BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Navigation und Service

Ergebnisprotokoll der 82. Routinesitzung nach § 63 AMG am 19. April 2018

TOP 1 Genehmigung der Tagesordnung für die 82. Routinesitzung

Die Teilnehmenden stimmen der Tagesordnung, die ihnen in der Form vorliegt, wie sie vor der Sitzung als aktualisierte Fassung versandt wurde, ohne Änderungswünsche zu.

TOP 2 Diskussion zu den Sachstandsberichten über eingegangene Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) und zu Medikationsfehlern

Die Sachstandsberichte über eingegangene Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) und zu Medikationsfehlern wurden den Stufenplanbeteiligten einige Tage vor der Sitzung auf elektronischem Wege zur Verfügung gestellt. Dies sind: die Berichte des BfArM zu UAW und zu Medikationsfehlern, die Berichte des PEI zu Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln sowie Berichte des PEI zu immunologischen Tierarzneimitteln und schließlich der Bericht des BVL. Auf der Sitzung wird eine kurze Erläuterung zur Präsentation, die über Medikationsfehler berichtet, gegeben und von den Sitzungsteilnehmern gibt es eine allgemeine Frage zu Nebenwirkungsmeldungen durch Patienten.


TOP 3 Information zu Risikobewertungen

  1. Europäische Risikobewertungsverfahren

    1. Esmya® (Ulipristalacetat) zur Behandlung von Uterusmyomen, Vorläufige Maßnahmen im Verfahren nach Art. 20 der VO (EG) 726/2004

      Das BfArM stellt das Verfahren nach Artikel 20 der Verordnung (EG) 726/2004 zu Esmya® mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat zur Behandlung von Uterusmyomen bei Frauen im gebärfähigen Alter vor. Das Risikobewertungsverfahren war im November 2017 von der EU-Kommission aufgrund von Fallmeldungen über schwere Leberschädigungen, die zum Teil eine Lebertransplantation erforderten, eingeleitet worden. Ulipristalacetat ist auch der Wirkstoff von ellaOne®, einem zugelassenen Notfallkontrazeptivum zur Einmalgabe; hierzu sind bislang keine schwerwiegenden Fälle von Leberschäden berichtet worden und es gibt derzeit keine diesbezüglichen Bedenken zu diesem Arzneimittel.

      Im Februar 2018 hat der PRAC aufgrund einer weiteren Fallmeldung zu Esmya® sowie im Zuge der Beurteilung des Gesamtkontextes vorläufige Maßnahmen beschlossen: Es sollen keine neuen Patientinnen mehr auf Esmya® eingestellt werden und nach einem abgeschlossenen Behandlungszyklus soll kein neuer mehr begonnen werden. Die Produktinformationen wurden hinsichtlich des hepatotoxischen Risikos aktualisiert und die behandelnden Ärzte sind aufgefordert, Leberfunktionstests während der Behandlung mindestens alle vier Wochen sowie zwei bis vier Wochen nach Therapieende durchzuführen, die Behandlung bei Anzeichen von Leberschäden (z.B. abnorme Leberwerte mit Überschreitung der „normalen“ Obergrenze um mehr als das Zweifache) zu beenden und die Leberwerte dann engmaschig zu kontrollieren. Sie wurden über einen Rote-Hand-Brief informiert.

      Der pharmazeutische Unternehmer ist aufgefordert, weitere Daten auszuwerten und Vorschläge für ergänzende Risikominimierungsmaßnahmen einzubringen. Der PRAC wird sich im Mai 2018 erneut mit dem Verfahren befassen.


    2. Xofigo® (Radium 223-dichlorid) zur Behandlung von Prostatakrebs, vorläufige Maßnahmen im Verfahren nach Art. 20 der VO (EG) 726/2004

      Das BfArM berichtet über das Verfahren nach Artikel 20 der Verordnung (EG) 726/2004 zu Xofigo® (mit der aktiven Substanz Radium-223-dichlorid), das zur Behandlung von Erwachsenen mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom und symptomatischen Knochenmetastasen ohne bekannte viszerale Metastasen zugelassen ist. Eine klinische Studie hat ein erhöhtes Risiko von Todesfällen und Frakturen bei Patienten gezeigt, die Radium-223-dichlorid (Xofigo®) in Kombination mit Abirateron (Zytiga®) und Prednison/Prednisolon erhalten hatten. Eingeschlossen waren Patienten mit chemotherapienaiven asymptomatischen/leicht symptomatischen metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom (15396/ERA-223 Studie).

      Nach Überprüfung der vorläufigen Studiendaten im November leitete der PRAC auf seiner Dezembersitzung 2017 auf Antrag der Europäischen Kommission ein Risikobewertungsverfahren ein, in dem das BfArM als Co-Rapporteur benannt wurde. Die behandelnden Ärzte wurden mittels eines Rote-Hand-Briefs aufgefordert, Patienten nicht mit Radium-223-dichlorid in Kombination mit Abirateron und Prednison/Prednisolon zu behandeln. Während die eingehende Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Xofigo® weiterhin fortgeführt wird, beschloss der PRAC auf seiner Märzsitzung 2018 vorläufige Maßnahmen. Als Teil dieser Maßnahmen wurde eingeführt, dass Xofigo® nun in der Kombination mit Abirateron und Prednison/Prednisolon kontraindiziert ist. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die Sicherheit und Wirksamkeit von Xofigo® in Kombination mit Androgenrezeptor-Antagonisten der zweiten Generation, wie z.B. Enzalutamid (Xtandi®), nicht nachgewiesen ist.


      Die behandelnden Ärzte wurden mittels eines zweiten Rote-Hand-Briefs darüber informiert und darauf aufmerksam gemacht, dass die Kontraindikation gilt, solange die Bewertung durch die EU-Gremien noch nicht abgeschlossen ist. Angehörige der Gesundheitsberufe sollten die Kombination von Xofigo® mit Abirateron und Prednison/Prednisolon bei Männern, die derzeit damit behandelt werden, abbrechen und die Behandlung dieser Patienten überprüfen.

      Der Zeitplan sieht vor, das Verfahren nach der Auswertung weiterer Daten im Juni und Juli 2018 im PRAC abschließend zu behandeln. Die Empfehlungen des PRAC werden an den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) weitergeleitet, der eine abschließende Stellungnahme abgeben wird.

    3. Flupirtin zur Schmerzbehandlung, Empfehlung des PRAC zum Widerruf der Zulassungen und Standpunkt der CMDh im Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG

      Das BfArM informiert über das Verfahren nach Artikel 107i zu flupirtinhaltigen Arzneimitteln. Diese waren zur Schmerzbehandlung zugelassen. Die Ergebnisse der aufgrund der Risikobewertung von 2013 angeordneten Studien zur Arzneimittelanwendung (DUS) und zur Unbedenklichkeitsprüfung nach der Zulassung (PASS) zeigten, dass die 2013 eingeführten Einschränkungen nur unzureichend eingehalten worden sind. Es wurden weiterhin schwere Fälle von arzneimittelinduzierter Leberschädigung (DILI) einschließlich akutem Leberversagen, Lebertransplantation und Tod bekannt.

      Da keine weiteren praktikablen und erfolgversprechenden Risikominimierungsmaßnahmen identifiziert werden konnten, sind sowohl der PRAC als auch die Koordinierungsgruppe CMDh zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zulassung flupirtinhaltiger Arzneimittel zu widerrufen ist. In Deutschland haben die betroffenen Zulassungsinhaber bereits den Rückruf ihrer Arzneimittel gestartet oder die Auslieferung gestoppt. Der vorgesehene Rote-Hand-Brief wird deshalb nur auf der Webseite des BfArM veröffentlicht.


    4. Hydroxyethylstärke (HES)-haltige Infusionslösungen, Effektivität der angeordneten Risikominimierungsmaßnahmen, Stand des Verfahrens nach Art. 107i der RL 2001/83/EG


      Das BfArM informiert über das Verfahren nach Artikel 107i der Richtlinie 2001/83/EG zu Hydoxyethylstärke (HES)-haltigen Infusionslösungen. Das Verfahren wurde von Schweden im Oktober 2017 gestartet. In den vorherigen Risikobewertungsverfahren aus 2012 und 2013 waren aufgrund des erhöhten Risikos für schwerwiegende Nierenschäden bzw. Nierenersatztherapie bei bestimmten Patientengruppen Kontraindikationen oder Anwendungseinschränkungen für notwendig erachtet worden und es waren Anwendungsstudien und klinische Prüfungen der Phase IV beauflagt worden.

      Die Ergebnisse der Anwendungsstudien zeigten, dass die Anwendungseinschränkungen insbesondere für septische und kritisch kranke Patienten, so wie sie in den geänderten Produktinformationen beschrieben sind, zu einem hohen Grad nicht eingehalten wurden. Der PRAC hat die verfügbaren Daten bewertet und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die 2013 eingeführten Beschränkungen nicht ausreichend effektiv sind und die Einführung zusätzlicher Maßnahmen ineffektiv oder unzureichend wäre.
      Im Januar 2018 haben der PRAC und die Koordinierungsgruppe CMDh das Ruhen der Zulassungen empfohlen. Der Ständige Ausschuss der EU-Kommission kam im April 2018 zu dem Schluss, dass es neue Fragen in Bezug auf jeglichen medizinischen Bedarf (unmet medical need) sowie zur Durchführbarkeit und Effektivität möglicher Risikominimierungsmaßnahmen gibt. Das Verfahren wurde damit zur weiteren Erörterung an den PRAC und die CMDh zurückverwiesen.

    5. Fluorchinolone und Chinolone, lang anhaltende oder potentiell irreversible Nebenwirkungen, Stand des Verfahrens nach Art. 31 der RL 2001/83/EG

      Zum Verfahren nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG zu den Antibiotika aus der Gruppe der Chinolone und Fluorchinolone (in der systemischen Anwendung) und dem Risiko für das Auftreten von schweren, lang anhaltenden und ggf. dauerhaft beeinträchtigenden Nebenwirkungen teilt das BfArM mit, dass es im Juni 2018 aufgrund der Bitten einer Vielzahl Betroffener eine öffentliche Anhörung bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA geben wird. Der PRAC hat dafür einen Fragenkatalog verabschiedet, der während der Sitzung von den Rednern zu beantworten ist. Das Ergebnis der Anhörung wird in die weiteren Erörterungen des PRAC, die für Juli 2018 vorgesehen sind, einfließen.


    6. Valproat, Maßnahmen zur Vermeidung einer Valproatexposition in der Schwangerschaft, Empfehlung des PRAC und Standpunkt der CMDh im Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG

      Das BfArM erläutert die Ergebnisse des Verfahrens nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG zu valproathaltigen Arzneimitteln. Aufgrund ihres teratogenen Potentials sind diese Arzneimittel grundsätzlich in der Schwangerschaft kontraindiziert und dürfen bei Schwangeren zur Behandlung der Epilepsie nur dann angewendet werden, wenn keine therapeutischen Alternativen vorhanden sind.

      Bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter sind die Bedingungen des Schwangerschaftsverhütungsprogramms einzuhalten. Dieses umfasst die Beratung über die Risiken der Behandlung mit Valproat und die Aufklärung über die Notwendigkeit einer wirksamen Schwangerschaftsverhütung während der gesamten Behandlungsdauer (mittels einer anwenderunabhängigen oder zwei sich ergänzender Methoden). Vor Beginn und bei Bedarf während der Behandlung sind Schwangerschaftstests durchzuführen.

      Die Schulungsmaterialien für Ärzte und Patientinnen wurden überarbeitet. Auf EU-Ebene wurde die Patientenerinnerungskarte, die an der äußeren Verpackung angefügt wird, eingeführt. Die äußere Umhüllung muss außerdem einen visuellen (Warn-)Hinweis zur Teratogenität, Notwendigkeit der Schwangerschaftsverhütung und zum Kontaktieren des Arztes bei Schwangerschaft/Schwangerschaftswunsch bzw. vor dem Absetzen des Arzneimittels aufweisen.

      Weitere Auflagen für die pharmazeutischen Unternehmer betreffen retrospektive Beobachtungsstudien, präklinische Untersuchungen, Beobachtungsstudien zur Therapieumstellung, Arzneimittelanwendungsstudien, die Auswertung vorhandener Register und die Erstellung eines Risiko-Management-Plans.


    7. Retinoide, teratogenes Risiko, Aktualisierung der Schwangerschaftsverhütungsmaßnahmen und Warnhinweise zu möglichen neuropsychiatrischer Nebenwirkungen, Empfehlung des PRAC und Opinion des CHMP im Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG

      Das BfArM berichtet zum Ergebnis des Verfahrens nach Art. 31 der RL 2001/83/EG zu den Retinoiden. Im März 2018 hatte der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) sein Gutachten abgegeben und damit die Empfehlung des PRAC bestätigt. In dem Verfahren waren orale und topische Retinoide in dermatologischen und onkologischen Indikationen eingeschlossen.

      Die oral eingenommenen Retinoide Acitretin, Alitretinoin und Isotretinoin sind bei dermatologischen Indikationen (Akne etc.) aufgrund des hohen teratogenen Potentials weiterhin bei Patientinnen im gebärfähigen Alter kontraindiziert, es sei denn, es werden die Maßnahmen des Schwangerschaftsverhütungsprogramms eingehalten.

      Das bereits bestehende Schwangerschaftsverhütungsprogramm wurde im Verfahren aktualisiert und harmonisiert. Es sieht eine enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patientin vor. Die regelmäßigen Schwangerschaftstests umfassen die Periode vor, während und nach der Behandlung. Die effektive Verhütung hat einen Monat vor der Behandlung zu beginnen und ist nach Beendigung der Therapie für einen Monat (bei Acitretin drei Jahre) fortzusetzen. Die Schulungsmaterialien für Ärzte, Patienten und Apotheker wurden gekürzt und auf das teratogene Risiko fokussiert. Sie sollen auch elektronisch über einen Barcode verfügbar sein.

      Zur Ausgestaltung der zu aktualisierenden Schulungsmaterialien wurde den nationalen Behörden ein gewisser Handlungsspielraum gegeben. Dies betrifft u.a. die nationale Regelung der Rezeptgültigkeit. Über die Aktualisierungen soll in einem Rote-Hand-Brief informiert werden und es ist für die Oralia zur Anwendung in der Dermatologie (Acitretin, Alitretinoin und Isotretinoin) eine Anwendungsstudie durchzuführen.

      Sowohl auf der äußeren Verpackung als auch in den Produktinformationen soll bei den oralen Dermatologika mittels eines umrahmten Warnhinweises nun auf das hohe teratogene Potential der Retinoide aufmerksam gemacht werden.
      Retinoidhaltige Topika sollen nicht bei bestehender oder geplanter Schwangerschaft angewendet werden.

      Für orale Onkologika (Bexaroten, Tretinoin) werden aufgrund der speziellen Anwendung keine weiteren Maßnahmen für erforderlich erachtet.

      Hinsichtlich des Potentials neuropsychiatrischer Nebenwirkungen sind für die oral anzuwendenden Arzneimittel (differenziert nach Wirkstoffen) harmonisierte Warnhinweise und Hinweise zu Nebenwirkungen aufzunehmen.

      Weibliche und männliche Patienten sind bis einen Monat (Acitretin bis drei Jahre) nach Behandlungsende von der Blutspende ausgeschlossen. Der Fragebogen des PEI an Blutspender befindet sich zurzeit in Überarbeitung. Die aktuellen Empfehlungen aus dem Risikobewertungsverfahren wurden zur Berücksichtigung weitergeleitet.


    8. Zinbryta® (Daclizumab), Enzephalitis/Enzephalopathie, Verfahren nach Art. 20 der VO (EG) 726/2004, Verzicht des Zulassungsinhabers und Empfehlung der EMA zum sofortigen Ruhen und Rückruf der Zulassung

      Das PEI stellt das Verfahren nach Art. 20 der VO (EG) 726/2004 zu Zinbryta® mit dem Wirkstoff Daclizumab vor. Es war im Juli 2016 zur Behandlung schubförmiger Multipler Sklerose zugelassen worden. Nach Abschluss eines Artikel 20 Verfahrens im Januar 2018 wurde die Indikation dahingehend eingeschränkt, dass die Behandlung erst nach Therapieversagen von mindestens zwei krankheitsmodifizierenden Therapien zugelassen wurde. Aufgrund von Berichten über Fälle schwerer autoimmunvermittelter Enzephalitis bzw. Enzephalopathie mit ähnlicher Symptomatik wie die Grunderkrankung und schwerwiegenden, bleibenden bzw. lebensbedrohlichen Schäden wurde Anfang März 2018 von der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA das Risikobewertungsverfahren eingeleitet. Als Sofortmaßnahme wurde das Ruhen der Zulassung und der Rückruf des Arzneimittels beschlossen. In der Folgewoche wurde ein Rote-Hand-Brief verteilt und die Firma hat über die Rücknahme ihrer Zulassung informiert.


    9. Methotrexat, Einleitung eines Verfahrens nach Art. 31 der RL 2001/83/EG

      Das BfArM informiert über die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 31 der RL 2001/83/EG zu methotrexathaltigen Arzneimitteln. In der onkologischen Indikation ist in der Regel eine individuelle Dosierung bezogen auf die Körperoberfläche mit täglicher Einnahme über kürzere Zeiträume vorgesehen, während das Arzneimittel zur Behandlung entzündlicher Erkrankungen (wie Rheuma und Psoriasis) einmal wöchentlich über längere Zeiträume angewendet wird. Durch Anwendungsfehler, insbesondere aufgrund von täglicher anstatt einmal wöchentlicher Anwendung bei der Therapie entzündlicher Erkrankungen, besteht das Risiko der Überdosierung. In vielen Ländern der EU wurden auf der äußeren Verpackung Warnhinweise eingeführt, so für die Zulassungen in Deutschland seit 2009 ein gerahmter Warnhinweis. Im Stufenplanbescheid von 2012 wurde angeordnet, dass in der rheumatologischen und dermatologischen Indikation der Wochentag der Einnahme auf der Verordnung zu vermerken ist.

      Im Rahmen der kürzlich vorgenommenen Bewertung von periodischen Sicherheitsberichten wurde trotz der bisher bereits etablierten Maßnahmen noch immer über Überdosierungen mit schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen, einschließlich Todesfällen, berichtet. In dem im März 2018 von Spanien eingeleiteten Risikobewertungsverfahren mit Deutschland als Rapporteur sollen insbesondere die Ursachen der Dosierungsfehler näher untersucht und Maßnahmen zur Verhinderung ermittelt werden. Dabei sollen auch sämtliche verfügbaren Datenquellen für Medikationsfehler ausgewertet werden.

  2. Signalverfahren des PRAC - Prozedere auf EU-Ebene und Beispiele

    Das BfArM erläutert das Prozedere von Signalverfahren des PRAC auf EU-Ebene und gibt im Anschluss einige Beispiele aus jüngerer Zeit.

    Primär haben die Zulassungsinhaber die Signalerkennung für ihre eigenen Produkte durchzuführen. Von Behördenseite übernimmt die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA für zentral zugelassene Arzneimittel die Signalerkennung, während für Wirkstoffe oder Arzneimittel, die in mehreren EU-Mitgliedsstaaten zugelassen sind, die Signalerkennung von einem Mitgliedsland verantwortlich übernommen werden kann (Lead Member State). Wenn das Signal (innerhalb von 30 Tagen) durch die Bewertung der Daten bestätigt wurde, erstellen der Rapporteur (für zentrale Zulassungen) oder der Lead Member State (für nationale Zulassungen) einen Bewertungsbericht. Der PRAC erörtert die wissenschaftliche Bewertung der Signale, ggf. nach vorheriger Anforderung weiterer Daten. Unter Würdigung der Kommentare der anderen Mitgliedsländer verabschiedet der PRAC eine abschließende Empfehlung für Maßnahmen. Je nach Zulassungsstatus der betroffenen Arzneimittel wird diese an den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) zur Bestätigung bzw. an die Koordinierungsgruppe CMDh zur Information weitergeleitet.

    Alle Empfehlungen des PRAC zu Signalen werden monatlich auf der EMA-Webseite in englischer Sprache veröffentlicht, außerdem ist eine kumulative Übersicht verfügbar. Sofern Änderungen der Produktinformationen empfohlen werden, wird der Wortlaut dieser Textänderungen in allen EU-Sprachen auf der EMA-Webseite veröffentlicht.

    Die Umsetzung von Textänderungen hat eigenverantwortlich durch die pharmazeutischen Unternehmer zu erfolgen. Der Zeitrahmen hierfür liegt in der Regel bei zwei Monaten.

    Aufforderung zur Textanpassung

    Kumulative Übersicht Signale


  3. Weiteres

    1. Undichte Spritzen bei Impfstoffen eines pharmazeutischen Unternehmers

      Das PEI trägt vor, dass es bei einigen Impfstoffen eines pharmazeutischen Unternehmers zu Undichtigkeiten bei einzelnen Spritzen gekommen ist. Der Spritzenhersteller hatte Veränderungen an der Beschichtung des Konus der Spritzen vorgenommen. Der potenzielle Volumenverlust liegt im Bereich von 10 bis 50 µl; im Extremfall bei 100 µl. Korrektive Maßnahmen wurden eingeleitet und werden seit Januar 2018 umgesetzt. Es ist davon auszugehen, dass von den betroffenen Spritzen noch einige bis Ende 2019 auf dem Markt sind. Die Sterilität des Impfstoffs ist davon nicht berührt. Der Impfschutz ist bei den Produkten Havrix®, Engerix®, Twinrix® und Fendrix® ausreichend und man geht davon aus, dass er bei anderen Impfstoffen, die gemäß den Impfschemata mehrfach appliziert werden, ebenfalls in ausreichendem Maß gegeben ist. In Zweifelsfällen wird empfohlen, nachzuimpfen. Die Ärzte wurden Anfang April 2018 mit einem Informationsschreiben auf die Problematik hingewiesen.


    2. Geplante Einführung einer geänderten Formulierung von Levothyroxintabletten

      Das BfArM informiert über eine geplante Einführung einer geänderten Formulierung von Levothyroxintabletten. Die neue Formulierung verbessert die Stabilität des Arzneistoffs während der Laufzeit des Arzneimittels und erlaubt so die Einhaltung engerer Grenzen (Spezifikationen) für den Arzneistoffgehalt über die gesamte Haltbarkeitsdauer (neu 95-105 %).

      Das BfArM bewertet die geplante Änderung der Formulierung als sog. Reference Member State federführend für die EU. Für die Bewertung der eingereichten Variation werden die regulatorischen Standards für die Zulassung von Generika angelegt. Die neue Formulierung hatte in einer Studie zur Bioäquivalenz die protokollgemäß engeren Bioäquivalenzgrenzen von 90-111% aufgezeigt (üblicherweise regulatorisch geforderten Bioäquivalenzgrenzen: 80-125%).

      In Frankreich gab es im März 2017 nach der Einführung eines Levothyroxinpräparates der Firma Merck Serono (Levothyrox®) mit einer gleichsam geänderten Formulierung eine gehäufte Berichterstattung über mögliche Nebenwirkungen. Als mögliche Nebenwirkungen der neuen Formulierung wurden u.a. Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Schwindel, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Haarausfall genannt. Das sind die Art von Nebenwirkungen, die auch unter der alten Arzneimittelzusammensetzung auftraten, die Anzahl der Nebenwirkungsmeldungen für die neue Formulierung war jedoch "beispiellos“, wie die französische Arzneimittelagentur ANSM feststellte.

      Ein Bericht der ANSM vom 30. Januar 2018 informierte darüber, dass die überwiegende Mehrheit der Patienten die neue Formulierung gut verträgt (0,75% der 2,3 Millionen behandelten Patienten meldeten Nebenwirkungen, mögliches Over- oder Underreporting ist allerdings nicht quantifizierbar). Laut des Berichtes der ANSM könnte sich die "(...) völlig unerwartete Meldehäufigkeit“ von möglichen Nebenwirkungen durch die "Multiplikatorwirkung des Meldeportals (online verfügbar, damit betroffene Patientinnen und Patienten ihren Fall registrieren lassen können) und sozialer Netzwerke“ erklären lassen.

      In Deutschland ist, anders als in Frankreich, nur ein kleinerer Teil der Patienten auf das Präparat mit der geplanten Formulierungsänderung eingestellt und Patienten können auch auf andere levothyroxinhaltige Arzneimittel ausweichen. Dies könnte zum Beispiel dann erforderlich sein, wenn Patienten nach der Umstellung unter Nebenwirkungen leiden sollten, die nicht durch eine Dosisanpassung zu beheben sind.

      Im Zusammenhang mit der möglichen Einführung der neuen Formulierung in Deutschland und anderen Europäischen Ländern ist eine adäquate Kommunikation an das medizinische Fachpersonal, an Patientenorganisationen und an die Patienten vor und während der Umstellung auf die neue Formulierung notwendig, um das potenzielle Risiko eines Ungleichgewichts der Schilddrüsenhormone und assoziierter Nebenwirkungen zu minimieren und jegliche Verwirrung unter den betroffenen Patienten zu vermeiden.

      Wie im Rahmen der Routinesitzung weiter erörtert, ist vor der Einführung der neuen Formlierung in den Markt auch eine weitere, vertiefte Abstimmung zwischen den pharmazeutischen Unternehmern (Originator und Parallelimporteure) und den verantwortlichen Landesbehörden beziehungsweise dem BfArM erforderlich.

TOP 4 Fälschungen von Arzneimitteln - Aktuelles im Zuständigkeitsbereich des BfArM und des PEI

Das PEI und das BfArM berichten über die bekannt gewordenen Fälle von Arzneimittelfälschungen des vergangenen halben Jahres. In den meisten Fällen handelte es sich um gefälschte Verpackungen.

TOP 5 Verschiedenes

Als Termin für die nächste Routinesitzung ist Donnerstag, den 15. November 2018 vorgesehen.


Der Vorsitzende

Anlagen