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Kurzinformation zum 10. Jour Fixe zum Thema "Liefer- und Versorgungsengpässe" am 11.07.2019

Aufgrund des erforderlichen Abstimmungsbedarfes zum Protokoll der Sitzungen und den damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen, wurde im 3. Jour Fixe zum Thema „Liefer- und Versorgungsengpässe“ (JF) vereinbart, dass vom BfArM zeitnah nach der Sitzung die wesentlichen Inhalte der Sitzung kurz dargestellt werden. Hierbei kann nicht ausgeschlossen werden, dass ggf. Anpassungen im Zuge der Protokollabstimmung vorzunehmen sind.

Kurzinformationen zu verschiedenen Punkten aus der Tagesordnung:

  1. Sachstand zu den Aktivitäten im BfArM und PEI (BfArM, PEI)

    1. Der Start des User-Acceptance-Test für das neue Meldeportal für Lieferengpässe für die Industrie wird sich nach gegenwärtigem Stand auf Q4 2019 verzögern (BfArM).
    2. Das BfArM hat ein Themendossier zum Thema Lieferengpässen vorbereitet, dass in den nächsten Tagen veröffentlicht werden wird. In diesem Zusammenhang stellt das BfArM fest, dass das Thema in der Öffentlichkeit immer stärker wahrgenommen wird und das BfArM als Ansprechpartner und Informationsquelle immer stärker gesucht wird. Die Teilnehmenden des Jour Fixe bestätigen diese Wahrnehmung auch für ihre Bereiche und befürworten eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. (BfArM)
    3. Im Rahmen eines Treffens zur Vermeidung von Lieferengpässen mit saisonalen Influenzaimpfstoffen am 16.05.2019 im Paul-Ehrlich-Institut wurden gemeinsame Kommunikationsstrategien aller Akteure in Bezug auf die jährlichen Meilensteine in Zusammenhang mit der Herstellung und Versorgung mit saisonalen Influenzaimpfstoffen diskutiert. Weitere Themen waren die Verbesserung der Bedarfsschätzung und Vorbestellpraxis als auch die Erarbeitung eines entsprechenden Konzeptes für die praktische Umsetzung der neuen Regelungen, die im Terminservice- und Versorgungsgesetz TSVG getroffen wurden (PEI).
  2. Empfehlung des Jour Fixe zu Liefer- und Versorgungsengpässen zur Verbesserung der Lieferfähigkeit versorgungsrelevanter Arzneimittel in Kliniken in der Vertragsgestaltung zwischen Krankenhausapotheken/krankenhausversorgenden Apotheken und pharmazeutischen Unternehmen
    Die Empfehlung wurde in der vorliegenden Version seitens der Jour Fixe Teilnehmenden angenommen. Die Veröffentlichung soll auf der BfArM Homepage auf der Seite des Jour Fixe zu Liefer- und Versorgungsengpässen erfolgen. Nach Veröffentlichung wird ein kontinuierliches Monitoring der Umsetzung erfolgen, um die Effekte nachzuvollziehen, die sich aus der Anwendung der Empfehlung ergeben und um Hinweise zu Optimierungspotentialen zu identifizieren. Mit konkreten Ergebnissen kann aber erst in mehreren Jahren gerechnet werden.
  3. Möglichkeit einer Koordinierung von Arzneimittelrückrufen ohne Krisensituation
    Anhand verschiedener Beispiele wird dargelegt, dass eine Verbesserung in der Kommunikation von Risikoabwehr-Maßnahmen in Fällen ohne Krisensituation angestrebt werden sollte. Ein verbesserter Abstimmungsprozess wird seitens des Jour Fixe befürwortet. BMG und BfArM bieten an diese Fragestellung mit den Bundesländern zu besprechen.
  4. Weiterentwicklung der Informationskette zu Lieferengpässen
    Anfragen und Beschwerden aus Fachkreisen weisen des Öfteren auf Defizite in der Informationskette bei Lieferengpässen hin. Es wird bemängelt, dass das Eintreten eines Lieferengpasses immer noch vielfach erst kurz oder mit Eintreten des Lieferengpasses an die betroffenen Kliniken und Apotheken kommuniziert wird und damit keine hinreichende Vorbereitungszeit, z.B. zur Empfehlung möglicher Optionen der Kompensation, zur Verfügung steht. Ebenso wäre es wünschenswert belastbare Informationen über die Dauer und die Hintergründe eines Lieferengpasses zu erhalten, um die geeigneten Maßnahmen ergreifen zu können. Das BfArM will daher die Möglichkeit schaffen, das BfArM bereits frühzeitig über einen sich andeutenden Lieferengpass zu informieren.
    Im Vorfeld zum Jour Fixe wurden zehn Listen sog. Defekte anonymisiert zur Verfügung gestellt und vom BfArM ausgewertet. Das Ergebnis zeigt, dass diese Defekte ein breiteres Spektrum von Arzneimitteln abdecken und über die Arzneimittel, die der Selbstverpflichtung zur Meldung unterliegen, hinausgehen. Die Fokussierung der Selbstverpflichtung auf versorgungsrelevante Arzneimittel soll aber erhalten bleiben. Es wurde vereinbart, dass die Verbände ihre Mitglieder für die Relevanz frühzeitiger und belastbarer Informationen erneut sensibilisieren sollen. Ebenso sollen auch die Fachkreise relevante Engpässe dem BfArM mitteilen.
  5. Ersatz des Kaninchen-Pyrogentests (RPT) durch ein anderes Prüfverfahren – Update des Sachstandes in BfArM & PEI
    Die Evaluierung über eine Nutzung des alternativen Tests nach Arzneibuch ist noch nicht abgeschlossen, da entsprechenden Informationen der betroffenen Zulassungsinhaber noch nicht umfänglich vorliegen, inwieweit auf die Ersatzmethode zurückgegriffen wird. Der Austausch zur Thematik erfolgt unter fachlicher Einbindung des BfArM. Indizien, die auf eine Lieferengpasssituation schließen lassen, liegen gegenwärtig nicht vor.
  6. Sachstandsbericht und Diskussion zu Liefer- und ggf. Versorgungsengpässen (BfArM, PEI)

    1. Als beendet gemeldete Lieferengpässe einzelner Arzneimittel

      1. Ampicillin-Natrium
      2. Epinephrinhydrochlorid
      3. Erythromycinlactobionat
      4. Fludarabinphosphat (Ph. Eur.)
      5. Ibuprofen
      6. Ivermectin
      7. Oxytocin
      8. Pankreas-Pulver vom Schwein
      9. Paromomycinsulfat (1:x)
      10. Piperacillin-Natrium, Tazobactam-Natrium
      11. Sulbactam-Natrium, Ampicillin-Natrium
      12. Valproinsäure, Natriumvalproat
    2. Relevante aktuelle Liefer- und Versorgungsengpässe (BfArM)

      1. Procarbazinhydrochlorid
        Der Wirkstoff Procarbazinhydrochlorid ist auf der Liste der Arzneimittel/Wirkstoffe aufgeführt, die aufgrund eines erhöhten Versorgungsrisikos unter besonderer behördlicher Überwachung stehen. Eine versorgungskritische Situation ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht zu erwarten, da nach Auskunft des Zulassungsinhabers ausreichend Ware im Ausland vorhanden ist, die gemäß § 73 Abs. 3 AMG importiert werden kann. Es wird betont, dass es sich sowohl bei § 73 Abs. 3 AMG als auch bei § 79 Abs. 5 AMG um Einzelfallentscheidungen handelt, die nach strengen Kriterien zu treffen sind und denen Ausnahmetatbestände zugrunde liegen.
      2. Benzylpenicillin-Benzathin
        Der Wirkstoff Benzylpenicillin-Benzathin ist auf der Liste der Arzneimittel/Wirkstoffe aufgeführt, die aufgrund eines erhöhten Versorgungsrisikos unter besonderer behördlicher Überwachung stehen. Es stehen für die verschiedenen Indikationen therapeutische Alternativen zur Verfügung, so dass nicht mit einem Versorgungsmangel für die Patienten zu rechnen ist.
      3. Rifampicin
        Der Wirkstoff Rifampicin ist auf der Liste der Arzneimittel/Wirkstoffe aufgeführt, die aufgrund eines erhöhten Versorgungsrisikos unter besonderer behördlicher Überwachung stehen. Der gemeldete Lieferengpass betrifft das mit diesem Wirkstoff einzige Arzneimittel in der Darreichungsform Sirup. Alternativ kann jedoch aus den ausreichend verfügbaren Rifampicin-Tabletten gemäß DAC/NRF-Herstellungsvorschrift eine Rifampicin-Suspensionen zum Einnehmen hergestellt werden.
      4. Sildenafilcitrat
        Ein Orphan Drug mit dem als versorgungsrelevant eingestuften Wirkstoff Sildenafilcitrat konnte ab Juli wegen technischer Probleme Ware nur ohne Schulungsmaterial ausgeliefert werden. Die zuständige Landesbehörde genehmigte die Abgabe ohne Schulungsmaterial, so dass ein Lieferengpass verhindert wurde. Eine Veröffentlichung des Schulungsmaterials und Informationsbriefes erfolgte auf der BfArM-Homepage.
      5. Dabrafenib
        Aufgrund eines identifizierten Qualitätsmangels bei dem Arzneimittel Tafinlar Hartkapseln wurde eine Bewertung des Mangels mit dem Ergebnis, dass kein Sicherheitsrisiko für die Patienten besteht vorgenommen. Das BfArM hat den Wirkstoff als versorgungskritisch eingestuft. Die zuständige Landesbehörde hat beschlossen, den Vertrieb der betroffenen Chargen zu genehmigen.
      6. Levothyroxin
        Der Lieferengpass zu L-Thyroxin Henning inject kann für die Indikation Myxödem nicht ausreichend durch die therapeutische Alternative Thyrotardin-inject (T3) kompensiert werden. Eine Vermarktung mit reduziertem Haltbarkeitsdatum produzierter Batches wird trotz Out of Specification-Ergebnissen genehmigt. Die Out of Specification-Ergebnisse haben nach Angabe des pharmazeutischen Unternehmers keinen Einfluss auf den Wirkstoff. Eine entsprechende Variation zu L-Thyroxin Henning inject wurde vom Unternehmer eingereicht und wird bevorzugt bearbeitet.
    3. Anpassung der Listen der als versorgungsrelevant bzw. mit einem akut erhöhten Versorgungsrisiko eingestuften Wirkstoffe
      Folgende Anpassungen wurden vereinbart:

      Der Wirkstoff Hydrocortison ist für die parenterale Anwendung in der konservierungsfreien Formulierung (Einsatz in der Neonatologie) in der Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe zu ergänzen.

      Der Wirkstoff Indinavir ist von den Listen zu streichen, da keine verkehrsfähigen Zulassungen mehr zur Verfügung stehen.

      Der Wirkstoff Clobazepam ist auf die Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe aufzunehmen, da die Umstellung auf therapeutische Alternativen mit Risiken verbunden ist.
      Der Wirkstoff Colchicin ist für die Indikation „Familiäres Mittelmeerfieber“ auf die Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe sowie auf die Liste der Arzneimittel/Wirkstoffe, die aufgrund eines erhöhten Versorgungsrisikos unter besonderer behördlicher Überwachung stehen, aufzunehmen.

      Der Wirkstoff Sulproston ist für die Indikation „postpartale Blutungen“ in die Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe aufzunehmen.

      Die Wirkstoffe Etomidat und Thiopental sind in die Liste der versorgungsrelevanten Stoffe aufzunehmen. Zusätzlich ist der Wirkstoff Thiopental auf der Liste der Wirkstoffe mit einem in der Vergangenheit eingetretenen Versorgungsmangel zu ergänzen.

      Valsartan soll in die Liste der Wirkstoffe mit einem in der Vergangenheit eingetretenen Versorgungsmangel aufgenommen werden.

Gez.
Dr. Michael Horn, 05.08.2019