BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Kurzinformation zur 14. Sitzung des Jour Fixe zum Thema "Liefer- und Versorgungsengpässe" vom 07.04.2020

Aufgrund des erforderlichen Abstimmungsbedarfes zum Protokoll der Sitzungen und den damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen, wurde im 3. Jour Fixe zum Thema „Liefer- und Versorgungsengpässe“ (JF) vereinbart, dass vom BfArM zeitnah nach der Sitzung die wesentlichen Inhalte der Sitzung kurz dargestellt werden. Hierbei kann nicht ausgeschlossen werden, dass ggf. Anpassungen im Zuge der Protokollabstimmung vorzunehmen sind.
Teilnehmer der Sitzung waren:

  • Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF)
  • Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK)
  • Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
  • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
  • Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (Paul-Ehrlich-Institut (PEI))
  • Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
  • Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI)
  • Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH)
  • Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e.V. (PHAGRO)
  • Bundesverband deutscher Krankenhausapotheker e.V. (ADKA)
  • Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände (ABDA)
  • Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG)
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
  • Pro Generika e.V.
  • Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband)
  • Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa)
  • Vertretung der Bundesländer

Sitzung fand in der Form einer Telefonkonferenz statt.

Nach Auffassung der Teilnehmenden haben die im letzten Jour-Fixe getroffenen Festlegungen und Einschätzungen grundsätzlich weiterhin Bestand.

Die Situation zur Versorgungslage mit Arzneimitteln in Apotheken und Kliniken muss angesichts der weltweit fortschreitenden Pandemie, den begrenzten Ressourcen und den damit verbundenen globalen Herausforderungen jedoch dahingehend modifiziert werden, dass insbesondere die Versorgung in DE nicht immer in allen Klinken in dem gewünschten Ausmaß erfolgen kann.

Es wird auf allen Ebenen (politisch, regulativ und operativ) intensiv an dem Ziel gearbeitet, die Versorgungslage mit Arzneimitteln im stationären und ambulanten Bereich auch weiterhin sicherzustellen bzw. auf das gewünschte Maß zurück zu führen.

Der JF bildet hierbei ein gut etabliertes Gremium, über das erforderliche Maßnahmen abgestimmt und adressiert werden können. Die Teilnehmenden sind sich einig, dass die Corona-Krise nur durch ein abgestimmtes koordiniertes Vorgehen zu bewältigen sein wird, in denen Maßnahmen, die vom JF unterstützt werden, von allen Beteiligten im Gesundheitswesen beachtet und verantwortungsvoll umgesetzt werden.“

Wesentliche Festlegungen und Diskussionen:

  • Der JF spricht sich noch einmal ausdrücklich gegen individuelle Bevorratungsstrategien aus, um die Versorgung bestmöglich sicherstellen zu können.
  • Aufgrund der weiterhin dynamischen globalen Entwicklung der Covid-19-Pandemie wurde vereinbart, dass bis auf weiteres alle 14 Tage zu einer Telefonkonferenz eingeladen werden soll, um die Entwicklungen über den JF noch engmaschiger bewerten zu können.
  • Die ausreichende Versorgung mit Schutzbekleidung und Desinfektionsmitteln stellt weiterhin ein relevantes Problem in vielen Bereichen dar. Neben dem hohen Bedarf für die Beschäftigten im Gesundheitswesen mit Patientenkontakt, kommt es auch zu Engpässen bei den Pharmazeutischen Unternehmen für die Arzneimittelproduktion.
  • Situation in Klinken

    • In den Kliniken ist aktuell die größte Herausforderung, den zusätzlichen Bedarf aufgrund der Aufstockung von Intensivmedizinischen Kapazitäten realistisch abzuschätzen. Eine höhere Nachfrage als der tatsächliche Bedarf spannt die Situation zusätzlich an.
    • Vom JF wurde vereinbart eine Task-Force einzusetzen, die sich im Schwerpunkt mit den folgenden Themen befassen soll:

      • Kurzfristige Abstimmung einer belastbaren Wirkstoffliste mit ca. 20 Wirkstoffen, die für die intensivmedizinische Versorgung entscheidend sind
      • Erarbeitung eines Mustervorgehens um die Versorgung von Hotspots sicherzustellen
      • Konkrete Ermittlung von Bedarfs- und Produktionskapazitäten
      • Maßnahmen für Vermeidung von Versorgungsproblemen in der intensivmedizinischen Behandlung
      • Mitglieder der Task-Force sind vorerst:

        • ADKA, AMK, BfArM, DKG, Progenerika, AWMF
      • Die Task-Force soll insbesondere bei der Bearbeitung der Wirkstoffliste auch Auswirkungen auf den ambulanten Bereich betrachten.
    • Das BfArM geht in einer ersten vorläufigen Schätzung davon aus, dass sich der Bedarf an Arzneimitteln in der Intensivmedizin bei Vollauslastung aller Intensivbetten um den Faktor 2,5 erhöhen wird. Um die hierfür zusätzlich benötigten Arzneimittel zur Verfügung stellen zu können, werden verschiedene Maßnahmen für erforderlich angesehen, die parallel greifen müssen, insb.:

      • Einsparungen, z.B. durch weitere konsequente Verlegung nicht dringend erforderlicher Operationen
      • Umverteilungen von Übervorräten aus nicht oder nur wenig betroffenen Regionen in die Hotspots (auch als milderes Mittel zur Verlegung von Erkrankten)
      • Bereitstellung zusätzlicher Arzneimittel durch

        • Erhöhung der Produktionskapazitäten
        • Umlenkung von Arzneimitteln, die im Ausland nicht benötigt werden, z.B. auf Antrag nach § 10 Abs. 1a und § 11 Abs. 1c AMG
  • Situation in der ambulanten Versorgung

    • Die Situation in Apotheken hat sich leicht entspannt. Gründe könnten u.a. die Kontaktbeschränkung, aber auch der Quartalswechsel sein.
    • Es soll intensiv beobachtet werden, wenn Arzneimittel aus der klassischen Versorgung für die Behandlung von Covid-19-Patienten verschrieben und angewendet werden.
  • Situation bei pharmazeutischen Herstellern und Zulassungsinhabern

    • Die Steigerung der globalen Nachfrage bei gleichzeitig angespannten Marktsituationen und beeinträchtigten Transportwegen stellt die pharmazeutische Industrie vor zunehmende Herausforderungen. Positiv ist, dass Ausgangsstoffe zur Arzneimittelherstellung aus Indien wieder grundsätzlich exportiert werden können und auch die Produktion in China wieder angelaufen ist.

Behördliche Maßnahmen

  • Der JF begrüßt und unterstützt die Verlautbarung des BfArM zur Verordnung von Hydroxychloroquin vom 03.04.2020. Auch wenn die Veröffentlichung aktuell formal nur eine Empfehlung darstellt, soll diese nach Auffassung des JF als verbindlich geltend umgesetzt werden. In vergleichbaren Fällen wird das BfArM aufgefordert wieder in gleicher Weise zu handeln.
  • Bund und Länder nutzen die gegebenen rechtlichen Möglichkeiten, um die Situation, beispielsweise bei der Versorgung mit medizinischem Sauerstoff, möglichst zu entschärfen, z.B. im Rahmen des § 79 Abs. 5 AMG. Hier findet ein intensiver und zeitnaher Austausch zwischen Bund und Ländern statt, um zügig zu Lösungen im Sinne der Versorgung von Patientinnen und Patienten zu kommen.
  • Das BfArM prüft, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen bei bestimmten Arzneimitteln nach der Anwendung verbleibende Reste während der Pandemie weiterverwendet werden können.
  • Bei Duldung von Importen nach § 10 Abs. 1b und § 11 Abs. 1c AMG sollen, gemäß dem Vorbild des PEI, auf der Homepage des BfArM alle relevanten Informationen und Abbildungen veröffentlicht werden, die diese Arzneimittel als geprüfte Originalware erkennbar machen.
  • Abgestimmte Maßnahmen sollen auf ihre Wirksamkeit geprüft und ggf. an sich geänderte Rahmenbedingungen angepasst werden.
  • Über das GKV-FKG und die neue Verordnungsermächtigung im IFSG stehen nun weitere Möglichkeiten zur Verfügung, um behördlich entlastend aber auch regulierend einwirken zu können. Es wird damit gerechnet, dass in Kürze Rechtsverordnungen vom BMG auf Basis der neu geschaffenen Verordnungsermächtigung im IFSG in Kraft gesetzt werden.

Bestehende bzw. sich abzeichnende relevante Engpässe

  • Im Fokus stehen derzeit insbesondere Wirkstoffe, die in der intensivmedizinischen Versorgung benötigt werden, wie

    • Propofol
    • Midazolam
    • Morphin
    • Meropenem
    • Norepinephrin
    • Atemkalk
  • Beim BfArM werden aktuell viele neue Lieferengpässe gemeldet. Überwiegend wird als Grund die deutlich gestiegene Nachfrage angegeben

Weitere Punkte (ohne Corona-Bezug):

  • Beschaffung von Influenzawirkstoff
    Die über das neue Meldeverfahren erhobenen Bedarfsmengen liegen noch unter der prognostizierten Menge. Hier wird in Abstimmung mit dem PEI geprüft, ob für die kommende Saison noch nachjustiert werden muss, damit eine ausreichende Versorgung sichergestellt werden kann.

Gez.
Dr. Michael Horn, 09.04.2020