BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Navigation und Service

Ergebnisprotokoll der 85. Routinesitzung nach § 63 AMG am 19. November 2019

TOP 1 Genehmigung der Tagesordnung für die 85. Routinesitzung

Die Tagesordnung wird in der den Teilnehmenden vorliegenden und vorab elektronisch übermittelten Form angenommen.

TOP 2 Diskussion zu den Sachstandsberichten über eingegangene Meldungen zu Nebenwirkungen und zu Medikationsfehlern

Die Sachstandsberichte über eingegangene Meldungen zu Nebenwirkungen (UAW) und zu Medikationsfehlern wurden den Stufenplanbeteiligten einige Tage vor der Sitzung auf elektronischem Wege zur Verfügung gestellt. Dies sind: die Berichte des BfArM zu UAW und zu Medikationsfehlern, die Berichte des PEI zu Humanarzneimitteln aus seinem Zuständigkeitsbereich sowie Berichte des PEI zu immunologischen Tierarzneimitteln und schließlich der Bericht des BVL.

Aus dem Teilnehmerkreis gibt es eine Frage zum Sachstandsbericht des BfArM über eingegangene Nebenwirkungsmeldungen. Sie betrifft die Meldepflicht pharmazeutischer Unternehmer gegenüber dem BfArM. Diese besteht weiterhin bei Meldungen aus Compassionate Use, bei Verdachtsmeldungen zu registrierten/homöopathischen/traditionellen Arzneimitteln sowie zu Meldungen aus klinischen Studien, bei denen der pharmazeutische Unternehmer Sponsor ist.


TOP 3 Information zu Risikobewertungen

  1. Europäische Risikobewertungsverfahren

    1. Methotrexat, Risiko der Überdosierung durch Anwendungsfehler, Abschluss des Verfahrens nach Art. 31 der RL 2001/83/EG

      Das BfArM berichtet zum Ergebnis des Verfahrens nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG zu methotrexathaltigen Arzneimitteln in oralen oder parenteralen Darreichungsformen. Diese werden zum einen zur Behandlung entzündlicher Autoimmunerkrankungen einmal wöchentlich in niedriger Dosierung angewendet und zum anderen in onkologischen Indikationen individuell bezogen auf die Körperoberfläche beziehungsweise im Rahmen von Therapieprotokollen dosiert. Dabei sind eine tägliche Einnahme und mittlere bis hohe Dosen möglich. Bei der Therapie entzündlicher Autoimmunerkrankungen besteht das Risiko der Überdosierung durch Dosierungsfehler aufgrund von täglicher anstatt einmal wöchentlicher Anwendung. Diese können in allen Phasen des Medikationsprozesses auftreten.

      Zur Vermeidung künftiger potentiell tödlicher Dosierungsfehler bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen wurden folgende Risikominimierungsmaßnahmen festgelegt: Auf der Verpackung sind prominente Warnhinweise aufzudrucken. Produktinformationen sollen geändert werden. Dabei soll sichergestellt werden, dass sich verschreibende Ärzte der Risiken einer Behandlung mit Methotrexat bewusst sind, Patienten und gegebenenfalls deren Pflegekräfte in der Lage sind, die wöchentliche Dosierung befolgen zu können und jegliche Hinweise auf eine Aufteilung der Dosis gestrichen werden. Künftig werden methotrexathaltige Tabletten in Blisterpackungen angeboten und nicht mehr in Flaschen oder Röhrchen. Darüber hinaus sind Schulungsmaterialien für Patienten (Patientenkarte) und für Angehörige der Heilberufe bereitzustellen beziehungsweise zu aktualisieren. Für die Einnahme soll ein bestimmter Wochentag festgelegt werden und der Arzt/Apotheker sollte bei jeder Neuverschreibung/Abgabe überprüfen, ob die wöchentliche Anwendung eingehalten werden kann. Der Patient und gegebenenfalls die Pflegekraft sollen über Anzeichen einer Überdosierung beraten werden.

      Der Durchführungsbeschluss der EU-Kommission liegt mit Datum vom 21. Oktober 2019 vor. Das BfArM hat am 20. November 2019 seinen Bescheid zur Umsetzung an die betroffenen pharmazeutischen Unternehmer versendet. Ein Rote-Hand-Brief wurde am 25. November 2019 an die Angehörigen der Heilberufe verteilt. Bis zur vollständigen Umstellung der Verpackungen soll die Patientenkarte über die Apotheken abgegeben werden.

      Weiterhin gibt es dringende/wichtige Empfehlungen an die pharmazeutischen Unternehmen, die folgende Aspekte betreffen: die Bezeichnung der Arzneimittel, die Aufteilung der verschiedenen Indikationsgruppen (Autoimmunerkrankungen und Onkologie) auf zwei Zulassungen, therapiegerechte Packungsgrößen und die bessere Unterscheidbarkeit von anderen Tabletten wie Folsäurezubereitungen.

      Darüber hinaus sollen besondere Hinweise im Zusammenhang mit elektronischen Verschreibungs- und Abgabesystemen erarbeitet werden und es gibt Empfehlungen für das Management von Methotrexat in Kliniken.




    2. Leuprorelin, Risiko von verringerter Wirksamkeit durch Medikationsfehler bei Depotzubereitungen; Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG

      Das BfArM trägt zum Verfahren nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG zu bestimmten leuprorelinhaltigen Arzneimitteln vor. Es betrifft Depotformulierungen, die als Injektion appliziert werden und den Wirkstoff über einen längeren Zeitraum hinweg abgeben. Sie werden angewendet zur Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms, von Brustkrebs, von Endometriose und anderen Erkrankungen des weiblichen Fortpflanzungssystems und von verfrühter Pubertät. In der Regel sind mehrere Schritte für die Zubereitung der Produkte notwendig. Es wurde eine hohe Anzahl von Zubereitungs- und Anwendungsfehlern berichtet. Die Zubereitungs- und Anwendungsfehler können den Behandlungserfolg beeinträchtigen, da die Möglichkeit der Applikation einer zu geringen Wirkstoffmenge besteht.

      Das Verfahren wurde von Deutschland initiiert. Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) hat auf seiner Novembersitzung die vorhandenen und weitere Maßnahmen zur Risikominimierung erörtert und zusätzliche Fragen an die pharmazeutischen Unternehmer beschlossen. Die Bewertung der dazu eingehenden Stellungnahmen durch den PRAC ist für März 2020 geplant.




    3. Fluorouracil (5-FU) und andere Fluoropyrimidine, Erhöhtes Risiko für Toxizität bei DPD-Defizienz, Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG

      Das BfArM berichtet zum Verfahren nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/ EG zu Fluorouracil (5-FU) sowie den verwandten Wirkstoffen Capecitabin, Tegafur und Flucytosin, die im Köper in 5-Fluorouracil umgewandelt werden. Im Rahmen des Verfahrens werden verfügbare Screening-Methoden und ihr Stellenwert bei der Vorab-Identifizierung von Patienten untersucht, die aufgrund einer Genvariante die Wirkstoffe nicht oder in geringerem Umfang verstoffwechseln können (Defizienz des Enzyms Dihydropyrimidin-Dehydrogenase - DPD) und bei denen aus diesem Grund ein erhöhtes Risiko von toxischen Wirkstoffkonzentrationen mit schweren und lebensbedrohlichen Nebenwirkungen besteht. Die Wirkstoffe 5-FU, Capecitabin und Tegafur werden zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen angewendet, topisches Fluorouracil findet Anwendung zur Behandlung bestimmter Hauterkrankungen und Flucytosin ist ein Antimykotikum.

      Die Produktinformationen zu den meisten dieser Arzneimittel enthalten bereits einen Hinweis, dass sie bei Patienten mit vollständigem DPD-Mangel kontraindiziert sind sowie einen Warnhinweis zu Nebenwirkungen bei verringerter DPD-Aktivität. Genetische Tests auf DPD-Mangel werden für die meisten Arzneimittel in der onkologischen Indikation empfohlen. In einem Forschungsprojekt am französischen Krebsinstitut INCA wurde die Phänotypisierung vor Therapiestart als Methode zur DPD-Aktivitätsbestimmung als vorteilhaft gegenüber der genetischen Testung gesehen (Veröffentlichung im Dezember 2018). Daraufhin hatte die französische Arzneimittelbehörde im März 2019 ein Risikobewertungsverfahren ausgelöst. Als Berichterstatter wurden Belgien und Deutschland benannt.

      In dem Verfahren sollen unter anderem Tests zur Genotypisierung, Verfahren zur Phänotypisierung sowie deren Kombinationen zur Testung vor Therapieeinleitung sowie die Dosierungsanpassung anhand eines Arzneimittelspiegels (Therapeutisches Drug Monitoring, TDM) im Hinblick auf eine Aktualisierung der Produktinformationen untersucht werden. Weiterhin soll die Relevanz der DPD-Defizienz bei der Anwendung von topischen 5-FU-Produkten und von Flucytosin untersucht werden. Die betroffenen pharmazeutischen Unternehmer wurden des Weiteren um Stellungnahme zu Handlungsempfehlungen bei partieller DPD-Defizienz gebeten und sie sollten Vorschläge für weitere Risikominimierungsmaßnahmen einreichen.

      Weitere Daten werden bei der Bewertung herangezogen. So wurde in den einzelnen EU-Mitgliedsländern abgefragt, welche Möglichkeiten zur DPD-Aktivitäts-Testung verfügbar sind und wie häufig DPD-Aktivitätsbestimmungen vor Therapiebeginn derzeit durchgeführt werden. Zusätzlich wurden Stellungnahmen von verschiedenen Expertengruppen und Betroffenen ausgewertet. Die pharmazeutischen Unternehmer wurden um Stellungnahme zu weiteren Fragen gebeten. Die möglichen Maßnahmen sollen auf der Dezember-Sitzung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) erneut erörtert werden.




    4. Xeljanz (Tofacitinib), Risiko von Lungenembolien bei höherer Dosierung, Verfahren nach Art. 20 der VO (EG) Nr. 726/2004

      Das BfArM erläutert das Verfahren nach Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zu Xeljanz mit dem Wirkstoff Tofacitinib. Das Arzneimittel ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer rheumatischer Arthritis, Psoriasis-Arthritis und schwerer Colitis ulcerosa. Für die Arthritis-Behandlungen beträgt die zugelassene Dosis zweimal täglich 5 mg. Bei der Behandlung von Colitis ulcerosa wird die Therapie mit zweimal täglich 10 mg über 8 Wochen eingeleitet, wobei dieser Zeitraum auf 16 Wochen verlängert werden kann. Die Erhaltungsdosis beträgt zweimal täglich 5 mg, wobei bei einigen Patienten mit Colitis ulcerosa eine Erhaltungsdosis von zweimal täglich 10 mg in Betracht gezogen werden kann (zum Beispiel bei Versagen einer vorhergehenden Therapie mit TNF-Inhibitoren). In einer Studie, in der die Dosierung von Tofacitinib zweimal täglich 10 mg betrug, wurde ein erhöhtes Risiko für Lungenembolie und Gesamtmortalität bei Patienten mit rheumatischer Arthritis festgestellt.

      Die Europäische Kommission hat daraufhin das Artikel-20-Verfahren eingeleitet. Für die Dauer der Risikobewertung wurden vorläufige Empfehlungen gegeben und die Produktinformationen wurden in den Abschnitten Gegenanzeigen und Warnhinweise mittels Beschluss der EU-Kommission vom Juni 2019 aktualisiert.

      Auf seiner November-Sitzung hat der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) die Bewertung im Rahmen des Art. 20-Verfahrens abgeschlossen. Er kam zu dem Ergebnis, dass das Risiko der Entstehung von Blutgerinnseln in der Lunge und in tiefen Venen bei Patienten mit bereits vorhandenem hohen Risiko durch die Anwendung von Tofacitinib weiter verstärkt werden könnte. Ein erhöhtes Risiko zeigte sich insbesondere bei der 2 mal 10 mg Tagesdosis und bei Patienten, die über einen längeren Zeitraum behandelt wurden. Die Daten ergaben auch ein erhöhtes Risiko für schwere und tödliche Infektionen bei Patienten im Alter von über 65 Jahren.

      Der PRAC empfiehlt, Xeljanz unabhängig von Dosis und Indikation bei Patienten mit hohem Blutgerinnungsrisiko mit Vorsicht anzuwenden. Die Erhaltungsdosis von 10 mg 2 mal täglich sollte nicht bei Risikopatienten mit Colitis ulcerosa verwendet werden, es sei denn, es fehlt eine geeignete alternative Behandlung. Patienten über 65 Jahre sollten nur dann mit Xeljanz behandelt werden, wenn es keine andere geeignete Behandlung gibt. Die Entstehung von Blutgerinnseln wurde als seltene Nebenwirkung in die Produktinformation von Xeljanz aufgenommen (Häufigkeit von 1 zu 1000 bis 1 zu 100). Die vorläufigen Maßnahmen werden damit ersetzt.

      Die Anzeichen von Blutgerinnseln sind in den Produktinformationen beschrieben und bestehende Schulungsmaterialien werden entsprechend aktualisiert.



    5. Picato (Ingenolmebutat), Überprüfung der Daten zum Hautkrebsrisiko, Verfahren nach Art. 20 der VO (EG) Nr. 726/2004

      Das BfArM berichtet über den Start des Verfahrens nach Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 726/84 zu dem Arzneimittel Picato (Wirkstoff Ingenolmebutat). Es wird als Gel zur Behandlung von bestimmten Formen der aktinischen Keratosen angewendet. Auslöser der Überprüfung waren Daten aus mehreren Studien, die eine höhere Inzidenz von Hauttumoren im Behandlungsareal bei Patienten, die mit Picato behandelt wurden, als im Vergleichsarm der Studien zeigten. Die Produktinformationen für Picato enthalten bereits einen Warnhinweis zu Berichten über das Auftreten eines Hauttumors (Keratoakanthom), der aktualisiert werden soll, um Hautkrebs wie Basalzellkarzinom, Morbus Bowen und Plattenepithelkarzinom aufzuführen. Im Zusammenhang mit dem Risikobewertungsverfahren wurde am 23. September 2019 ein Rote-Hand-Brief veröffentlicht. Angehörige der Gesundheitsberufe sollten Patienten darauf hinweisen, dass sie auf das Auftreten von neu entstandenen Hautveränderungen achten und solche Veränderungen unverzüglich ärztlich abklären lassen sollen. Nach der Stellungnahme der Firma im November 2019 zu einer Fragenliste des PRAC und der Bewertung durch die Berichterstatter wird das Verfahren auf der Januar-Sitzung des PRAC 2020 beraten werden.




    6. Lemtrada (Alemtuzumab), Anwendungseinschränkungen; Verfahren nach Art. 20 der VO (EG) Nr. 726/2004

      Das PEI beichtet zum Verfahren nach Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zu Lemtrada mit dem Wirkstoff Alemtuzumab. Als monoklonaler Antikörper ist es zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmig remittierend verlaufender multipler Sklerose (RRMS) zugelassen. Aufgrund von während der Bewertung des periodischen Sicherheitsberichts (PSUR) aufgefallenen Signalen zu schwerwiegenden bis fatalen kardiovaskulären oder immunvermittelten Nebenwirkungen wurde im April 2019 ein Verfahren nach Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 gestartet. Vorläufige Maßnahmen schränkten bei RRMS-Patienten die Neuanwendung ein auf die Anwendung erst nach mindestens zwei anderen vorhergehenden Behandlungsversuchen oder wenn alternative Behandlungen nicht gegeben werden können.

      Die endgültige Empfehlung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) vom November 2019 sieht vor, dass mindestens ein anderer Behandlungsversuch vorangegangen ist oder sich die Krankheit rapide verschlechtert hat. Die Behandlung sollte nur in Krankenhäusern durchgeführt werden, die Zugang zu intensivmedizinischer Versorgung haben, um potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen behandeln zu können. Die Kontraindikationen wurden ergänzt ebenso wie die Empfehlungen zur Überwachung der Patienten vor, während und nach der Infusion und das Schulungsmaterial für Ärzte und Patienten soll aktualisiert werden. Der pharmazeutische Unternehmer hat des Weiteren eine Studie (Post Authorisation Safety Study, PASS) durchzuführen. Das Verfahren wurde dem Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) zur Beschlussfassung zugeleitet.




    7. Cyproteron, Überprüfung des Meningeomrisikos, Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG

      Das BfArM stellt das im Juli 2019 gestartete Risikobewertungsverfahren nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG zu cyproteronhaltigen Arzneimitteln vor, in dem das Risiko für das Auftreten eines Meningeoms (gutartiger Tumor der Hirnhaut) überprüft werden soll. Der Wirkstoff wird zur Behandlung ausgeprägter Androgenisierungserscheinungen der Frau, einschließlich übermäßigem Haarwachstums (Hirsutismus), Haarausfall (Alopezie), Akne sowie beim metastasierenden, fortgeschrittenen, inoperablen Prostatakarzinom bzw. zur Triebdämpfung beim Mann eingesetzt.

      Auslöser des Verfahrens war eine pharmakoepidemiologische Studie in Frankreich, bei der dosisabhängig ein bis zu siebenfach erhöhtes, teilweise reversibles Meningeomrisiko postuliert wurde. Aufgrund der intrakraniellen Raumforderung eines Meningeoms kann es zu schweren Folgen führen. In den Produktinformationen ist das Meningeomrisiko bei einer Einzeldosis von 10 mg und mehr Cyproteron pro Tag bereits aufgeführt. So gibt es eine Kontraindikation bei bestehendem Meningeom sowie einen Warnhinweise zum Absetzen bei Neuauftreten eines Meningeoms. Das Verfahren soll insbesondere das Ausmaß und die Dosisabhängigkeit des Risikos unter Berücksichtigung aller neuen Daten prüfen und es sollen Vorschläge für zusätzliche Risikominimierungsmaßnahmen gemacht werden. Der erste Bewertungsbericht der Berichterstatter vom Oktober 2019 wurde auf der November-Sitzung des PRAC erörtert.




    8. Estradiol (topisch), Anwendungseinschränkungen hochdosierter Cremes, Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG

      Das BfArM informiert über das Risikobewertungsverfahren nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG zu hochdosierten estradiolhaltigen Cremes (100 µg Estradiol/g). Die Empfehlung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) von Oktober 2019 sieht vor, dass diese Arzneimittel nur noch in Packungsgrößen bis 25 g abgeben werden und einmalig für die Dauer von maximal vier Wochen angewendet werden dürfen. Zugelassen sind sie für die Behandlung von Vaginalatrophie in der Postmenopause. Bei Frauen, die die Creme anwendeten, wurden deutlich höhere Estradiolspiegel gemessen als bei nicht behandelten postmenopausalen Frauen, so dass eine systemische Verfügbarkeit gegeben ist. Die Anwendungseinschränkungen wurden beschlossen, da möglicherweise ähnliche Nebenwirkungen wie bei einer oralen Hormonersatztherapie (Thromboembolien, Endometriumkrebs, Brustkrebs) zu erwarten sind. Warnhinweise zum Behandlungszeitraum sollen sowohl auf der Außen- als auch auf der Innenverpackung verpflichtend sein.

      Ein betroffener pharmazeutischer Unternehmer hat nach der PRAC-Empfehlung eine „Re-Examination“ beantragt. Somit ist eine abschließende Entscheidung der Koordinationsgruppe für gegenseitige Anerkennung und dezentrale Verfahren (CMDh) zur Umsetzung der PRAC-Empfehlung noch ausstehend. In einem ersten Verfahren aus dem Jahr 2012, das im Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) durchgeführt wurde und infolge dessen das BfArM im Januar 2015 einen Bescheid erlassen hatte, war die Behandlungsdauer bereits auf vier Wochen eingeschränkt worden und die Zulassungen für Packungsgrößen von 100 g waren widerrufen worden. Das 2012 gestartete Verfahren war im März 2019 vor dem Europäischen Gerichtshof aus formellen Gründen teilweise (d.h. in Bezug auf die klagenden pharmazeutischen Unternehmer) für nichtig erklärt worden. Obwohl der Gerichtshof die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen nicht in Frage gestellt hat, führte die in Bezug auf zwei pharmazeutische Unternehmer partielle Nichtigerklärung dazu, dass insoweit die zur Risikominimierung getroffenen Maßnahmen außer Kraft gesetzt wurden. Daraufhin hatte die Europäische Kommission im April 2019 das PRAC-Verfahren eingeleitet. Der Bescheid des BfArM aus 2015 hat (unbeschadet einer Klage eines pharmazeutischen Unternehmers vor dem Verwaltungsgericht Köln) bis zum Abschluss des aktuellen Verfahrens noch Bestand.



  2. Weitere EU-Verfahren

    1. Implanon NXT (Etonogestrel), Risikominimierungsmaßnahmen im CMDh-Verfahren nach Art. 13 (1) der VO (EG) 1234/2008

      Das BfArM berichtet zum etonogestrelhaltigen Kontrazeptivum Implanon NXT zur subkutanen Anwendung im Verfahren nach Artikel 13 (1) der Verordnung (EG) 1234/2008. Im Rahmen einer Variation hatte der pharmazeutische Unternehmer Änderungen der Produktinformation eingereicht, um die Einlegestelle präziser darzustellen, ein Schulungsvideo für Ärzte zu implementieren und den Risikomanagementplan (RMP) zu aktualisieren. In der Koordinierungsgruppe CMDh wurden seitens eines Mitgliedslandes weitere Risikominimierungsmaßnahmen für notwendig erachtet. Die CMDh hat nach Konsultation des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) beschlossen, die Produktinformation, den Risikomanagementplan sowie die bestehende Patientenkarte zu aktualisieren. Zudem werden die Fachärzte mittels Rote-Hand-Brief über die Änderungen informiert.


    2. Nitrosamine: Rückruf von ranitidinhaltigen Arzneimitteln, Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG und Entwicklung von Leitlinien zur Vermeidung von Nitrosaminverunreinigungen, Verfahren nach Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 726/2004

      Das BfArM gibt einen Überblick über die aktuellen Verfahren zur potentiellen Verunreinigung von Arzneimitteln mit Nitrosodimethylamin (NDMA) und anverwandten Substanzen. Bestimmte ranitidinhaltige Arzneimittel waren aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes zurückgerufen worden und es ist ein Verfahren nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG eingeleitet worden. Der Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP wird sich auf seiner Dezembersitzung mit der Auswertung der Stellungnahmen der betroffenen pharmazeutischen Unternehmer zur Fragenliste des CHMP befassen.

      Etwa zeitgleich wurde im CHMP ein Verfahren nach Artikel 5(3) der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 eingeleitet, um Leitlinien zur Vermeidung zu entwickeln, denn es waren zuvor schon Nitrosaminverunreinigungen in Arzneimitteln mit anderen Wirkstoffen gefunden worden. Die Zulassungsinhaber sind aufgefordert, sämtliche Herstellungsverfahren für ihre chemisch definierten Arzneimittel zu überprüfen mit dem Ziel, das Risiko einer möglichen Nitrosaminverunreinigung zu bewerten und, falls nötig, zu verringern. Über das Pharmnet-Bund Portal ist dem BfArM in einem ersten Schritt unter Angabe einer bestimmten Funktionsstruktur-Nummer (SKNR) das Ergebnis der eigenen Risikobewertung mitzuteilen. In einem zweiten Schritt sind bis drei Jahre nach Veröffentlichung der Mitteilung dem BfArM mit einer weiteren SKNR die Analyse-Ergebnisse zu übermitteln.

      Das Verfahren, bei dem Deutschland die Funktion als Berichterstatter innehat, wird ebenfalls auf der Dezember-Sitzung des CHMP auf der Tagesordnung stehen und Anfang nächsten Jahres werden sich verschiedene Expertengruppen bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA mit dem Thema befassen.






  3. Nationale Stufenplanverfahren

    1. Einführung risikominimierender Maßnahmen zur Prävention von West-Nil-Virus-Übertragungen durch Blut- und Stammzellzubereitungen; Stufenplanverfahren

      Das PEI stellt das Stufenplanverfahren zur Einführung risikominimierender Maßnahmen zur Prävention von West-Nil-Virus-Übertragungen durch Blut- und Stammzellzubereitungen vor. In Deutschland sind bisher einzelne Fälle von Erkrankungen aufgrund des West-Nil-Virus (WNV) bekannt geworden. Die Testung von circa 53500 Blutspendern mittels Nukleinsäure-Amplifikationstechnik (NAT) war in allen Fällen negativ. Im nationalen Stufenplanverfahren fand im Mai 2019 ein allgemeiner Informationsaustausch (Stufe I) statt. Das PEI bereitet für Dezember 2019 eine Anhörung zu konkreten Maßnahmen (Stufe II) vor. Es wird die Rückstellung als Spender nach Rückkehr der Personen aus definierten deutschen Endemiegebieten in Erwägung gezogen. Eine Spendertestung auf WNV soll regional oder national für die Monate Juni bis November etabliert werden. Dabei sollen die Blutspendedienste (BSD) die etablierte Analyse-Methode (NAT) übernehmen. Ein Bescheid des PEI ist für die erste Jahreshälfte 2020 geplant.



TOP 4 Fälschungen von Arzneimitteln

Das PEI stellt die Fälle von Arzneimittelfälschungen und Arzneimitteldiebstählen, die Arzneimittel aus seinem Zuständigkeitsbereich betreffen und die seit der letzten Routinesitzung bekannt geworden sind, vor. Das BfArM berichtet über die aktuellen Fälle von Arzneimittelfälschungen und Diebstählen aus seinem Zuständigkeitsbereich.

TOP 5 Organisatorisches

  1. Sachstand zur möglicherweise künftigen Verteilung von Rote-Hand-Briefen und Infobriefen

    Das BfArM erläutert, dass Rote-Hand-Briefe und Infobriefe künftig in einem ersten Schritt auf elektronischem Weg an die Krankenhausapotheken übermittelt werden sollen. Von Seiten der Obersten Landesüberwachungsbehörden wird darum gebeten, auch die krankenhausversorgenden Apotheken einzubeziehen.

TOP 6 Verschiedenes

  1. Erläuterungen zu den funktionalen Mailboxen des BfArM und des PEI im Bereich Pharmakovigilanz

    Auf Anregung einer Obersten Landesüberwachungsbehörde haben das PEI und das BfArM ihre funktionalen Mailboxen im Bereich der Pharmakovigilanz einschließlich Erläuterungen zusammengestellt. Sie wurden den Sitzungsteilnehmern als Tischvorlage ausgehändigt und vorab elektronisch an die benannten E-Mail-Adressen versandt.
  2. Information zum Questionnaire der BOB bezüglich der Pharmakovigilanzinspektionen

    Das BfArM informiert, dass es in Abstimmung mit dem PEI einen Fragebogen entworfen hat, der sich auf der Grundlage des § 62 Abs. 6 AMG an sämtliche pharmazeutische Unternehmer mit Zulassungen/Registrierungen richtet. Das zweisprachige Questionnaire zu risikobasierten Pharmakovigilanzinspektionen soll bei der nationalen Inspektionsplanung Prioritäten erkennbar machen, die Überwachungstätigkeiten bei Pharmakovigilanzinspektionen optimieren und einen objektivierbaren, risikobasierten Ansatz verfolgen. Neben den Kriterien des „Good Pharmacovigilance Practice“ - GVP - Moduls III für einen risikobasierten Ansatz (B1.2– „Pharmacovigilance inspections“), deren Umsetzung von den EU-Behörden erwartet wird, wurden auch nationale Besonderheiten berücksichtigt.
    Nachdem der Fragebogen mit den Verbänden der pharmazeutischen Industrie hinsichtlich Verständlichkeit abgestimmt ist, wird er den Obersten Landesüberwachungsbehörden zur Kenntnis übermittelt werden.


  3. Termine nächste Routinesitzungen

    Die nächsten beiden Routinesitzungen sind für Dienstag, den 31. März 2020 und sowie für Dienstag, der 17. November 2020 geplant.


Der Vorsitzende

Anlagen