BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Protokoll zum 6. Jour Fixe zum Thema "Liefer- und Versorgungsengpässe" am 22.03.2018

Ort Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Kurt-Georg-Kiesinger- Allee 3, 53175 Bonn; 10:30 - 15:00 Uhr

TOP 1: Begrüßung

Als neue Teilnehmende wurden begrüßt:
a) Frau Veronika Lamberti-Wesserling, Vorsitzenden der AG AATB
b) Herr Dr. Thomas Stammschulte, AkdÄ

TOP 2: Die Tagesordnung wurde ohne Ergänzung angenommen

TOP 3: Das Protokoll zur Sitzung vom 30.11.2017 wurde ohne Änderungen angenommen

TOP 4: Bericht von der Sondersitzung am 07.03.2018

Am 07.03.2018 fand gemäß der Vereinbarung aus der 3. Sitzung des Jour Fixe eine Sondersitzung zur Entwicklung von Kriterien zur nachhaltigen Verbesserung der Lieferfähigkeit versorgungsrelevanter Basistherapeutika in Krankenhäusern statt. Die Teilnehmenden hatten im 3. Jour Fixe am 31.03.2017 ihre Bereitschaft erklärt, an der Entwicklung möglicher Kriterien mitzuwirken. Im Rahmen der Diskussion wurden diverse Szenarien, die zu einer Verbesserung der Lieferfähigkeit beitragen könnten, eingehend besprochen. Erörtert wurden die Option der gesonderten Vorratshaltung inklusive Lagerung seitens der Industrie für den Vertragspartner, Nachweise um die Lieferfähigkeit, z.B. von Wirkstoffherstellern plausibel zu belegen sowie die Vereinbarung angemessener Vertragslaufzeiten um die Planungssicherheit zu erhöhen.
Einigkeit herrschte zum einen darüber, dass die Monopolisierung bei der Herstellung von Arzneimittel sehr kritisch gesehen wird und zum anderen, dass gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit (belastbare Daten) Grundvoraussetzungen für die Formulierung einer Leitlinie zur guten Einkaufs- und Vertragspraxis sind.

TOP 5. Sachstand zu den Aktivitäten im BfArM und PEI (BfArM, PEI)

a. BfArM/PEI: Maintenance-Portal: Aktueller Stand der Entwicklung des Lieferengpassportals
Eine erleichterte Einreichung von Lieferengpassmeldungen soll über die Entwicklung des sog.Maintenance-Portal“, ein datenbankgestütztes Lieferengpassportal, erreicht werden. Es ist eine gemeinsame Anwendung des BfArM und PEI. Durch die Anwendung soll vor allem eine einfachere und qualitätsgesicherte Meldung durch die MAH sowie eine einfachere Weiterverarbeitung für das BfArM und PEI erreicht werden. Die Entwicklung wird voraussichtlich bis August 2018 abgeschlossen.

b. BfArM: Kontaktadresse LE – zentrale Funktionsmailbox lieferengpaesse@bfarm.de
Die bisherige Funktionsmailbox clearing-stelle@bfarm.de wurde umbenannt in lieferengpaesse@bfarm.de . Letztere ersetzt auch die bisherige. Die qualitätsgesicherte Weiterleitung eingehender Mails ist für beide Adressen für eine Übergangsfrist gewährleistet.

c. BfArM: Aktueller Stand: Überprüfung und Anpassung bereits gemeldeter Wirkstoffhersteller
Die Liste der AM, die der besonderen behördlichen Überwachung unterliegen, wird hinsichtlich der Überprüfung und Anpassung bereits gemeldeter Wirkstoffhersteller alphabetisch abgearbeitet. Bislang wurden Zulassungsinhaber zu insg. 110 Zulassungen angehört.

d. Sachstand zu den Aktivitäten im PEI:
Das PEI präsentierte die 3. Revision des Feinkonzeptes zur Impfstoff-Lieferengpassmeldung. Die geplanten Änderungen werden den Informationsaustausch mit den Impfstoffherstellern verbessern. Auf diese Weise werden PEI und RKI die Relevanz der Lieferengpässe in Bezug auf die Marktversorgung besser einschätzen können.

TOP 6: Einbindung der Teilnehmenden des Jour Fixe in die Sachverhaltsermittlung (BfArM)

Es wird begrüßt, dass das BfArM die Teilnehmer des JF in konkreten Fällen auch adhoc in die Sachverhaltsermittlung über mögliche Auswirkungen von Lieferengpässen einbezieht. Da in der Regel kurzfristige Rückmeldungen erforderlich sind, können auch Rückmeldungen Einzelner direkt an das BfArM weitergeleitet werden. Es sollen grundsätzlich alle Teilnehmenden des JF eingebunden werden.

TOP 7: Sachstandsbericht und Diskussion zu Liefer- und ggf. Versorgungsengpässen (BfArM, PEI)

a. Als beendet gemeldete relevante Lieferengpässe

  1. Remifentanil (Injektions-/Infusionslösung )
    Der Lieferengpass wurde als beendet gemeldet, bei gleichzeitiger Abmeldung des Inverkehrbringens einiger Produkte. Gemäß Rückmeldung des JF ist im klinischen Alltag gegenwärtig kein Versorgungsengpass zu beobachten. Es ist davon auszugehen, dass der Markt reagiert hat und eine hinreichend verfügbare Menge an Wirkstoff und an Arzneimitteln zur Verfügung steht.
  2. 4-DMAP
    Der Lieferengpass wurde mit Abschluss der Variation zur Änderung des Herstellers als beendet gemeldet.

b. Relevante aktuelle Liefer- und Versorgungsengpässe

  1. Cytarabin / Depocyte
    Lieferengpass gemeldet seit 01/2017 mit prognostiziertem Ende in 12/2018. Alternativpräparate stehen zur Patientenversorgung zur Verfügung. Es liegen gemäß Rückmeldungen des JF keine Meldungen zu Versorgungsengpässen vor.
  2. Pyridostigminbromid
    Lieferengpass gemeldet im 02/2018 mit prognostiziertem Ende in 06/2018. Alternativpräparate stehen zur Patientenversorgung zur Verfügung.
  3. Heparin-Natrium
    Die Versorgung ist mittlerweile aufgrund der Wiederverfügbarkeit einiger Produkte sowie verfügbarer therapeutischer Alternativen wieder gewährleistet.
  4. Raltegravir
    Der Wirkstoff ist als versorgungskritisch eingestuft. Der Grund für den Engpass sind unzureichende Produktionskapazitäten. Alternativen stehen zur Verfügung, wenn auch nur eingeschränkt für Kinder < 11 kg. Körpergewicht. Prognostiziertes Enddatum des Engpasses ist 05/2018.
  5. Paromomycinsulfat
    Der Lieferengpass wurde 01/2018 mit prognostiziertem Ende in 05/2018 gemeldet. Alternativpräparate stehen zur Patientenversorgung zur Verfügung
  6. Amitriptylin (Saroten 2 ml Injektionslösung)
    Der Zulassungsinhaber hat die Einstellung der Produktion angekündigt. Alternativpräparate stehen zur Verfügung.
  7. Piperacillin/Tazobactam
    Lieferengpässe wurden seit 02/2018 teilweise als beendet gemeldet. Es liegen dem JF keine Hinweise vor, dass die Versorgungslage derzeit kritisch ist.
  8. Metildigoxin
    Die Lieferengpasssituation ist der Etablierung eines neuen Wirkstoffherstellers geschuldet. Die eingereichte Variation befindet sich in der Bearbeitung. Es stehen Alternativarzneimittel zur Kompensation zur Verfügung.
  9. Ibuprofen
    Pressemitteilungen wurden zum Anlass genommen, um eine Sachstandsermittlung durchzuführen. Im Ergebnis stehen hinreichend Alternativen zur Verfügung, was vom JF bestätigt wird. Die Engpässe sind ausschließlich auf die erheblich gestiegene Nachfrage im Zusammenhang mit der Grippewelle und der grippalen Infekte zurückzuführen.
  10. Acetylsalicylsäure i. V.
    Die Lieferschwierigkeiten ergeben sich aus Produktionsproblemen. Die aktuelle Versorgungssituation wird vom JF nicht als kritisch eingestuft.

TOP 8: Anpassungsbedarf der publizierten Listen

Im JF wurde bestätigt, dass auf der Lieferengpassliste des BfArM derzeit keine relevanten Lieferengpässe fehlen. Auch wird die Versorgungslage in Krankenhäusern mit Basisantibiotika nach Informationen des JF als stabil angesehen.

TOP 9. Vertriebswege und Kontingentierung (BfArM, BMG)

a. Vertriebswege
Von Seiten des BMG wird zurzeit geprüft, ob exklusive Vertriebswege einen Verstoß gegen die AMG-Vorschriften darstellen. In einem konkreten Fall erfolgt der Vertrieb nach Deutschland exklusiv über einen Vertreiber mit Sitz im EU-Ausland.

b. Kontingentierung
Die Teilnehmenden des Jour Fixe bestätigen, dass zur Sicherstellung der Patientenversorgung bei einem bestehenden Lieferengpass eine kontingentierte Abgabe ein geeignetes Instrument darstellen kann, um die Versorgung von Patientinnen und Patienten sicherzustellen, für die ggf. keine therapeutische Alternative verfügbar ist. Notwendige Kontingentierungen können sich z.B. auf bestimmte Indikationen eines Arzneimittels (z.B. Celestamine) oder auf bestimmte Patientengruppen (z.B. bevorzugte Behandlung von Kindern, s. Etoposid) beziehen, sollen aber ein letztes Mittel der Wahl darstellen. Primäres Ziel muss immer sein, die Arzneimittelversorgung im erforderlichen Umfang gemäß § 52b AMG sicherzustellen. Im Falle einer Kontingentierung ist die frühzeitige Information der gesamten Lieferkette sowie eine Abstimmung mit den Teilnehmenden des JF oder den Fachgesellschaften besonders wichtig.

TOP 10: Mögliche Auswirkungen des Brexit auf die Versorgung mit versorgungsrelevanten Arzneimitteln (Verbände, BOB)

Der Brexit kann grundsätzlich aus vielfältigen Gründen zur Verknappung von einzelnen Arzneimitteln auch in Deutschland führen, wie z.B.:
- Zulassungen mit MAH, endfreigebenden und weiteren Herstellen in UK
- Zulassungen, mit auslaufenden GMP-Zertifikaten, die von der MHRA ausgestellt wurden
- Parallelimporte mit hohem Marktanteil und UK als bevorzugtem Exportland

Generell trägt der MAH die Verantwortung alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit seine Arzneimittel auch nach dem Brexit in Deutschland in den Verkehr gebracht werden dürfen. In Bezug auf die zu ergreifenden Maßnahmen und den Zeitrahmen ist vom Worst-Case-Szenario eines „harten“ Brexit ohne Übergangszeit auszugehen. Es wurde im Jour Fixe die Vereinbarung getroffen, dass in Bezug auf die versorgungsrelevanten Arzneimittel eine systematische Abfrage unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte durchgeführt werden soll, um möglichst frühzeitig mögliche Versorgungsrisiken zu identifizieren und geeignete Maßnahme abstimmen zu können. Das BfArM stellt zu diesem Zweck eine entsprechend strukturierte und standardisierte Grundlage in Form einer Excel-Tabelle zur Verfügung. Die Verbände der pharmazeutischen Industrie werden ihre Mitgliedsfirmen auffordern ihr Portfolio auf versorgungsrelevante und Brexit-gefährdete Zulassungen zu prüfen und die Ergebnisse koordiniert durch die Verbände an das BfArM zu übermitteln.

TOP 11: Mögliche Auswirkungen der Fälschungsschutzrichtlinie auf die Versorgung mit versorgungsrelevanten Arzneimitteln (Verbände, BOB)

Den Teilnehmenden des JF sind bislang keine versorgungsrelevanten Arzneimittel bekannt, die aufgrund der Umsetzung von Anforderungen der Fälschungsschutzrichtlinie vom Markt genommen werden könnten. Die unter TOP 10 beschriebene Abfrage soll dennoch auch mögliche Auswirkungen der Fälschungsschutzrichtlinie mit erfassen.

TOP 12: Verschiedenes:

Es besteht die Notwendigkeit der verlässlichen Meldung von Lieferengpässen, die der freiwilligen Selbstverpflichtung der pharmazeutischen Unternehmer unterliegen.
Der JF diskutierte aus aktuellem Anlass erneut die Bedeutung der entsprechenden Information über drohende und eingetretene Lieferengpässe, insbesondere bei als versorgungskritisch eingestuften Arzneimitteln. Gerade in diesen Fällen ist eine frühzeitige, transparente und umfassende Information unerlässlich, um rechtzeitig notwendige Maßnahmen initiieren zu können.

TOP 13: Nächster Sitzungstermin

Die nächste Sitzung ist für den 04.Juli 2018 geplant.

Gez.

Dr. M. Horn/BfArM/26.04.2018