BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Protokoll zum 11. Jour Fixe zum Thema „Liefer- und Versorgungsengpässe“ am 12.11.2019

Ort Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Kurt-Georg-Kiesinger- Allee 3, 53175 Bonn; 10:30 - 15:00 Uhr

TOP 1: Begrüßung

TOP 2: Die Tagesordnung wurde mit Ergänzungen (s. unter Verschiedenes) angenommen

TOP 3: Das Protokoll zur Sitzung vom 11.07.2019 wurde angenommen

TOP 4: Bericht des BMG

  1. Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)
    Das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) ist am 16.08.2019 in Kraft getreten.
    Mit dem GSAV sollen u.a. Bundes- und Länderbehörden besser zusammenarbeiten und Apotheken sowie Herstellbetriebe stärker kontrolliert werden. Der Bund hat erweiterte Befugnisse in Bezug auf die Arzneimittelsicherheit erhalten. Informationen über die Hersteller der Wirkstoffe in Arzneimitteln sind in Zukunft öffentlich zur Verfügung zu stellen.
  2. Mögliche Lösungsansätze zur Vermeidung und Minimierung von Lieferengpässen
    Die in der politischen Diskussion zu Lieferengpässen thematisierten möglichen Lösungsansätze zur Vermeidung und Minimierung wurden im Überblick angesprochen. Die Qualität und Zuverlässigkeit von Informationen wird als wesentlich angesehen, ebenso wie die frühestmögliche Verfügbarkeit und Transparenz. Konsens herrscht darüber, dass ein differenzierter, passgenauer Einsatz von Maßnahmen für den jeweiligen Einzelfall als zielführend und als am effektivsten anzusehen ist.
    Die Beachtung aller Meldekriterien ist in diesem Kontext unerlässlich.
  3. Weitere Vorschläge des Parlaments
    Von der CDU/CSU sowie der Opposition wurden neue Vorschläge zur Diskussion gestellt, u.a. zu folgenden Themen:

    • Transparenz im Zusammenhang mit Lieferengpässen
    • Verbindliche Meldepflicht bei Lieferengpässen
    • Sanktionen bei Nichteinhalten der gesetzlichen Vorgaben

Das BMG betont, dass zukünftig eine stärkere Differenzierung bei der Einschätzung der Relevanz von Lieferengpassmeldungen wichtig sei. Es müsse festgelegt werden, ab wann konkreter Handlungsbedarf besteht. Am Beispiel des Wirkstoffes Propofol wurde deutlich, dass nicht valide Informationen zu einer vermeintlichen Lieferengpasssituation von Propofol-haltigen Arzneimitteln führten, die aufwendige Prozesse nach sich zogen, obwohl durch entsprechende Anhörungen der Antragsteller im Rahmen der Sachverhaltsermittlung deutlich wurde, dass kein nennenswerter Lieferengpass bestand.
Seitens der Teilnehmenden wird berichtet, dass die Situation bzgl. Propofol-haltiger Arzneimittel in Kliniken durchaus als Lieferengpass wahrgenommen wurde und in die Prozesse der Kliniken eingegriffen hat.

Folgende grundsätzliche Verbesserungsmaßnahmen hinsichtlich zu erfolgender Lieferengpassmeldungen wurden konsentiert:

  • Informationen zur eingeschränkten Verfügbarkeit von Arzneimitteln frühestmöglich übermitteln
  • Informationen müssen belastbar sein und als Grundlage für Entscheidungen dienen können
  • Transparenz der Lieferengpassinformationen vergrößern
  • Zuverlässigkeit und Vertrauen zwischen den Akteuren weiter festigen
  • Meldekriterien konkret einhalten, ggf. BfArM vorab kontaktieren
  • Gründe für Lieferengpässe präziser benennen

Die Jour Fixe Teilnehmer sehen folgende Gründe für das verbesserungsfähige Informationsmanagement der Unternehmen:

  • Firmen sind Hintergründe für Lieferengpasssituationen nicht generell im Detail bekannt
  • Prognosen sind firmenseitig nicht trivial zu erstellen, da die Belastbarkeit der Informationen im dynamischen Prozess lediglich eingeschränkt gegeben ist

Das BMG unterstreicht an dieser Stelle die Wichtigkeit frühzeitiger und verlässlicher Lieferengpassmeldungen.

Seitens des BfArM wird ergänzt, dass die Kriterien für die Meldung von Lieferengpässen seit April 2017 bestehen. Sollten die Firmen ihrer Selbstverpflichtung nicht nachkommen, wäre das BfArM technisch und prozessual bereit, auch Meldungen per gesetzlicher Verpflichtung zu verarbeiten.
Aus dem Teilnehmenden Kreis wird die Frage gestellt, ob Apotheken ebenfalls Lieferengpässe melden sollen. Das BfArM schlägt vor, diese Meldungen über die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) zu kanalisieren.

Die Teilnehmenden berichten in diesem Zusammenhang über ein neues System, dass es ermöglichen soll, einen Überblick über die Versorgungssituation in Apotheken zu erlangen. Es werden damit zentralisiert Echtzeitdaten generiert, die wiederum den Apotheken als Informationsquelle zur Verfügung gestellt werden sollen. Das BfArM weist darauf hin, dass diese Daten auch für die BOB als relevant angesehenen werden, um Lieferengpasssituationen besser einschätzen zu können. Auch das BfArM verfügt durch Angaben aus Lieferengpassmeldungen über Informationen, die z.B. den Fachkreisen zugänglich gemacht werden können, um erforderliche Entscheidungs-prozesse zu unterstützen.
Das BMG berichtet, dass in der aktuellen politischen Diskussion zur Verbesserung der Situation u.a. eine Erhöhung der Bevorratung in Erwägung gezogen wird, wohingegen der Vorschlag eines Exportverbotes derzeit als nicht zielführend betrachtet wird, da auch der Import von Arzneimitteln in der nationalen Versorgung ein relevanter Faktor ist.
Die angedachten Maßnahmen werden im Kreis der Teilnehmenden kontrovers diskutiert.

TOP 5: Bericht des BfArM und PEI

BfArM

  1. Lieferengpassdatenbank des BfArM
    Die aktuelle Struktur der Lieferengpassdatenbank des BfArM wurde erweitert und bietet einerseits die Informationen zu aktuellen Lieferengpässen an und darüber hinaus weiterhin die Angaben zu allen bisherigen Meldungen. Die Rechercheoptionen der Datenbank stehen unverändert zur Verfügung.
  2. Maintenance-Portal
    Die Entwicklung des Maintenance-Portals zur Meldung von Lieferengpässen ist in Abhängigkeit mit der Entwicklung des künftigen Arzneimittelinformationssystems AmAnDa zu betrachten. Die Pilotphase mit Industriebeteiligung sollte nach gegenwärtigem Stand im 1. Quartal 2020 realisierbar sein.
  3. Empfehlung des Jour Fixe zur Verbesserung der Lieferfähigkeit versorgungsrelevanter Arzneimittel in Kliniken
    Auf der BfArM Internetseite steht auch die englische Version der Empfehlungen des Jour Fixe zur Verbesserung der Lieferfähigkeit versorgungsrelevanter Arzneimittel in Kliniken zur Verfügung.
  4. Brexit
    Die aktuelle Überprüfung durch das BfArM ergab erneut keine Hinweise auf potentielle Lieferengpasssituationen. Die Verbände bestätigen diese Einschätzung.
  5. Heparin-haltige Arzneimittel

    Weiterhin gibt es keine Indizien bzw. Informationen zu einer möglichen kritischen Versorgungssituation mit Heparin-haltigen Arzneimittel aufgrund des Ausbruchs der afrikanischen Schweinepest in China.
    Dieser Kenntnisstand wird von dem JF-Kreis bestätigt. Auf EU-Ebene findet kontinuierlich ein intensives Monitoring unter Einbeziehung aller Mitgliedsstaaten statt.

PEI

  1. Es gibt 3 Impfstoffe in der Kategorie 3 gegen Herpes Zoster ohne Alternative.
  2. Es wurden 5 Millionen Influenza-Impfdosen mehr freigegeben als vergangenes Jahr.
  3. Für das kommende Jahr plant das PEI einen internen Jour Fixe mit allen wichtigen Akteuren. Voraussichtlich findet dieser Jour Fixe etwa Mitte/Ende Februar statt.

TOP 6: Weiterentwicklung der Informationsstruktur bei Lieferengpässen
Folgende Aspekte wurden als Verbesserungsmaßnahme im Rahmen von Transparenz und Kommunikation im Falle von drohenden oder aktuellen Lieferengpässen als
optimierende Maßnahmen bestätigt:

  • Aktive Vermittlung von Inhalten zu Liefer- und Versorgungsengpässen in Fachkreisen
  • Berücksichtigung der Festlegungen bei ersten Anzeichen von eingeschränkter Verfügbarkeit – proaktive Kommunikation vor Anhörung durch die BOB
  • Vermittlung von verzögerter oder eingeschränkter Verfügbarkeit an Patienten und Patientinnen durch Fachkreise

Es stellt sich die Frage wie professionell die jeweiligen Akteure mit Lieferengpass-situationen umgehen. Dazu gehört auch, dass sich alle Beteiligten ihrer jeweiligen Rolle bewusst sind und entsprechend sorgfältig kommunizieren.

Aus dem Jour Fixe Kreis wird angemerkt, dass auch bei Lieferengpässen von nicht versorgungsrelevanten Wirkstoffen eine Prüfung erfolgen müsse, um die Relevanz für den Markt festzustellen. Die Erwartungshaltung ist, dass Lieferengpässe künftig noch differenzierter beurteilt werden können.
Um den Informationsfluss zu verbessern schlagen die Jour Fixe Teilnehmenden folgende Lösungsoptionen vor:

  • Herstellung einer automatisierten Informationsbasis in Austausch mit der ADKA
  • Bündelung des oft parallel stattfindenden Austausches
  • Erstellung eines Leitfadens für Firmen, wann und wie gemeldet werden soll

Als Fazit der Diskussion ergibt sich die Feststellung, dass bei den beteiligten Akteuren die Grenze der Toleranz erreicht ist und die Fachkreise Lösungen auch aus dem Jour Fixe erwarten.

TOP 7: Struktur zur Initiierung von Kritikalitätsprüfungen und Abstimmung von möglichen kompensierenden Maßnahmen in Lieferengpasssituationen zu nicht-gelisteten Wirkstoffen

Im Falle von Lieferengpässen zu Wirkstoffen, die nicht Bestandteil der auf der BfArM Internetseite publizierten Listen von versorgungsrelevanten Wirkstoffen etc. sind, aber dennoch relevant für die Versorgung sind (z. B. wg. hoher Marktanteile), wird auf das Erfordernis der frühzeitigen proaktiven Mitteilung der relevanten Informationen hingewiesen. Dabei sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  • Angaben müssen belastbar sein
  • Berichte zum Sachverhalt müssen objektiv sein
  • Es sollte ggf. eine übergreifende Abstimmung zur individuellen Vorgehensweise erfolgen, über die das BfArM ebenfalls Kenntnis erhält
  • Es sollten bereits konstruktive Lösungsvorschläge enthalten sein

Auf Rückfrage des BfArM nennt der Jour Fixe Kreis die Höhe der Marktanteile des betroffenen Arzneimittels als ein potentielles Kriterium, welches im Unternehmen den Ausschlag für eine Meldung geben kann.
Das BfArM betont, dass grundsätzlich zu allen Wirkstoffen Lieferengpässe gemeldet werden können, wenn der Unternehmer es für notwendig erachtet. Die BOB bearbeitet jede Meldung und führt im Bedarfsfall Kritikalitätsbewertungen durch, die in etwaig notwendige weitere Maßnahmen münden.
Aus dem Teilnehmerkreis wird vorgeschlagen, Recherchen zentral durchzuführen und daraus resultierend entsprechende Empfehlungen auszusprechen.
Der Großhandel weist auf unterschiedliche Verordnungspraktika hin. Die umfassende Planung im Austausch mit allen Standorten dient dem Ausgleich des ggf. regional unterschiedlichen Bedarfs und hat die flächendeckende Verfügbarkeit zum Ziel. Weiterhin beugt sie lokalen Ungleichverteilungen vor.

Ein informeller Austausch mit dem BfArM zu potentiellen Lieferengpasssituationen kann jederzeit über die funktionale Email-Adresse lieferengpaesse@bfarm.de erfolgen.

TOP 8: Sachstandsbericht und Diskussion zu Liefer- und ggf. Versorgungsengpässen (BfArM, PEI)
a. Als beendet gemeldete relevante Lieferengpässe

  1. Ethosuximid
  2. Levocarnitin
  3. Megestrolacetat
  4. Melphalan
  5. Metyrapon
  6. Nevirapin
  7. Norepinephrinhydrochlorid
  8. Nortriptylinhydrochlorid
  9. Pivmecillinamhydrochlorid
  10. Scopolamin
  11. Sulproston

b. Vom BfArM als relevant eingestufte aktuelle Liefer- und Versorgungsengpässe zu folgenden Wirkstoffen

  1. Rifampicin-Natrium
    Für die Arzneimittel Eremfat i. v. 300 mg und 600 mg wurde ein Lieferengpass bis Dezember 2019 gemeldet. Es handelt sich um das einzige parenterale Arzneimittel.
    Der Lieferengpass wird daher als versorgungskritisch angesehen, wenn die orale Medikation nicht möglich ist. Grundsätzlich stehen für den Wirkstoff Alternativen zur Verfügung.
  2. Benzylpenicillin-Natrium
    Für das Arzneimittel Penicillin G InfectoPharm 5 Mega wurde der Lieferengpass bis Januar 2020 gemeldet. Als Alternative steht Penicillin G InfectoPharm 10 Mega zur Verfügung; die Fachkreise wurden bereits entsprechend informiert.
  3. Venlafaxin
    Der Wirkstoff ist nicht Bestandteil der Liste versorgungsrelevanter Wirkstoffe. Einige Arzneimittel sind nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Ein Lieferabriss ist nach Kenntnis des BfArM nicht eingetreten. Die Liefersituation soll bis Ende 2019 verbessert sein, wobei eine umfassende Verfügbarkeit für Ende 1. Quartal 2020 prognostiziert wird.
  4. Lamotrigin
    Der Wirkstoff ist nicht Bestandteil der Liste versorgungsrelevanter Wirkstoffe. Einige Arzneimittel sind nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Ein Lieferabriss ist nach Kenntnis des BfArM nicht eingetreten. Die Liefersituation soll bis Ende 2019 verbessert sein, wobei umfassende Verfügbarkeit für Ende 1. Quartal 2020 prognostiziert wird.
  5. Cytarabin
    Seit Ende August 2019 liegen belastbare Informationen zum Lieferabriss von Cytarabin-haltigen Arzneimitteln vor. Nach Abstimmung mit den Landesbehörden wurde im September 2019 die Bekanntmachung nach § 79 Absatz 5 des AMG am 24.09.2019 für Cytarabin-haltige Arzneimittel veröffentlicht (BAnz AT 24.09.2019 B3). Relevante Kontingente von Anbietern ohne nationale Zulassung wurden in der Folge über den Großhandel zur Verfügung gestellt.
  6. Valsartan
    Aktuell liegen dem BfArM Lieferengpassmeldungen zu 86 Arzneimitteln vor. Weiter liegen Informationen vor, dass Valsartan als Monopräparat und in Kombination mit HCT wieder in größerem Umfang in Verkehr gebracht wird.
  7. Propofol
    Eine Marktanalyse hat ergeben, dass aktuell Einschränkungen in der Lieferfähigkeit von einzelnen Packungsgrößen und Stärken vorliegen. Derzeit liegen keine belastbaren Hinweise dafür vor, dass es zu einem Lieferabriss oder zu einem Versorgungsengpass gekommen ist. Das BfArM wird die Situation weiterhin engmaschig verfolgen.
  8. Ranitidin
    Es wurden geringe Mengen von NDMA in Ranitidin-haltigen Arzneimitteln nachgewiesen, woraufhin auf Ersuchen der Europäischen Kommission ein Referral-Verfahren eingeleitet wurde (EMEA/H/A-31/1491). Die Liste der Chargenrückrufe ist auf der Internetseite der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) veröffentlicht. Weitere Informationen sind auch über die BfArM Homepage abrufbar, wie z.B. der Rote-Hand-Brief zu Ranitidin und die aktuellen Empfehlungen der DGHO.

c. Anpassung der Listen der als versorgungsrelevant bzw. mit einem akut erhöhten Versorgungsrisiko eingestuften Wirkstoffe
Folgende Anpassungen wurden vereinbart

  1. Ranitidin
    Es wird die Löschung des Wirkstoffes von der Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe empfohlen.
  2. Blutgerinnungsfaktor VIII und Blutgerinnungsfaktor IX
    Es wird die Löschung aus der Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe empfohlen, da die Arzneimittel nicht für die Gesamtbevölkerung relevant sind, sondern lediglich für Behandlung seltener Leiden.

TOP 9: Verschiedenes

  • Ergänzungen zur Tagesordnung werden im nächsten Jour Fixe thematisiert
  • Analog zur publizierten Empfehlung für den Klinikbereich soll eine Empfehlung für den ambulanten Bereich durch den Jour Fixe erarbeitet werden. Es wird vereinbart, zu diesem Zwecke einen Arbeitskreis zu gründen (ABDA/AMK, Pro Generika, PHAGRO, VFA, BAH, BPI, BfArM, BMG)
  • Das BfArM informiert darüber, dass anlässlich der Übernahme der Ratspräsidentschaft Deutschlands (Juli –Dezember 2020) ein Relaunch der BfArM Webseite erfolgen wird.

TOP 10: Nächster Sitzungstermin

Die nächste Sitzung findet am 27.02.2020 statt.

Gez.
Dr. M. Horn / BfArM / 18.02.2020