BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Kurzinformation zum 12. Jour Fixe zum Thema "Liefer- und Versorgungsengpässe" am 27.02.2020

Aufgrund des erforderlichen Abstimmungsbedarfes zum Protokoll der Sitzungen und den damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen, wurde im 3. Jour Fixe zum Thema „Liefer- und Versorgungsengpässe“ (JF) vereinbart, dass vom BfArM zeitnah nach der Sitzung die wesentlichen Inhalte der Sitzung kurz dargestellt werden. Hierbei kann nicht ausgeschlossen werden, dass ggf. Anpassungen im Zuge der Protokollabstimmung vorzunehmen sind.

Kurzinformationen zu verschiedenen Punkten aus der Tagesordnung:

  1. Potentielle Auswirkungen des Coronavirus (Covid-19) auf die Arzneimittelversorgung

    In China, auch in der Provinz Hubei, werden Wirkstoffe für den deutschen Arzneimittelmarkt hergestellt. Für die Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland ist die Produktion in Hubei jedoch entweder nicht marktrelevant, da dieselben Wirkstoffe auch in anderen Wirkstoffherstellorten produziert werden oder es stehen noch größere Wirkstoffkontingente zur Verfügung. Das ist das Ergebnis einer Bewertung aller aktuell dem BfArM vorliegenden Informationen und Daten durch die Teilnehmer des Jour Fixe. Der Jour Fixe sieht daher aktuell keine Hinweise auf eine kurzfristige Einschränkung der Arzneimittelversorgung und keinen konkreten Handlungsbedarf aufgrund von Produktionsausfällen in der betroffenen Provinz Hubei in China.
    Auf nationaler und europäischer Ebene stehen alle beteiligten Akteure im ständigen Austausch. Ziel ist es, die damit verbundenen möglichen Auswirkungen und Effekte im Hinblick auf Lieferverzögerungen oder Lieferengpässe von Arzneimitteln engmaschig zu beobachten, zu bewerten und begleitend mögliche Maßnahmen zu prüfen.
    Derzeit gibt es keine spezifische Therapie gegen COVID-19. Zur Versorgung der betroffenen Patientinnen und Patienten gilt die übliche Strategie zur Therapie schwerwiegender Virusinfektionen.
    Bekanntmachung nach § 79 Absatz 5 des Arzneimittelgesetzes zu Covid-19
    Das Bundesministerium für Gesundheit hat am 27. Februar 2020 nach § 79 Absatz 5 des Arzneimittelgesetzes den Versorgungsmangel mit zugelassenen Arzneimitteln zur Behandlung einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus (COVID-19) bekannt gemacht.
    Diese Feststellung ermöglicht es den zuständigen Behörden der Länder, nach Maßgabe des § 79 Absatz 5 und 6 AMG im Einzelfall ein befristetes Abweichen von den Vorgaben des AMG zu gestatten.

  2. Diskussion über mögliche lokale Versorgungsengpässe aufgrund von Ungleichverteilungen oder Bevorratung

    In jüngster Vergangenheit haben sich die Anzeichen verdichtet, dass es zu einer Ungleichverteilung von Arzneimitteln kommt. Belastbare Hinweise belegen in mehreren Fällen eine kontinuierliche Marktversorgung in einem Umfang, der zur Deckung des Bedarfs ausreichen sollte. Dennoch werden dem BfArM Indizien zu lokalen Lieferengpässen mitgeteilt, die darauf schließen lassen, dass im Umkehrschluss andernorts eine Bevorratung über den normalen Umfang hinaus als Grund wahrscheinlich macht.
    Um einer übermäßigen Bevorratung bei Lieferengpässen versorgungsrelevanter Arzneimittel vorzubeugen, wurde die Möglichkeit einer Kontingentierung als zielführende Maßnahme diskutiert, wie sie den BOB aufgrund des GKV-FKG künftig gesetzlich ermöglicht wird.
    Der Jour Fixe stimmt zu, dass die BOBn diese Möglichkeiten bereits heute bei Lieferengpässen versorgungsrelevanter Arzneimittel nutzen kann.
    Um im Einzelfall die erforderlichen Entscheidungen abstimmen zu können, wurde vereinbart, dass die zur Einschätzung der Situation durch das BfArM benötigten Angaben zur Warenverfügbarkeit im Markt im Bedarfsfall von den Zulassungsinhabern und dem Arzneimittelgroßhandel zur Verfügung gestellt werden.

  3. Arbeitskreis zur Erarbeitung einer Empfehlung für den ambulanten Bereich
    In Analogie zur Empfehlungen des Jour Fixe zu Liefer- und Versorgungsengpässen zur Vertragsgestaltung zwischen Betreibern von Krankenhausapotheken / krankenhausversorgenden Apotheken und pharmazeutischen Unternehmen mit dem Ziel einer Verbesserung der Lieferfähigkeit versorgungsrelevanter Arzneimittel in Kliniken wurde die Erarbeitung von ähnlichen Empfehlungen für den ambulanten Bereich bereits vereinbart. Der diesbezügliche Arbeitskreis, bestehend aus ABDA/AMK, Pro Generika, VFA, BAH, BPI, PHAGRO, BMG und BfArM wurde implementiert und wird in Kürze sein erstes Treffen durchführen. Weiterhin wurde beschlossen, sowohl GKV als auch KBV frühzeitig einzubinden. Sobald alle Teilnehmende konkret benannt wurden, wird ein erstes Treffen terminiert werden.
  4. Meldekriterien
    Die vereinbarten Meldekriterien sind den Erfahrungen des BfArM nach noch nicht allen Beteiligten umfassend bekannt. Dies gilt insbesondere für die Informationspflicht gemäß § 52b Nr. 3a AMG. Alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel zur stationären Versorgung, für die Lieferengpässe bekannt werden, unterliegen damit den Meldekriterien. Die gilt ebenso für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die einen Marktanteil von mehr als 25% zu verzeichnen haben. Auch hierbei besteht die Selbstverpflichtung zur Meldung. Beide Kriterien sind gültig, auch wenn der betroffene Wirkstoff nicht Bestandteil der Liste der versorgungsrelevanten Arzneimittel oder einer weiteren Liste ist.
    Es wurde beschlossen, dass alle Wirkstoffe der Substitutionsausschlussliste in die Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe aufgenommen werden, sofern noch nicht geschehen, und damit umfänglich der Meldepflicht unterliegen. Die Wirkstoffe werden entsprechend in der Liste gekennzeichnet.
  5. Sachstandsbericht und Diskussion zu Liefer- und ggf. Versorgungsengpässen (BfArM, PEI)

    1. Als beendet gemeldete Lieferengpässe einzelner Arzneimittel

      1. Rifampicin
      2. Procarbazin
      3. Benzylpenicillin-Natrium
      4. Cytarabin
      5. Levothyroxin-Natrium
    2. Vom BfArM als relevant eingestufte aktuelle Liefer- und Versorgungsengpässe (BfArM)

      1. Idarubicin
        Für die Arzneimittel Zavedos Oral 5 mg / 10 mg Hartkapsel wurde im Dezember 2019 der Lieferengpass mitgeteilt. Das Lieferengpassende ist für April 2020 prognostiziert. Es stehen Alternativen zur Verfügung (Zavedos 10mg/ 10ml Injektionslösung).
      2. Sulfasalazin
        Es wurde der Lieferabriss für die beiden Arzneimittel Azulffidine RA und Pleon RA mitgeeilt. Der Ausfall ist weder über wirkstoffgleiche noch therapeutische Alternativen kompensierbar. Der Bedarf wird umfassend über den Import gedeckt.
      3. Trimethoprim/Sulfamethoxazol
        Umfassende Lieferengpassmeldungen sind für “Cotrim”- Arzneimittel in den Darreichungsformen Tablette und Saft für alle Stärken gemeldet worden. Die Wiederverfügbarkeit einzelner Stärken wird für frühestens Mai 2020 prognostiziert. Therapeutische Alternativen stehen grundsätzlich zur Verfügung.
      4. Bleomycin
        Beide Bleomycin-haltigen Arzneimittel in Deutschland sind nur eingeschränkt lieferfähig. Therapeutische Alternativen stehen nicht zur Verfügung. Nach aktueller Prognose wird von keinem völligen Lieferabriss ausgegangen.
    3. Relevante Lieferengpässe von Arzneimitteln, deren Wirkstoff nicht Teil der Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe ist

      1. Epirubicin
        Lieferengpassmeldung aufgrund von Exportverbot aus der Ukraine, das den Wirkstoffhersteller Sybias Pharma Ltd und damit die Verfügbarkeit diverser Arzneimittel betrifft. Die Dauer der Lieferprobleme ist nicht absehbar. Das Unternehmen plant daher die Produktion kurzfristig zu verlegen (gilt auch für Doxorubicin). Ein Empfehlungsschreiben der Fachgesellschaften auf der BfArM Internetseite verweist auf den Wirkstoff Doxorubicin als Alternative, inklusive Angaben zum erforderlichen Umrechnungsfaktor. Alternative Arzneimittel mit Wirkstoffherstellern aus anderen Ländern werden in Kürze ihre Produktion erhöhen und damit die Verfüg-barkeit verbessern. Ein Versorgungsmangel ist aktuell nicht festzustellen.
      2. Xipamid

        Es kann zu Einschränkungen in der Verfügbarkeit kommen, da einzelne Xipamid-haltige Arzneimittel nicht in allen Stärken und Packungsgrößen verfügbar sind. Kompensation der Marktanteile ist über Mitbewerber nicht ad hoc möglich.

      3. Venlafaxin
        Es werden weiterhin Einschränkungen in der Verfügbarkeit einzelner Arzneimittel und Stärken berichtet. Die Überprüfung zeigt eine grundsätzlich ausreichende Menge an Arzneimitteln, die in Verkehr gebracht wird. Die Kontinuität der Verfügbarkeit der einzelnen Arzneimittel ist nur bedingt gegeben, daher sind Verzögerungen in der Lieferung oder das Erfordernis der Kompensation durch Alternativen weithin nicht auszuschließen.
    4. Heparin-haltige Arzneimittel

      Die Verfügbarkeit von Heparin-haltigen Arzneimitteln ist angespannt, aber noch beherrschbar. Dennoch wird davon ausgegangen, dass sich die Situation aufgrund der afrikanischen Schweinepest noch verschärfen wird. Es wurde vereinbart, dass die Fachgesellschaften Empfehlungen zu therapeutischen Alternativen ausarbeiten. Für die USA sind entsprechende Empfehlungen bereits erstellt worden.

Gez.
Dr. Michael Horn, 02.03.2020