BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Ergebnisprotokoll der 7. Sitzung des Beirats nach § 52b Absatz 3b AMG zur Bewertung der Versorgungslage mit Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind

Ort Webkonferenz von 14:30 - 17:00 Uhr

Die Sitzung fand am 09. Februar 2022 als Webkonferenz unter dem Vorsitz des BfArM statt.
Die Beschlussfähigkeit des Beirats wurde seitens des BfArM zu Beginn der Sitzung festgestellt.

Dem Beirat gehören als stimmberechtigte Mitglieder folgende Verbände, Organisationen, Institutionen und Behörden an (in alphabethischer Reihenfolge):

  • Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF)
  • Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK)
  • Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
  • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
  • Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (Paul-Ehrlich-Institut (PEI))
  • Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH)
  • Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI)
  • Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels e.V. (PHAGRO)
  • Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e.V. (ADKA)
  • Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA)
  • Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG)
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
  • Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (Kommission ART)
  • Pro Generika e.V.
  • Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband)
  • Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa)
  • Vertreter der Interessen der Patientinnen und Patienten (BAG SELBSTHILFE e.V.)
  • Vertretung der Bundesländer

An der Sitzung am 09.Februar 2022 haben alle stimmberechtigten Mitglieder teilgenommen.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat als Gast an der Sitzung teilgenommen.

Tagesordnung:

  1. Begrüßung
    Der Vorsitzende des Beirats (Dr. Michael Horn, Abteilungsleiter 1 im BfArM) begrüßt alle Teilnehmenden und eröffnet die Sitzung.
  2. Annahme der Tagesordnung
    Der Beirat nimmt die Tagesordnung ohne Ergänzungen an.
  3. Kurzberichte

    1. BMG

      1. Die Ampelkoalition hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen sicherzustellen, Engpässe in der Versorgung entschieden zu bekämpfen und Maßnahmen zu ergreifen, um die Herstellung von Arzneimitteln inklusive der Wirk- und Hilfsstoffproduktion nach Deutschland oder in die EU zurück zu verlagern. Die Details der Vorhaben stehen derzeit noch nicht fest.
      2. Die EU-Kommission beabsichtigt Ende 2022 ein Paket mit Legislativvorschlägen im Arzneimittelbereich vorzulegen, das auch Maßnahmen gegen Lieferengpässe beinhaltet.
    2. BfArM

      1. Versorgungsengpass tamoxifenhaltiger Arzneimittel
        Beschluss: Abstimmung eines Maßnahmenpaketes zur Abmilderung der Lieferengpässe bei tamoxifenhaltigen Arzneimitteln

        Im Rahmen des Berichts zu Lieferengpässen bei tamoxifenhaltigen Arzneimitteln sind im Beirat die aktuelle Versorgungssituation mit tamoxifenhaltigen Arzneimitteln und mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung erörtert worden.

        Es sind einstimmig verschiedene Maßnahmen, sowohl kurz- als auch mittelfristige, zur Abmilderung der Lieferengpässe bei tamoxifenhaltigen Arzneimitteln beschlossen worden. Sie dienen der Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung von Patientinnen und Patienten und der Sicherheit in Bezug auf das Erstattungsgeschehen in dieser spezifischen Situation. Folgende Maßnahmen wurden beschlossen:
        • Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wird kurzfristig einen Versorgungsmangel nach § 79 Absatz 5 AMG bekanntmachen. Damit erhalten die zuständigen Behörden der Länder die Möglichkeit, Ausnahmen von den Regelungen des AMG zu gestatten, beispielsweise den Import tamoxifenhaltiger Arzneimittel.

        • Die pharmazeutischen Unternehmer ermitteln, ob und welche Arzneimittelkontingente für den deutschen Markt kurzfristig verfügbar gemacht werden können, ohne dabei einen Versorgungsmangel in anderen Staaten zu erzeugen.
        • Ärztinnen und Ärzte sollen in den kommenden Monaten keine Rezepte für eine individuelle Bevorratung ausstellen. Vielmehr sollen Patientinnen und Patienten erst dann ein Folgerezept erhalten, wenn eine weitere Verordnung erforderlich ist. Damit sollen regionale oder individuelle Bevorratungen unterbunden werden, um allen Patientinnen und Patienten eine unterbrechungsfreie Therapie zu ermöglichen.
        • Je nach Verfügbarkeit können Ärzte auch kleinere Packungsgrößen, z. B. mit 30 Tabletten oder Arzneimittel mit einer geringeren Stärke (z. B. Einnahme von 2 Tabletten à 10 mg) verordnen. Der GKV-Spitzenverband wird die Krankenkassen informieren und empfehlen, dass in dem Zeitraum des Lieferengpasses diese Arzneimittel von den Krankenkassen den Apotheken erstattet und diese ärztlichen Verschreibungen nicht in die Wirtschaftlichkeitsprüfungen einbezogen werden sollen.
        • Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) informiert die Ärzteschaft entsprechend und weist auf das Erfordernis der bedarfsgerechten Verschreibungspraxis im Sinne der Patientenversorgung wie dessen Gründe hin.
        • Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) wird die Apothekerinnen und Apotheker zum vorliegenden Sachverhalt informieren, um sie in ihrer Funktion als Berater in Arzneimittelfragen auf die Vermittlung der nötigen Informationen an Patienten und Patientinnen zu unterstützen.
        • Die pharmazeutischen Unternehmer prüfen, wann nach einer vorgezogenen Produktion die Versorgung in Deutschland wieder bedarfsgerecht erfolgen kann. Nach derzeitiger Prognose könnten die nachproduzierten Arzneimittel bereits Ende April 2022 zur Verfügung stehen.
        • Das BfArM unterstützt die pharmazeutischen Unternehmer durch eine prioritäre Bearbeitung von Änderungsanzeigen, wenn z. B. für die Produktion ein Herstellerwechsel genehmigt werden müsste.

        • Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AMWF) hat aktuelle Therapieempfehlungen zu Tamoxifen erstellt, die auch auf der Homepage des BfArM publiziert sind.
        Das BfArM informiert die Öffentlichkeit über die jeweils aktuelle Situation auf seiner Internetseite unter tamoxifen

        Nach Einschätzung des Beirates ist davon auszugehen, dass mit der Bekanntmachung des Versorgungsmangels nach §79 Absatz 5 AMG, einem bedarfsgerechten Verordnungsverhalten und einer vorgezogenen Produktion die Versorgungslücke, die ohne Kompensationsmaßnahmen spätestens Ende Februar zu erwarten ist, vermieden werden kann, bis die neu produzierten Arzneimittel den Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen.

      2. Das Dokument zur Toolbox zur Anordnung von Maßnahmen nach § 52b Absatz 3d AMG befindet sich in der finalen Abstimmung.
      3. Die weitere Abstimmung der Empfehlungen zur Vertragsgestaltung in der ambulanten Versorgung wird in der Sitzung der Unterarbeitsgruppe am 10.02.2022 erfolgen.
      4. Das Projekt zur Koordinierung wichtiger Wirkstoffe wird im Rahmen einer späteren Beiratssitzung vorgestellt.
    3. PEI

      1. Der jährliche Jour Fixe Lieferengpässe fand unter Beteiligung von Vertretern der ABDA, des BPI, der KBV, des PHAGRO, des RKI, des vfa sowie der Impfstoff-herstellenden Unternehmen am 31.01.2022 statt.
      2. Bericht über Lieferengpass-Statistik Impfstoffe 2021:

        • 2021 gab es vergleichbar wenige Humanimpfstoff-Lieferengpässe wie 2020, ein starker Rückgang war bei den Kategorie 3-Lieferengpass-meldungen zu verzeichnen.
        • Die mittlere Dauer der Lieferengpassmeldungen hat im Vergleich zu 2020 deutlich abgenommen (2020: 169 Tage, 2021: 59 Tage).
        • Die Gründe für Lieferengpässe lagen meist bei Problemen in der Herstellung.
      3. Einführung eines neuen Meldeverfahrens für Impfstoff-Lieferengpässe:

        • Bisher erfolgten Lieferengpassmeldungen an das PEI durch den Hersteller über ein per E-Mail gesendetes PDF-Formular, die Bearbeitung erfolgte manuell.
        • Demnächst kann die Meldung durch die Hersteller über das PharmNet.Bund-Portal erfolgen, die Bearbeitung erfolgt halb-automatisiert über ein vom PEI neu entwickeltes System zur Annahme, Bewertung und Veröffentlichung von Lieferengpässen (kurz: ABVL).
        • Der Start der Pilotphase für das neue Meldeverfahren ist geplant für Ende Februar/Anfang März 2022.
      4. Überblick über die Influenza-Impfstoffversorgung:

        • Während der Influenza-Saison 2021/22 traten – anders als in der Saison 2020/21 – keine Engpasssituationen auf; eher ist ein Überangebot an Influenza-Impfstoffen zu verzeichnen.
        • Aus der Meldung nach § 132e Abs. 2 SGB V zum voraussichtlichen Bedarf an Grippeimpfstoffen für die Impfsaison 2022/2023 geht im Vergleich zu 2021/22 ein gleicher bis höherer Bedarf für Saison 2022/23 hervor; die Meldungen der Pharmazeutischen Unternehmen zu Vorbestellungs-Zahlen stehen noch aus
        • Als Ziel für 2022 wurde definiert, dass das Verfahren zur Bedarfsermittlung von Grippeimpfstoffen optimiert werden muss
      5. Verteilung COVID-19 Impfstoffe:

        • Die Meldung von Verfügbarkeitsproblemen bezüglich COVID-19-Impfstoffen durch Ärzte, Apotheker und Privatpersonen ist seit KW49/2021 über das Verbrauchermeldeformular auf der PEI Website möglich
        • Die Auswertung der Verbrauchermeldungen zu COVID-19 Impfstoffen zeigt seitdem, dass die regionale Verteilung der Meldungen verglichen mit der Bevölkerungszahl pro Bundesland homogen auftritt, daher kann von einer derzeit homogenen Verteilung der COVID-19-Impfstoffe auf die Bundesländer ausgegangen werden.
      6. Datenerfassung nach §52b 3f AMG:

        • Die Beiträge des PEI zur entsprechenden Wirkstoff-Liste befinden sich noch in interner Abstimmung, die Pilotphase der Datenerfassung wurde noch nicht gestartet.
        • Zur Klärung von offenen Fragen sind noch Abstimmung mit dem BfArM erforderlich. Das PEI wird zu gegebenem Zeitpunkt mit einem Terminvorschlag auf das BfArM zukommen.
  4. Aktuelle Situation in der intensivmedizinischen Arzneimittelversorgung mit COVID-19 Bezug
    Nach aktuellem Kenntnisstand bestehen derzeit keine versorgungskritischen Situationen bei Arzneimitteln mit COVID-19 Bezug. Die Versorgungslage wird von allen Teilnehmenden als unverändert stabil eingeschätzt. Die seitens der Klinikapotheken und den Unternehmen durchgeführte vorausschauende Planung und Bevorratung erweist sich in der vorliegenden Situation als essentielle und die Versorgung sicherstellende Vorgehensweise.
  5. Erste Erfahrungen zur regelmäßigen Datenübermittlung nach § 52b Absatz 3f AMG
    Seit dem Start des Projektes der kontinuierlichen Datenübermittlung im Oktober 2021 liegen zwischenzeitlich die Erfahrungen aus drei Meldezyklen vor. Dem Beirat wurde ein struktureller Überblick zu den erhaltenen Informationen präsentiert. Es erweist sich bereits jetzt, dass die erhaltenen Daten einen essentiellen Baustein im Monitoring zur Sicherstellung der Versorgung darstellen.
    In Abstimmung mit dem externen Dienstleister IQVIA wird im weiteren Austausch mit den Unternehmen ein Schwerpunkt auf die Datenqualität und deren Sicherstellung gelegt werden. Ziel ist die strukturierte Datenlieferung in einer für alle Beteiligten aufwandsreduzierten Form zu etablieren. Die bisherigen Erfahrungen sind geprägt von einer kooperativen und konstruktiven Zusammenarbeit bei den meisten Beteiligten.
    Der Beirat wird über die geplante Überführung des derzeitigen Pilotprojektes des PHAGRO in eine reguläre Meldesystematik informiert. In der aktuell stattfindenden Abstimmung der künftigen Parameter soll der Schwerpunkt auf versorgungskritische Arzneimittel mit vorwiegend ambulanter Bedeutung gelegt werden.
  6. EU Aktivitäten mit Bezug zu Lieferengpässen

    1. EMA extended mandat
      Die Zuständigkeiten der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) erfahren durch die Verordnung 2022/123, die am 25. Januar 2022 in Kraft getreten ist, eine deutliche Erweiterung, insbesondere bei der Krisenvorsorge und der Krisenbewältigung.
      Es werden Rahmenbedingungen und Mittel seitens der europäischen Kommission zur Verfügung gestellt werden, um Auswirkungen von Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf Arzneimittel zu verhindern, zu koordinieren oder zu bewältigen. Zum gleichen Zweck wird eine IT-Plattform zur Überwachung und Meldung von Lieferengpässen eingerichtet werden, die „Europäische Plattform zur Überwachung von Engpässen (EPÜE)“.
      Die Verordnung sieht die Errichtung einer hochrangigen Lenkungsgruppe Medicine shortages steering group (MSSG)“ vor, die unterstützt wird durch eine Arbeitsgruppe, der Medicines Shortages SPOC Working Party (MSSWP). Unter anderem umfasst die Aufgabe der Lenkungsgruppe die Erstellung einer Liste kritischer Arzneimittel in der Notfallversorgung, Intensivbehandlung und chirurgischen Behandlung auf der Ebene von ATC-Codes.
    2. EU4H - Joint Action on Shortages of Medicines
      Das BfArM ist in aktuelle Projekte auf europäischer Ebene aktiv eingebunden. Dazu zählt auch die „EU4H - Joint Action on Shortages of Medicines“, welche zum Ziel hat, die Vorgehensweise und Strukturen des Lieferengpassmanagements der Mitgliedsstaaten im Bereich der präventiven Aktivitäten gegen Arzneimittelverknappung, der Ursachenermittlung, der Bedarfsplanung, der Überwachung und Meldung von Engpässen zu harmonisieren, um so die Belastbarkeit und Robustheit der Arzneimittelversorgung in Europa zu stärken.
      Das BfArM leitet im Rahmen dieses Projektes das Arbeitspaket 7 „Digital Information Exchange for Monitoring and reporting medicine shortages“. Das PEI wirkt als Affiliated Partner ebenfalls in dem Projekt mit.
  7. Aufnahme neuer Antibiotika in die Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe
    Die Kommission ART empfiehlt fünf neue Antibiotika in die Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe aufzunehmen. Ergänzend wird die Aufnahme in die regelmäßige Datenübermittlung nach § 52b Absatz 3f AMG vorgeschlagen.
    Beschluss zu Tagesordnungspunkt 7: Aufnahme der 5 Antibiotika in die Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe (§ 52b Absatz 3c AMG) und zur regelmäßigen Datenübermittlung nach § 52b Absatz 3f AMG
    Der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe beschließt einstimmig dem Vorschlag der Kommission ART zu folgen, die fünf nachfolgend genannten Antibiotika mit Wirksamkeit gegenüber multiresistenten Erregern in die Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe aufzunehmen.
    Folgende Wirkstoffe sollen, vorbehaltlich der Prüfung der Vermarktung in Deutschland, in die Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe aufgenommen werden:
    1. Wirkstoffkombination Ceftolozan/Tazobactam (Zerbaxa)
    2. Wirkstoffkombination Ceftazidim/Avibactam (Zavicefta)
    3. Wirkstoffkombination Meropenem/Vaborbactam (Vaborem)
    4. Wirkstoff Cefiderocol (Fetcroja)
    5. Wirkstoffkombination Imipenem/Cilastatin/Relebactam (Recarbrio)
    Die Arzneimittel, die die genannten Wirkstoffe bzw. Wirkstoffkombinationen enthalten erfüllen auch die Voraussetzung zur regelmäßigen Datenübermittlung nach § 52b Absatz 3f AMG. Die Liste der Fertigarzneimittel nach § 52b Absatz 3f AMG wird um die folgenden Arzneimittel erweitert:
    1. Zerbaxa 1 g/0,5 g Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
    2. Zavicefta 2 g/0,5 g Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
    3. Vaborem 1 g/1 g Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
    4. Fetcroja 1 g Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
    5. Recarbrio 500 mg/500 mg und 250 mg Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung
    Der Beirat beschließt die Erweiterung einstimmig.
  8. Vorstellung der durch das BfArM betreuten Masterarbeit zum Thema ‘Ist Pünktlichkeit eine Tugend? Eine Analyse von Lieferengpässen bei Arzneimitteln auf Basis von Marktdaten‘
    Im Rahmen der Kooperation des BfArM mit der Kühne Logistik Universität in Hamburg betreute das BfArM eine Masterarbeit, die die Meldung von Lieferengpässen und die Auswirkungen auf die Schwere von Lieferengpässen untersuchte. Auch das Ausmaß einer verspäteten Lieferengpassmeldung auf den Lieferengpass selbst und dessen Effekte auf die Versorgung wurden auf Grundlage der verfügbaren Daten (Lieferengpassmeldungen beim BfArM und Marktdaten) ausgewertet. Als ein Ergebnis konnte festgestellt werden, dass eine frühe Meldung der eingeschränkten Verfügbarkeit zu einer signifikanten Reduktion der Auswirkungen des Engpasses führt.
  9. Sachstandsbericht und Diskussion zu Liefer- und ggf. Versorgungsengpässen (BfArM, PEI)

    1. BfArM: Als beendet gemeldete Lieferengpässe einzelner Arzneimittel

      1. Rivastigmin
      2. Haloperidol
      3. Dimenhydrinat
      4. Piperacillin/Tazobactam
    2. BfArM: Als relevant eingestufte aktuelle Liefer- und ggfs. Versorgungsengpässe

      1. Aminosäurelösungen (Fresenius Kabi)
        Hoher Marktanteil betroffen. Jedoch kann der Ausfall nach aktueller Kenntnis durch Importe kompensiert werden.
      2. Clonidin (Ratiopharm)
        Es ist ein kleines Patientenkollektiv betroffen. Alternative Präparate sind vorhanden. Eine Umstellung auf alternative Präparate ist jedoch zeit- und ressourcenintensiv.
      3. Erythromycinlactobionat/Erythromycinsuccinat (Inresa, Stragen)
        Die Zeiträume der Lieferengpassdauer sind verlängert worden. Hier steht die Bedarfsdeckung bei Kindern im Fokus, welche jedoch zum aktuellen Zeitpunkt nicht gefährdet ist.
      4. Levodopa / Carbidopa (Retardformen)
        Die ausstehenden Variations im Zusammenhang mit verunreinigten Arzneimitteln sind bevorzugt bearbeitet worden und im Rahmen dieser Bearbeitung als positiv eingeschätzt. Aktuell bestehen keine Hinweise auf eine Unterversorgung des Marktes.
      5. Medroxyprogesteron Acetat (MPA Hexal)
        Es gibt eine Zwischenproduktion für die 250 mg Stärke, durch welche eine Übergangsreichweite von 4 Monaten gewährleistet wird. Ebenfalls soll durch eine zweite Produktion beider Stärken eine Versorgung für 12 Monate gewährleistet werden.
      6. Heparin (Ratiopharm)
        Ein hoher Marktanteil ist betroffen, jedoch ist eine Kompensation möglich.
      7. Octreotid (Octreotid Hexal)
        Lieferengpass ist durch andere Fertigarzneimittel kompensierbar.
      8. Minoxidil (Pfizer)
        Für eingestellte Patient*innen ist die Umstellung kritisch. Ein Import aus anderen Ländern ist möglich.
      9. Morphinsulfat (Substitol)
        Der Lieferengpass ist verlängert worden. Nach den Informationen des BfArM deckt der Import von Ware den Bedarf ab.
      10. Vincristin (Vincristin 1mg/ml TEVA)
        Es sind beide verfügbaren Hersteller betroffen. Das BfArM steht in kontinuierlichem Austausch mit Unternehmern, um Auswirkungen zu minimieren. 
        Importoptionen sind vorhanden.
        Eine Therapieempfehlung ist auf der Website des BfArM veröffentlicht unter
        Wirkstoffinformationen zum Lieferengpass-Monitoring
      11. Vinorelbin (verschiedene Hersteller)
        Ein Austausch der Injektionslösung durch eine Weichkapsel ist möglich. Nach aktuellem Kenntnisstand kann der Bedarf durch Importe gedeckt werden.
      12. Vitaminpräparate für Sondennahrung (Cernevit)
        Mitbewerber importiert aus Österreich. Die Versorgung ist gewährleistet.
      13. Tamoxifen (verschiedene Hersteller)
        s. Top 3.2.1
        Die Information über diesen Engpass ist bereits im Vorfeld an den Beirat erfolgt.
        Eine aktuelle Empfehlung der medizinischen Fachgesellschaften ist auf der Website des BfArM veröffentlicht unter:
        Tamoxifen
      14. Vandetanib (Caprelsa)
        Ein bei Karzinomen verwendetes Arzneimittel. Bei bestimmten sehr seltenen histologischen Gegebenheiten des Karzinoms (ca. 1000 Fälle/Jahr in Europa) sind keine Alternativen vorhanden. Aktuell findet nur eine Lieferung auf Einzelanfrage und Rezeptvorlage statt. Es ist kein Lieferabriss zu erwarten.
      15. Rocuronium
        Es sind therapeutische Alternativen verfügbar. Die Lieferengpässe haben eine kurze Dauer. Die Mitbewerber sind vollständig lieferfähig.
      16. Radiosotope
        Der kurze Lieferengpass ist durch den Ausfall eines Reaktors verursacht worden. Der Reaktor konnte kurzfristig wieder in Betrieb genommen werden die Produktion wurde wiederaufgenommen.
    3. PEI: Als beendet gemeldete Lieferengpässe einzelner Arzneimittel

      1. Boostrix
      2. Infanrix
      3. Infanrix-IPV+Hib 1er Abpackung
      4. Infanrix-IPV+Hib 10er Abpackung
      5. Pneumovax 23
    4. PEI: Als relevant eingestufte aktuelle Liefer- und ggfs. Versorgungsengpässe

      1. Typhoral L Typhus-Impfstoff
        Lieferengpass der Kategorie 2 seit November 2020; Vertrieb wurde unterbrochen; aufgrund eines Einbruchs in der Nachfrage wegen geringer Reisetätigkeit (COVID 19 Pandemie) werden keine neuen Chargen mehr produzieren und auf den Markt gebracht, Alternativimpfstoff Typhim Vi ist verfügbar.
      2. Engerix-B Erwachsene 10er Abpackung Hepatitis-B-Impfstoff
        Packungsgrößen-Lieferengpass aufgrund von Problemen in der Herstellung, 1er Abpackung ist verfügbar.
      3. Infanrix hexa 5x (10 Fertigspritzen + 10 Durchstechflaschen) Bündelpackung Diphtherie-, Tetanus-, Pertussis-, Hepatits B-, Polio-myelitis-, Haemophilus-influenzae-Typ b-Impfstoff
        Packungsgrößen-Lieferengpass aufgrund von erhöhter Nachfrage, 1er Abpackung ist verfügbar.
      4. Infanrix-IPV + Hib 1er Abpackung Diphtherie-, Tetanus-, Pertussis-, Polio-myelitis-, Haemophilus-influenzae-Typ b-Impfstoff
        Packungsgrößen-Lieferengpass aufgrund von Problemen in der Herstellung, 10er Abpackung ist verfügbar.
      5. Immunglobulin G-Präparate (human)

        1. Hizentra (subkutan)
        2. Privigen (intravenös)
        3. Ig Vena 50 g/l Infusionslösung (intravenös)
        4. Cuvitru 200 mg/ml Injektionslösung (subkutan)
        5. Kiovig (intravenös)
        6. Intratect (intravenös)
        7. Intratect 100g/l (intravenös)
        8. Gamunex 10% (intravenös)
          Zu diesen Immunglobulin-G-Präparaten sind derzeit noch therapeutische Alternativen verfügbar. Die in Deutschland zugelassenen Immunglobulin-G-Präparate sind auf der Website des PEI veröffentlicht.
    5. Hinweise auf unzureichende Angaben zu den Gründen der Lieferengpasssituation
      Das BfArM weist darauf hin, dass durch fehlende oder unzureichende Angaben bei der Meldung von Lieferengpässen ein erhöhter Nachfragebedarf und ein erhöhter Zeitaufwand bei der Bearbeitung entsteht. Dies kann zu verspäteten Reaktionen auf den Lieferengpass führen. Es wird appelliert, dass die Unternehmen bei Einreichung der Lieferengpässe das Feld ‘Weitere Informationen’ verwenden sollen um die Lieferengpassmeldung möglichst vollständig zu beschreiben.
  10. Verschiedenes

    Im Falle, dass sich aufgrund spezifischer Entwicklungen ein Bedarf ergeben sollte, wird der Beirat kurzfristig tagen.

  11. Nächster Termin
    Die nächste Beiratssitzung findet am 02. Juni 2022 statt.

gez.
Dr. Michael Horn

Bonn, den 10.03.2022