgenommen.
Der Vorsitzende des Beirats (Dr. Michael Horn, BfArM) begrüßt alle Teilnehmenden und eröffnet die Sitzung.
Kurzberichte
BfArM
- Das BfArM berichtet über das zu erstellende Meldeportal zur Meldung der aktiv genutzten Wirkstoffersteller, welches im Rahmen der durch das ALBBVVG hinzugekommenen behördlichen Aufgaben implementiert werden soll.
- Weiterhin wird von der ersten Sitzung der Unterarbeitsgruppe zu Versorgungsmängeln und den daraus resultierenden Aufgaben berichtet.
Dem BfArM wurden Vorschläge zu Ergänzungen und Löschungen auf der Liste der Kinderarzneimittel gem. § 35 Abs. 5a SGB V zur Abstimmung gereicht. Nach Anhörung des Beirats wurden die folgenden Entscheidungen zu Aufnahmen und Löschungen auf dieser Liste getroffen.
Folgende Arzneimittel werden nach Anhörung des Beirats auf die Liste der Kinderarzneimittel aufgenommen werden:
- L-Thyroxinhaltige Tropfen zur oralen Einnahme
- 0,5%ige Nasentropfen und Sprays mit dem Wirkstoff Xylometazolin oder Oxymetazolin sowie teilweise in Kombination mit Dexpanthenol
- Epinephrinhaltige Lösungen für Vernebler
- Ibuprofenhaltige Schmelztabletten
- Nirsevimabhaltiger Injektionslösungen
- Palivizumabhaltige Injektionslösungen
- Prednisolonhaltige Zäpfchen
- Pyriviniumembonathaltige Suspensionen zum Einnehmen
- Cefaclorhaltige Suspensionen zur oralen Einnahme
- Permethrinhaltige halbfeste Zubereitungen
Folgende Arzneimittel werden nach Anhörung des Beirats nicht auf die Liste der Kinderarzneimittel aufgenommen werden:
- Pyriviniumembonathaltige feste Darreichungen
- Benzylpenicillin-Benzathinhaltige Parenteralia
- Ciprofloxacinhaltige Ohrentropfen bzw. Kombination aus Ciprofloxacin und einem Corticosteroid
- Doxycylinhaltige feste Darreichungen
- Flucloxacillinhaltige feste Darreichungen
- Ribavirinhaltige Arzneimittel
- Mupirocinhaltige halbfeste Darreichungsformen zur topischen Anwendung
Folgende Arzneimittel werden nach Anhörung des Beirats aus der Liste der Kinderarzneimittel gelöscht werden:
Noscapinhaltige Arzneimittel
Nicht anhörungspflichtige Änderungen wurden in der obigen Aufstellung unberücksichtigt gelassen. Dazu zählen u.a. Änderungen, die sich auf die Stammdaten der gelisteten Arzneimittel beziehen, sowie Ergänzungen, die Arzneimittel betreffen, die in Darreichung, Stärke und Wirkstoff bereits in der bekanntgemachten Liste berücksichtigt sind. Derartige Änderungen werden im Rahmen der anstehenden Aktualisierung detailliert aufgeführt.
Anpassung der Geschäftsordnung – Vorstellung des aktuellen Entwurfes
Im Vorfeld zur Sitzung ist dem Beirat der überarbeitete Entwurf der Geschäftsordnung übersendet worden, welcher in der Sitzung diskutiert worden ist. Der angepasste Entwurf enthält die erweiterten Aufgaben des Beirats, welche im Rahmen des ALBVVG in Kraft getreten sind. Auch wird die neue Aufstellung des Beirats in der angepassten Geschäftsordnung thematisiert.
Die Mitglieder des Beirats können bis zum 3. November 2023 Anpassungsvorschläge an das BfArM übermitteln.Sachstandsbericht und Diskussion zu Liefer- und ggf. Versorgungsengpässen
Als beendet gemeldete Lieferengpässe
Wirkstoff Monat der Löschmitteilung Adenosin Ende August Ornithinaspartat Mitte Juli Urokinase Ende Juli Jonosteril Anfang Oktober Dantrolen Anfang Oktober Fondaparinux Mitte September Voriconazol Mitte September Vom BfArM als relevant eingestufte aktuelle Liefer- und Versorgungsengpässe
Abatacept
Nach wie vor erfolgt weiterhin eine kontingentierte Abgabe, welche nach jetziger Einschätzung während des gesamten Zeitraums gewährleistet werden kann.
Alteplase
Der Wirkstoff wird weiterhin kontingentiert abgegeben.
Adenosin
Adenosin wird weiterhin kontingentiert abgegeben. Ausnahmegenehmigungen sind erstattet worden, um Kompensationsware in den Markt zu bringen.
Amoxicillin/Clavulansäure
Von drei Stärken sind zwei im Lieferengpass, da der aktuelle Bedarf nicht adäquat bedient werden kann.
Cytarabin
Aktuell gibt es Probleme in der Wirkstoffherstellung. Das BfArM ist im Austausch mit dem Zulassungsinhaber.
D,L-Lysinacetylsalicylat Glycin
Der Lieferengpass ist aufgrund von Problemen in der Herstellung bis 2025 verlängert worden. Die Ware wird kontingentiert abgegeben.
Eisen
Aufgrund der Schließung des Herstellers, ist ein alternativer Hersteller zu etablieren. Die verfügbare Ware wird kontingentiert abgegeben.
Eptifibatid
Durch Probleme in der Herstellung kommt es zur Einstellung der Produktion. Eine Information an die Fachkreise befindet sich in Abstimmung.
Fludarabin
Aktuell wird Ware kontingentiert abgegeben. Therapeutische Alternativen sind vorhanden, aber teilweise nicht einsetzbar.
Fluoxetin
Eine durch Nitrosamin-Verunreinigungen verursachte Liefereinschränkung einzelner Chargen.
Insuline
Durch die Einstellung der Produktion von Humaninsulinen bei Sanofi Aventis Deutschland GmbH kommt es zu Einschränkungen. Durch ausreichend alternative Anbieter ist die Versorgung als stabil einzuschätzen.
Liraglutid
Einzelne Packungsgrößen sind hier im Engpass. Die Nachfrage nach GLP-1 Rezeptor Agonisten ist weiterhin hoch.
Metamizol
Eine erhöhte Nachfrage begründet mit Lieferengpässen von anderen Anbietern und Qualitätsprobleme bei den gelieferten Ampullen führt zu einer eingeschränkten Verfügbarkeit. Ausnahmegenehmigungen für Kompensationsware wurden vom BfArM erteilt.
Minoxidil
Dieser Lieferengpass besteht aufgrund von Produktionsproblemen. Das BfArM ist im Austausch mit dem Zulassungsinhaber.
Natriumperchlorat
Aus wirtschaftlichen Gründen hat der bisherige Wirkstoffhersteller Verträge mit dem Zulassungsinhaber gekündigt. Es sind keine therapeutischen Alternativen vorhanden. Die Herstellung des Fertigarzneimittels Irenat® wurde nach Aussagen des Zulassungsinhabers eingestellt.
Nimodipin
Durch Probleme in der Herstellung bei einem Anbieter, kommt es zur erhöhten Nachfrage bei einem anderen Anbieter. Betroffen ist die orale Darreichungsform. Die verfügbare Ware wird kontingentiert abgegeben.
Penicillamin
Ausnahmegenehmigungen für Kompensationsware wurden erteilt.
Ritonavir
Der Lieferengpass besteht aufgrund einer erhöhten Nachfrage. Die nächste Lieferung des zentral zugelassenen Arzneimittels Norvir ist für Oktober 2023 angekündigt. Nach aktueller Berechnung wird der Umfang nicht den gesamten erwarteten Bedarf decken können.
Salbutamol
Der Lieferengpass besteht aufgrund erhöhter Nachfrage. Ausnahmegenehmigungen zum Inverkehrbringen von Kompensationsware wurden vom BfArM erteilt.
Semaglutid
Es gibt weiterhin eine anhaltend hohe Nachfrage.
Tropicamid
Produktionserhöhungen sind erfolgt. Dennoch kann der Bedarf nicht umfassend und kontinuierlich gedeckt werden.
Lieferengpässe im Fokus
Calciumfolinat
Nach Kenntnisstand des BfArM konnte durch die Bekanntmachung des Versorgungsmangels ausreichend Ware zum Import bereitgestellt werden, um die Versorgungslage zu stabilisieren.
Antibiotika Tabletten
Nach wie vor sind verschiedene Antibiotika in Form von Tabletten nicht bedarfsgerecht verfügbar. Dies betrifft vornehmlich die Wirkstoffe Cefalexin und Clindamycin.
Antipyretika für Kinder
Seit Jahresbeginn ist eine steigende Verfügbarkeit in allen Produktgruppen zu erkennen. Nach den aktuellen Daten/ Informationen des pharmazeutischen Großhandels ist eine Bevorratung wieder möglich. Die Verfügbarkeit der Produkte wird als ausreichend eingestuft.
ALBVVG
Mit Inkrafttreten des ALBVVG haben die Bundesoberbehörden weitere Kompetenzen erhalten und auch die Rolle des Beirats ist weiter gestärkt worden, insbesondere bei einer versorgungsgefährdenden Marktverdichtung bei generischen Arzneimitteln.
Da mit dem ALBVVG insbesondere die ambulante Versorgung verbessert werden soll, sollte nach Auffassung des BfArM die Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen auf alle versorgungsrelevanten Wirkstoffe ausgeweitet werden.Beschlussvorschlag
Aufgrund der erweiterten Aufgaben des Beirats schlägt das BfArM zwei Beschlüsse zur Abstimmung vor.
1. Beschluss
Der Beirat beschließt die Ausweitung der Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen auf alle Arzneimittel mit einem versorgungsrelevanten Wirkstoff oder einer versorgungsrelevanten Wirkstoffkombination. Das bestehende Kriterium zur Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln mit einem Marktanteil von 25% und mehr bleibt davon unberührt.
2. Beschluss
Der Beirat beschließt, dass Arzneimittel, die zukünftig in den zu erstellenden Listen gem. § 35 Abs. 5b SGB V sowie § 130a Abs. 8b SGB V aufgenommen werden, automatisch der regelmäßigen Datenübermittlung gem. § 52b Abs. 3f AMG unterliegen.
Die Beschlussvorlagen sind im Nachgang zur Abstimmung im Umlaufverfahren an den Beirat gesendet worden.
Aktuelle Situation zum Versorgungsmangel mit Antibiotikasäften
Aktuell ist der Absatz antibiotikahaltiger Säfte auf dem Niveau des Vorjahres. Bislang ist ein weniger starker Anstieg im Vergleich zum Vorjahr zu beobachten und die Auswertung der verfügbaren aktuellen Datenlage lässt auf eine Bevorratungstendenz in öffentlichen Apotheken schließen.
Derzeit kann von einer Reichweite der Lagerbestände von mehreren Monaten ausgegangen werden, sofern kein signifikanter Anstieg der Erkrankungszahlen in kurzer Zeit eintritt.Anhörung des Beirats zur Erstellung der Liste der onkologischen Arzneimittel nach §§ 35 Abs. 5b und § 130a Abs. 8b SGB V
In Vorbereitung auf die Sitzung ist dem Beirat eine Liste von Wirkstoffen übermittelt worden, die nach Einschätzung des BfArM unter §§ 35 Abs. 5b und § 130a Abs. 8b SGB V Berücksichtigung finden sollten. Der Fokus wurde dabei auf onkologische Wirkstoffe gelegt, die nicht mehr dem Patentschutz und einer Marktverengung unterliegen. Der aktuelle Entwurf der Liste ist mit den wissenschaftlich medizinischen Fachgesellschaften abgestimmt. Die Liste wird in Analogie zur Kinderarzneimittelliste einer kontinuierlichen Aktualisierung und Weiterentwicklung unterliegen.
Die finale Abstimmung der Liste der berücksichtigten Fertigarzneimittel wird in die schriftliche Anhörung an den Beirat gegeben werden.Beschlussvorschlag
Der Beirat beschließt, dass Arzneimittel, die zukünftig in den zu erstellenden Listen gem. § 35 Abs. 5b SGB V sowie § 130a Abs. 8b SGB V aufgenommen werden, automatisch der regelmäßigen Datenübermittlung gem. § 52b Abs. 3f AMG unterliegen.
Die Beschlussvorlage ist dem Beirat im Nachgang zur Sitzung zu einer Abstimmung im Umlaufverfahren übermittelt worden.
Nächster Termin
Die nächste Beiratssitzung ist für das 1. Quartal 2024 vorgesehen.
gez.
Dr. Michael HornBonn, den 14.11.2023