BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Protokoll zum 9. Jour Fixe zum Thema „Liefer- und Versorgungsengpässe“ am 26.03.2019

Ort Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Kurt-Georg-Kiesinger- Allee 3, 53175 Bonn; 10:30 - 15:00 Uhr

TOP 1: Begrüßung

Als zusätzliche Teilnehmende der Sitzung wurden begrüßt:

  1. Herr Albers (PHAGRO)
  2. Frau Bennack (ADKA)
  3. Frau Elvira Gügel (BMG)
  4. Herr Kasper (MAGS, NRW)
  5. Herr Link (DPhG)
  6. Frau Hildegard Pfeifer (BMG)
  7. Herr Spreitzer (PEI)

TOP 2: Die Tagesordnung wurde ohne Ergänzungen angenommen

TOP 3: Das Protokoll zur Sitzung vom 07.11.2018 wurde angenommen

TOP 4: Sachstand zu den Aktivitäten im BfArM und PEI

BfArM

  1. Maintenance-Anwendungen
    Die Weiterentwicklung der Maintenance-Anwendungen zur Meldung von Lieferengpässen ist zeitlich abhängig von der Weiterentwicklung des Gesamtprojektes zur AMIS-Ablösung. Die Aufnahme des Wirkbetriebes ist daher nicht vor 01/2020 realisierbar. Im 2. und 3. Quartal 2019 ist ein User-Acceptance-Test mit der pharmazeutischen Industrie geplant. Ziel der Weiterentwicklung ist es, zu schnelleren Ergebnissen zu gelangen.
  2. Zusammenarbeit von Bund und Ländern
    Am 08.01.2019 wurde im Rahmen einer Sitzung von Bund und Ländern ein Verfahrensablauf, zur Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in besonderen Krisensituationen festgelegt. Auslöser waren die Geschehnisse im Zusammenhang mit verunreinigten Valsartan-haltigen Arzneimitteln. Folgende Kriterien sind zur Feststellung der Notwendigkeit einer zentralen Koordinierung durch die Bundesoberbehörden zu berücksichtigen:
    • Anzahl der direkt betroffenen Bundesländer
    • Ausmaß des Arzneimittelrisikos
    • Anzahl der betroffenen Patientinnen und Patienten
    • Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung
    • Therapeutische Bedeutung der betroffenen Arzneimittel
    • Notwendigkeit eines einheitlichen Vorgehens bzw. die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen (länderübergreifenden) Koordinierung
    Der Verfahrensablauf sieht vor, dass nur Fälle betrachtet werden, die sich zur Krise entwickeln können oder bereits als kritisch eingestuft werden. Um zu einem entsprechenden Ergebnis bzgl. der Notwendigkeit der zentralen Koordination zu gelangen, ist eine kurzfristige Abstimmung zwischen den Behörden zur Erörterung der Situation erforderlich. Sind mehr als zwei Bundesländer betroffen findet eine ad hoc Absprache mit den Beteiligten statt. Wird die Notwendigkeit einer Koordinierung durch die Bundesoberbehörde (BOB) festgestellt, übernimmt die BOB unmittelbar die Koordinierung mit den zuständigen Behörden.
    Die Übernahme der Koordinierung durch den Bund kann bei Bedarf auch jederzeit im Verfahren erfolgen.
    Der Jour Fixe (JF) Kreis kann erforderlichenfalls in die Kritikalitätsprüfung des BfArM einbezogen werden.
    Teilnehmer des JF geben zu bedenken, dass Lieferengpässe in der Praxis viel häufiger auftreten ohne dass daraus Krisensituationen abzuleiten sind. Es ist zu prüfen, wie in solchen Fällen ohne zentrale Koordinierung eine einheitliche Vorgehensweise und Kommunikation erreicht werden kann. Um die Problematik besser einschätzen zu können, werden die Teilnehmenden gebeten zum nächsten Jour Fixe entsprechende Praxisbeispiele vorzulegen.
  3. EU Aktivitäten zum Thema Lieferengpässe
    Die Diskussion zu Shortages wird zurzeit durch die HMA/EMA-Task Force (TF) vorangebracht. Im Rahmen eines EMA Meetings wurde das Dokument „Guidance on detection and notification of shortages of medicinal products for Marketing Authorization (MAHs) Holders in the Union (EEA)“ vorgestellt. Die Herausforderung beim Erstellen des Papiers bestand darin die unterschiedlichen nationalen Meldestrukturen und Regularien der Mitgliedstaaten zusammenzuführen. In einem zweiten parallel verlaufenden Schritt wurde von der TF und der Co-ordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedure (CMDh) eine harmonisierte Kommunikationsstruktur vereinbart. Im Rahmen derer wurde ein sogenannter „Single Point of Contact“ (SPOC) für jedes Land benannt, um eine transparente und zentrale Kommunikation unter Einbeziehung aller Mitgliedsländer zu gewährleisten. Das Konzept umfasst sowohl dezentrale als auch zentrale Zulassungen und befindet sich gegenwärtig in der Pilotphase. Die Pilotphase dauert nach aktueller Planung bis Ende Juni 2019 an. Neben dem BfArM beteiligt sich das PEI ebenfalls mit einem SPOC an diesem Modell und nutzt die Erkenntnisse, um sein Konzept zur Meldung kritischer Engpässe anzupassen. Das BfArM betont, dass im Haus die technische Möglichkeit besteht alle Lieferengpassmeldungen zu verarbeiten. Das BMG weist darauf hin, dass die Priorität in DE auf der Bearbeitung von versorgungskritischen Lieferengpässen liegt.
    Aus dem Kreis der Teilnehmenden des JF wird die Frage gestellt, ob die bestehende Definition des Begriffs „Lieferengpass“ beibehalten werden kann. Dies wird seitens des BfArM bestätigt.

TOP 5: Präsentation des Positionspapiers des Jour Fixe zu Liefer- und Versorgungsengpässen zur Vertragsgestaltung zwischen Kliniken und pharmazeutischen Unternehmen mit dem Ziel einer Verbesserung der Lieferfähigkeit versorgungsrelevanter Basistherapeutika in Kliniken

Der aktuelle Entwurf des Papiers wird unter den Teilnehmenden intensiv diskutiert. Die grundsätzlichen Eckpunkte und Inhalte des Dokuments werden vom Jour Fixe Kreis befürwortet.
Die vorliegende Version des Positionspapiers wird unter Berücksichtigung der Diskussionsergebnisse aktualisiert und im Anschluss zur Annahme übersendet.

Die Berücksichtigung der Empfehlung soll zu einer Verbesserung der Liefersituation und einer robusteren Bereitstellungsystematik für die gesamte Produktions- und Lieferkette beitragen.

TOP 6: Aktueller Stand zum Brexit: Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Versorgung mit versorgungsrelevanten Arzneimitteln

Es wurden mögliche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Versorgung mit versorgungsrelevanten Arzneimitteln im Falle eines harten Brexit thematisiert. Das Feedback durch die pharmazeutischen Unternehmer zeigt, dass bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen wurden und die Entwicklung kontinuierlich weiterverfolgt wird, um auch noch kurzfristig reagieren zu können. Eine Anhörung der pharmazeutischen Unternehmen durch das BfArM im Februar ergab ebenfalls, dass bereits Maßnahmen zur Vermeidung von Lieferengpässen ergriffen wurden oder in Vorbereitung sind.

Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand des BfArM und gemäß der Bestätigung durch die Verbände ist keine eingeschränkte Verfügbarkeit von versorgungsrelevanten Arzneimitteln durch den Brexit zu erwarten. Die sowohl auf nationaler wie europäischer Ebene vereinbarten Vorbereitungsmaßnahmen sind seitens der Unternehmern hinreichend umgesetzt worden, um von einer kontinuierlichen Verfügbarkeit der in Rede stehenden Arzneimittel ausgehen zu können.

TOP 7: Aktueller Stand zu möglichen Auswirkungen der Fälschungsschutzrichtlinie auf die Versorgung mit versorgungsrelevanten Arzneimitteln (Verbände, BOB) - Lieferengpasssituationen durch fehlende Serialisierung

Seit dem 9. Februar 2019 gilt die Delegierte Verordnung über Sicherheitsmerkmale (EU) 2016/161. Seit diesem Stichtag ist der überwiegende Teil verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit sogenannten Sicherheitsmerkmalen zu kennzeichnen. Vor diesem Datum in Verkehr gebrachte Arzneimittel dürfen als Bestandsware bis zu ihrem Verfalldatum in den Verkehr gebracht, vertrieben und an die Öffentlichkeit abgegeben werden. Nicht serialisierte Ware kann nach dem 9. Februar 2019 nur unter Beachtung strenger Kriterien im begründeten Einzelfall in den Verkehr gebracht werden, erforderlich ist hierfür die Genehmigung der zuständigen Behörde. Bislang sind nach Kenntnis des BfArM den zuständigen Behörden nur sehr wenige Anträge übermittelt worden. Im Falle des Bekanntwerdens von Lieferengpässen aufgrund von fehlender Serialisierung nimmt das BfArM eine Kritikalitätsprüfung vor.

TOP 8: Ersatz des Kaninchen-Pyrogentests durch ein anderes Prüfverfahren – Variation Verfahren der betroffenen pharmazeutischen Unternehmer - Sachstand in BfArM & PEI

Gemäß einer Entscheidung auf Landesbehördenebene ist mit Bezug auf die Richtlinie 2010/63/EU der Kaninchen-Pyrogentest nur noch in Ausnahmefällen zu akzeptieren. Mit Blick auf die Arzneimittelversorgung besteht die Notwendigkeit einer zeitnahen Testumstellung. Derzeit liegen BfArM und PEI keine Hinweise auf eine eventuelle Beeinträchtigung der Arzneimittelversorgung vor.

TOP 9: Hinweis zur Einfuhr von Arzneimitteln aus dem Ausland nach § 73 (3) AMG

Es obliegt jedem Mitgliedstaat zu entscheiden ob Arzneimittel mit bestehenden GMP-Mängeln im begründeten Einzelfall zur Sicherstellung der Versorgung in den Verkehr gebracht werden dürfen. Fehlende therapeutische Alternativen können ggf. nach strenger Einzelfallprüfung und unter Abwägung der Risiken zu entsprechenden Ausnahmegenehmigungen in einzelnen Mitgliedsstaaten führen. Damit können nicht GMP-konforme Arzneimittel in diesen Staaten als „rechtmäßig in Verkehr gebracht“ betrachtet werden. Sofern in DE das Inverkehrbringen dieser Arzneimittel untersagt wurde, weil keine versorgungskritische Situation vorliegt, sollen alle Beteiligten darauf hinwirken, dass die verfügbaren therapeutischen Alternativen zum Einsatz kommen anstatt nach § 73 (3) AMG Arzneimittel aus anderen Staaten zu beziehen, die ggf. nicht GMP-konform sind.

TOP 10: Sachstandsbericht und Diskussion zu Liefer- und ggf. Versorgungsengpässen (BfArM, PEI)
a. Als beendet gemeldete Lieferengpässe einzelner Arzneimittel zu folgenden Wirkstoffen:

  1. Ampicillin-Natrium
  2. Betamethason
  3. Epinephrin
  4. Erythromycin
  5. Levothyroxin-Natrium x H<2>O
  6. Linezolid
  7. Paromomycinsulfat (1:x)
  8. Piperacillin-Natrium, Tazobactam-Natrium

b. Vom BfArM als relevant eingestufte aktuelle Liefer- und Versorgungsengpässe zu folgenden Wirkstoffen:

  1. Belatacept
    Der Herstellungsprozess hat sich verbessert, so dass zukünftig auch neue Patienten auf Nulojix (Belatacept) eingestellt werden können. Eine Einschränkung der Anwendung von Nulojix bleibt aber bis zum 3. Quartal 2020 erforderlich.
  2. Piperacillin/Tazobactam
    Für den Wirkstoffhersteller Quilu Tiahne Pharmceutical Co LTD. wurde im Nov. 2018 GMP Non-Compliance erklärt. Es liegen aber keine Anzeichen für eine versorgungskritische Situation vor.
  3. Oxytocin
    In den letzten Wochen befanden sich alle auf dem Markt befindlichen Oxytocin-haltigen Arzneimittel im Lieferengpass. Am 25.03.2019 wurde die Bekanntmachung des Versorgungsmangels auf Grund des § 79 Absatz 5 AMG veröffentlicht. Inzwischen entspannt sich die Situation, weil spürbare Mengen wieder lieferbar sind.
  4. Erythromycin
    Im November 2018 wurde das GMP Zertifikat des Wirkstoffherstellers LAMPUGNANI FARMACEUTICI SpA nach viermonatiger GMP Non-Compliance wieder ausgestellt. Es gibt weiterhin Lieferengpässe, da Lampugnani nicht ausreichend liefern kann. Hinweise auf eine versorgungskritische Situation liegen nicht vor.
  5. Ampicillin
    Es bestehen bis voraussichtlich Juni 2019 Lieferengpässe zu Ampicillin-haltigen Monopräparaten. Anzeichen für eine versorgungskritische Situation liegen nicht vor.
  6. Levothyroxin i.v.
    Der Lieferengpass zu L-Thyroxin Henning inject kann für die Indikation Myxödem nicht ausreichend durch die therapeutische Alternative Thyrotardin-inject (T3) kompensiert werden. Eine Vermarktung mit reduziertem Haltbarkeitsdatum produzierter Batches wird trotz Out of Specification-Ergebnissen diskutiert. Die Out of Specification-Ergebnisse haben nach Angabe des pharmazeutischen Unternehmers keinen Einfluss auf den Wirkstoff.
  7. Eptifibatid
    Bis voraussichtlich September 2019 befindet sich Integrilin 0,75 mg/ml, bzw. 2 mg/ml Infusionslösung im Lieferengpass. Eine Freigabe nicht serialisierter Chargen wird von der zuständigen Landesbehörde als nicht notwendig erachtet, da therapeutische Alternativen zu Eptifibatid verfügbar sind.
  8. Daunorubicin
    Das zurzeit in Deutschland einzige Arzneimittel mit dem Wirkstoff Daunorubicin befindet sich bis voraussichtlich August 2019 im Lieferengpass. In Europa stehen wirkstoffgleiche Alternativen zur Verfügung. Ein Informationsbrief mit Hinweis auf Importmöglichkeit nach § 73 (3) AMG wurde veröffentlicht.
  9. Methotrexat
    Der Lieferengpass zu MTX 10 HEXAL Injekt Injektionslösung lässt sich voraussichtlich durch höher konzentrierte MTX-Injektionslösungen oder Import nach § 73 (3) AMG kompensieren.
  10. Indapamid
    Grund für den gemeldeten Lieferengpass ist eine erhebliche Steigerung der Nachfrage, die evtl. aus der Bekanntgabe eines erhöhten Hautkrebsrisikos bei Verwendung von Hydrochlorothiazid (HCT, s. Rote-Hand-Brief von Oktober 2018) resultiert. Das Verordnungsverhalten der Ärzte wird in Hinblick auf mögliche Lieferengpässe der Alternativen zu HCT weiter beobachtet.

c. Anpassung der Listen der als versorgungsrelevant bzw. mit einem akut erhöhten Ver-sorgungsrisiko eingestuften Wirkstoffe

Der Wirkstoff Albiglutid ist von der Liste der Selbstverpflichtung zu streichen, da keine verkehrsfähigen Zulassungen mehr zur Verfügung stehen.

Der Stoff Boceprevir wird aus der Auflistung der Selbstverpflichtungsliste genommen, da bereits als gelöscht klassifiziert.

TOP 11: Verschiedenes

./.

TOP 12: Nächster Sitzungstermin

Die nächste Sitzung findet am 11.07.2019 statt.

Gez.

Dr. M. Horn / BfArM / 03.06.2019