BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Protokoll zum 8. Jour Fixe zum Thema „Liefer- und Versorgungsengpässe“ am 07.11.2018

Ort Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Kurt-Georg-Kiesinger- Allee 3, 53175 Bonn; 10:30 - 15:00 Uhr

TOP 1: Begrüßung

Als neue Teilnehmende wurden begrüßt:

  1. Herr Dr. Binger, für Vorsitzende der AG AATB
  2. Herr Dr. Keller, BMG

TOP 2: Die Tagesordnung wurde mit Ergänzungen (s. unter Verschiedenes) angenommen

TOP 3: Das Protokoll zur Sitzung vom 04.07.2018 wurde ohne Änderungen angenommen

TOP 4: Sachstand zu den Aktivitäten im BfArM und PEI

BfArM

  1. Die Überführung des gegenwärtigen PDF-Meldeverfahrens für Lieferengpässe in ein gemeinsames Maintenance-Portal ist in der Entwicklung deutlich vorangeschritten. Es ist für Ende 1. bis 2. Quartal 2019 eine Pilotphase mit Industrievertretenden geplant, für die ein Nutzerkreis benannt werden soll.
  2. Die Ergebnisse der Sondersitzung des JF zu Basistherapeutika in Krankenhäusern vom 07.03.2018 wurden in ein „Gemeinsames Positionspapier zur Gestaltung einer nachhaltigen Verbesserung der Lieferfähigkeit versorgungsrelevanter Basistherapeutika in Kliniken im Rahmen der Vertragsgestaltung mit dem pharmazeutischen Unternehmer“ überführt, das sich gegenwärtig in der finalen Abstimmung befindet.
  3. Die BfArM Internetseite zu Liefer- und Versorgungsengpässen wurde neu strukturiert. Hinweise und Kommentare aus dem Anwenderkreis zur Verbesserung und weiteren Optimierung sind willkommen.

TOP 5: Bericht des PEI zur Versorgungssituation mit Influenzaimpfstoffen

Beim PEI gibt es seit Oktober 2018 die Möglichkeit, Verknappungen von Impfstoffen zu melden, die nicht als Lieferengpass auf der PEI Webseite gelistet sind. Es melden Ärzte, Apotheker und Privatpersonen. Dieses Verfahren wurde zur besseren Einschätzung der Versorgungslage mit Influenzaimpfstoffen aktiv beworben. Die zahlreichen Meldungen zeigen, dass es in ganz Deutschland zu regionalen Verknappungen mit Influenzaimpfstoffen gekommen ist. Dieses war auf der Basis der freigebenen Chargen und Dosenzahlen (> 15 Millionen) nicht zu erwarten. Im Moment ist unklar, wieso es zu der Verknappung gekommen ist und wie gravierend eine Minderversorgung ist, zumal noch Restbestände vorhanden sind und die ausgelieferten Impfstoffdosen noch nicht verimpft sind. Nach der Saison wird man rückwirkend aufarbeiten müssen, warum es zu den Verknappungen gekommen ist. Neben einer erhöhten Nachfrage wegen einer hohen Zahl an Influenzaerkrankungen in der letzten Saison spielen späte Bestellungen bei den Zulassungsinhabern, Unsicherheiten in Bezug auf Erstattungsfragen und die späte STIKO und G-BA Entscheidung für den tetravalenten Impfstoff eine Rolle. Grundsätzlich wäre eine höhere Reserve an Impfstoff in der Saison wünschenswert. In der nächsten Saison soll mit dem Ziel einer ausgeglichenen regionalen Versorgung die Kommunikation zwischen Zulassungsinhabern, PEI, Apothekern, Ärzten und Großhändlern verbessert werden. Der nächste Jour Fixe für Impfstofflieferengpässe wird am 17.1.2019 am PEI stattfinden.

TOP 6: Versorgungssituation mit Sartanen und anderen Antihypertonika aufgrund zurückgerufener Arzneimittel

Update zu den Rückrufen verunreinigter sartanhaltiger Arzneimittel. Update zum Stand der Untersuchungen von Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln auf Verunreinigungen mit Nitrosaminen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich dem von den USA verhängten vollumfänglichen Importstopp von allen Wirkstoffen des Herstellers Zhejiang Huahai Pharmaceutical Co. aus der Betriebsstätte „Chuannan“ nicht angeschlossen. Hierbei wurde auch die Kritikalität des Wirkstoffherstellers berücksichtigt. Die Betriebsstätte wird unter verstärkte Aufsicht der europäischen Behörden gestellt, um die Umsetzung korrigierender Maßnahmen engmaschig zu begleiten und zu kontrollieren. Für Anfang 2019 ist eine sog. Full Inspection der gesamten Herstellungsstätte vorgesehen.

TOP 7: Mögliche Auswirkungen des Brexit auf die Versorgung mit versorgungsrelevanten Arzneimitteln

Wie im 6. Jour Fixe vereinbart wurde in Bezug auf die versorgungsrelevanten Arzneimittel eine systematische Abfrage unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte seitens des BfArM durchgeführt, um möglichst frühzeitig mögliche Versorgungsrisiken zu identifizieren und geeignete Maßnahme abstimmen zu können. Die Auswertung ergab für das BfArM, dass mit keinem Versorgungsengpass bei den als versorgungsrelevant eingestuften Arzneimitteln aufgrund des Brexit zu rechnen ist. Auch dem Jour Fixe Kreis sind keine gegenteiligen Indizien bekannt.

TOP 8: Mögliche Auswirkungen der Fälschungsschutzrichtlinie auf die Versorgung mit versorgungsrelevanten Arzneimitteln – Vorstellung der Auswertung der übermittelten Daten

Die Auswertung der Rückmeldungen aus der systematischen Abfrage ergab auch in dieser Hinsicht keine Hinweise auf eine kritische Versorgungslage. Auch dem Jour Fixe Kreis sind keine gegenteiligen Indizien bekannt.

TOP 9: EU- und globale Aktivitäten in Bezug auf Shortages – Bericht zum Stand der Aktivitäten

Die Aktivitäten umfassen Abfragen, Recherchen, Analysen bestehender nationaler Meldesysteme wie Interviews mit Interessengruppen, Diskussion sowie Abstimmungsgespräche mit dem Ziel eines kontinuierlichen klar strukturierten Austauschs zu Lieferengpasssituationen in Europa. Eingebunden in diesen Prozess sind über die HMA/EMA Task Force on Availability of Authorised Medicines for Human and Veterinary Use alle europäischen Mitgliedsstaaten. Die Task Force (TF) besteht aus EMA-, HMA-, EC-Vertretenden wie den Vorsitzenden von CMDh und CMDv, wobei die Themenbereiche in drei Arbeitsgruppen unterteilt wurden (Marketing Authorisation, Supply Disruption, Communication). Die TF ist auch dafür verantwortlich sicherzustellen, dass bei thematischen Arbeitsgruppen spezifische Ziele festgelegt und Fortschritte gemessen werden, während gleichzeitig sichergestellt wird, dass Ressourcen zur Unterstützung bereitgestellt werden. Darüber hinaus ist sie verantwortlich für die strategische Lenkung des Gesamtprojektes und die Kontrolle des Managements, um sicherzustellen, dass die thematischen Arbeitspläne mit dem Arbeitsplan der Task Force und den strategischen Zielen übereinstimmen.
Aktivitäten im Rahmen von EU-Ratspräsidentschaftstreffen und auf WHO-Ebene verdeutlichen, dass der Komplexität entsprechend ein vielschichtiger Austausch stattfindet.

TOP 10: Sachstandsbericht und Diskussion zu Liefer- und Versorgungsengpässen
a. Als beendet gemeldete Lieferengpässe einzelner Arzneimittel zu folgenden Wirkstoffen:

  1. Cytarabin
  2. Ibuprofen
  3. Methyldopa
  4. Paromomycinsulfat (1:x)
  5. Pyridostigminbromid
  6. Sulbactam-Natrium, Ampicillin-Natrium

b. Vom BfArM als relevant eingestufte aktuelle Liefer- und Versorgungsengpässe zu folgenden Wirkstoffen:

  1. Betamethason
    Lieferengpass gemeldet seit 01/2018 mit prognostiziertem Ende in 01/2019. Alternativpräparate stehen zur Patientenversorgung zur Verfügung
  2. Urokinase
    Import nach § 73(3) AMG wird als angemessene Maßnahme eingeschätzt, um Patientenversorgung zu gewährleisten (s. auch JF zu Liefer- und Versorgungsengpässe vom 04.07.2018)
  3. Fludarabin
    Anbieter mit hohem Marktanteil wieder lieferfähig; dennoch Lieferengpässe in Deutschland und im Ausland zu verzeichnen
  4. Epinephrin
    Lieferengpass ist seit Ende Oktober (Fastjekt) bzw. Mitte November (Fastjekt Junior) beendet; Maßnahmen zur Kompensation wurden ergriffen (s. Informationsbrief zu Fastjekt und Jext 150 Mikrogramm)
  5. Indinavir
    Lieferengpass seit August 2018 beendet; therapeutische Alternativen vorhanden, Bedeutung des Wirkstoffes für die Therapie von HIV-Infektionen nachrangig
  6. Megestrolacetat
    Das einzige Arzneimittel mit diesem Wirkstoff auf dem deutschen Markt befindet sich im Lieferengpass; therapeutische Alternative vorhanden (Medroxyprogesteron)
  7. Procarbazin
    Lieferengpass seit Oktober 2018 beendet; gemäß BfArM-Einschätzung gibt es für bestimmte Kombinationsindikationen keine therapeutische Alternativen; Maßnahmen wurden getroffen, um Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten
  8. Paromomycinsulfat
    Seit Ende November wieder verfügbar; verschiedene therapeutische Alternativen standen zur Verfügung
  9. Bedaquilin
    Bestandteil der Liste der versorgungskritischen Wirkstoffe; Lieferengpass seit Ende Oktober beendet; Lieferengpass konnte durch Import nach AMG § 73 (3) von Ware aus Südafrika kompensiert werden
  10. Linezolid
    Lieferengpass zur Darreichungsform „Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen“ seit Anfang Dezember beendet; Filmtabletten konnten alternativ eingesetzt werden
  11. Thiopental
    Landesbehörden entscheiden sich in Abstimmung mit dem BfArM gegen Rückruf von den durch den GMP-Mangel von LAMPUGNANI FARMACEUTICI SpA betroffenen Chargen; Freigabe jedoch nur für Krankenhäuser und Kliniken und für bestimmte Indikationen
  12. Valproinsäure
    Im Juli 2018 schloss die französische Behörde vorübergehend die Herstellungsstätte Sanofi Mourenx; sie ist die weltweit führende Site für Valproinsäure; eine Anhörung der Marktführer zeigte, dass mit keinem Lieferengpass zu rechnen ist (ausreichende Bestände und Alternativ-Hersteller); dies hat sich bestätigt; die Produktion wurde im September wiederaufgenommen.

c. Potentielle Liefer- und Versorgungsengpässe
Piperacillin/Tazobactam
Es wurde die Bedeutung und Relevanz der Arzneimittel mit der Wirkstoffkombination Piperacillin/Tazobactam thematisiert, insbesondere jene in der klinischen Anwendung. Der Jour Fixe bestätigte mit Nachdruck die Notwendigkeit der Verfügbarkeit und schätzt bereits eine Minderversorgung von 15% als versorgungskritisch ein.

d. Anpassung der Listen der als versorgungsrelevant bzw. mit einem akut erhöhten Versorgungsrisiko eingestuften Wirkstoffe
Ein Anpassungsbedarf der Listen der als versorgungsrelevant bzw. mit einem akut erhöhten Versorgungsrisiko eingestuften Wirkstoffe wurde gegenwärtig nicht gesehen.

TOP 11: Diskussion zur rechtzeitigen Meldung von Lieferengpässen am Beispiel von

  1. Aspirin i.v. (bereits im 6. JF angesprochen)
  2. Methotrexat
  3. Chinidin/Verapamil
  4. Propofol
  5. Alpha-Methyldopa

Grundsätzlich wird eine frühestmögliche Mitteilung als hilfreich angesehen, auch wenn eine konkrete Bestätigung nicht vorliegt, um bereits im Vorfeld zu eventuellen Verknappungssituationen Maßnahmen planen und ggf. abstimmen zu können. Im Falle von prognostizierten Meldungen, deren Bestätigung noch aussteht, kann ein vertraulicher Austausch über die Mailbox erfolgen. Alle erforderlichen Analysen, Einschätzungen und Recherchen erfolgen bereits in dieser Phase, auch wenn sich die Prognose nicht bestätigen sollte. Sobald eine konkrete Lieferengpasssituation vorliegt, ist die erforderliche Meldung per Formular vorzunehmen, um die Information öffentlich verfügbar in der Lieferengpass-Datenbank des BfArM abzubilden.

TOP 12: Verschiedenes

MRA - § 72a AMG
In Hinblick auf das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten über die gegenseitige Anerkennung der Guten Herstellungspraxis von Arzneimitteln, berichtet das BMG über von den Ländern herangetragene Probleme bei der Einfuhr von Arzneimitteln aus den USA, die unter Umständen Auswirkungen auf die Versorgung mit Arzneimitteln haben könnten. Im Detail gehe es um Zertifikate von pharmazeutischen Produkten (CPP, certificate of a pharmaceutical product) und deren Verwendung für die Einfuhr nach § 72a des Arzneimittelgesetzes.

TOP 13: Nächster Sitzungstermin

Die nächste Sitzung findet am 26.03.2019 statt.

Gez.

Dr. M. Horn / BfArM / 11.03.2019