BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Ergebnisprotokoll zur 93. Routinesitzung nach § 63 AMG am 21. November 2023 (Online-Veranstaltung)

TOP 1 Vor Eintritt in die Tagesordnung

Nach der Begrüßung zur Sitzung (Online-Veranstaltung) wird die Tagesordnung in der vorliegenden und vorab elektronisch übermittelten Form von den Teilnehmenden angenommen.

TOP 2 Information zu Risikobewertungen

Europäische Risikobewertungsverfahren

  1. Nitrosaminverunreinigungen; Verfahren nach Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 726/2004 - hier: Neue Informationen zum Verfahren

    Das BfArM stellte neue Informationen zum Verfahren nach Art. 5(3) der Verordung (EG) Nr. 726/2004 hinsichtlich der Leitlinien zur Minimierung von Nitrosaminverunreinigungen in Arzneimitteln vor.

    Hintergrund des Verfahrens ist, dass im Jahr 2018 in einigen Chargen verschiedener Arzneimittel geringe Mengen an Verunreinigungen mit Nitrosaminen (u.a. N-Nitrosodimethylamin – NDMA, N-Nitrosodiethylamin – NDEA) entdeckt wurden. Diese wurden als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft.

    Weitergehende Informationen hierzu wurden auch auf der 85. Routinesitzung am 19. November 2019 präsentiert.

    Ergebnisprotokoll der 85. Routinesitzung nach § 63 AMG am 19. November 2019

    Im Juli 2020 wurde das Verfahren nach Art. 5(3) der VO (EG) Nr. 726/2004 mit einer Stellungnahme des CHMP abgeschlossen. Gemäß dieser Stellungnahme wurden die Firmen aufgefordert Maßnahmen zu ergreifen, um das Vorhandensein von Nitrosaminen in Humanarzneimitteln so weit wie möglich zu begrenzen und sicherzustellen, dass der Gehalt dieser Verunreinigungen die EU-weit gültigen Grenzwerte nicht überschreitet. Zur Umsetzung dieser Maßnahmen gibt es Q&A-Dokumente von EMA und CMDh und es wurde auch auf der BfArM Seite hierzu publiziert.



    Bisher musste zur Ermittlung der Grenzwerte der Nitrosamine die Non-clinical Working Party bzw. deren Untergruppe, die NSOEG (Nitrosamine Safety Operational Expert Group) einberufen werden. Dieses Vorgehen war sehr zeitintensiv und stagnierte auch auf Behördenseite, weil sich die Festlegung von Grenzwerten schwierig gestaltete.

    Seit Juli 2023 gibt es die folgenden neuen Vorgehensweisen zur Festlegung von Nitrosamin-Grenzwerten (AI). Der „Carcinogenic Potency Categorisation Approach“ (CPCA) und der „Enhanced Ames Test“ (EAT) werden angewendet, um die zulässige Aufnahmemenge (AI) für Nitrosamine festzulegen. Mit diesen beiden Methoden, in deren Entwicklung auch die NSOEG einbezogen wurde, kann man nun wesentlich einfacher die Grenzwerte für die Nitrosamine festlegen. Diese Vorgehensweisen wurden mit internationalen Partnern in der NITWG (Nitrosamine International Working Group) entwickelt und sie können nun für alle Nitrosamine verwendet werden, sowohl für kleinere als auch größere Moleküle. Bereits etablierte AI s wurden oder werden von der NSOEG noch überprüft, um zu entscheiden, ob eine Neubewertung erforderlich ist.

    Auf diese Vorgehensweisen haben sich der CHMP und die CMDh auf den Plenarsitzungen im Juni bzw. Juli 2023 geeinigt. Die geänderten Q&A-Dokumente wurden durch den CHMP und die CMDh im schriftlichen Verfahren am 7. Juli 2023 angenommen.



    Nachfolgend werden die beiden neuen Vorgehensweisen näher erläutert.

    Beim CPCA handelt es sich um einen neuen wissenschaftlich fundierten Ansatz zur schnelleren Bestimmung bzw. Ermittlung von AIs. Dabei werden bekannte Nitrosamine mit Karzinogenitätsdaten in 5 Wirkungskategorien unterteilt. Die AIs werden anhand vereinbarter Algorithmen festgelegt, so dass keine ausführlichen internen und mit internationalen Partnern durchgeführten Bewertungen und Diskussionen mehr erforderlich sind. Nur wenn der Antragsteller/Zulassungsinhaber die AI-Kategorie nicht erfüllen kann, müssen zusätzliche Daten eingereicht und bewertet werden. Alle Nitrosamine, die seit langer Zeit auf die Festlegung von AIs warteten (ca. 50), wurden von der NSOEG nach den abgestimmten Vorgehensweisen kategorisiert und sind im Annex I der aktuellen Fassung der Q&A berücksichtigt.



    Da der Standard-Ames-Test für Nitrosaminverunreinigungen nicht empfindlich genug ist, war in der Vergangenheit ein negativer Ames-Test nicht ausreichend, um regulatorische Entscheidungen zu unterstützen. Daher wurde ein überarbeitetes Ames-Testprotokoll mit speziell für Nitrosamine angepassten Bedingungen entwickelt. Dieser weiterentwickelte (enhanced) Ames-Test wird nun als ausreichend aussagekräftig erachtet, um als Basis für regulatorische Entscheidungen verwendet zu werden. Ein negatives Ergebnis dieses überarbeiteten (enhanced) Ames-Tests ermöglicht nun eine langfristige Kontrolle von Nitrosaminen bei 1,5 µg/Tag. Das Protokoll hierzu wurde mit internationalen Partnern entwickelt und das überarbeitete Protokoll wurde als Anhang zu Q&A 10 der EMA gleichzeitig mit dem neuen Kategorisierungsansatz (CPCA) publiziert.



    Konkret bedeutet die neue Vorgehensweise in der Praxis, dass der Zulassungsinhaber oder der Antragsteller von Zulassungsanträgen den AI anhand der CPCA ermitteln soll, sofern keine verbindungsspezifischen Daten verfügbar sind. Wenn die ermittelten Nitrosaminwerte kleiner als der AI sind, kann der AI aus der CPCA in der Spezifikation verwendet werden. Wenn die ermittelten Werte < 10% vom publizierten AI sind, besteht keine Notwendigkeit, ein Limit in die Spezifikation aufzunehmen.

    Sofern die Nitrosaminwerte den AI übersteigen und ein negativer EAT vorliegt, ist eine Kontrolle mit 1,5 µg/Tag erlaubt.

    Wenn der Nitrosaminwert über dem AI liegt und ein positiver EAT vorliegt, kann der Surrogat-Ansatz (Read-Cross) angewendet werden. Entsprechende Daten müssen dafür vorgelegt werden. Bei Wirkstoffen, deren Nitrosaminwerte über 1,5 µg/Tag liegen und für die eine negative in-vivo-Mutagenitätsstudie vorliegt, kann eine Kontrolle als nicht mutagene Verunreinigung (class 5 in ICH M7) erlaubt sein, somit wären dann auch Nitrosaminwerte > 1,5 µg/Tag möglich.

    CPCA und EAT werden in erster Linie direkt von der Behörde geprüft, bei denen der Zulassungsinhaber die Ergebnisse dieser Tests eingereicht hat. Die NSOEG überprüft die vorgelegten Daten ebenfalls, allerdings ermittelt die NSOEG diese Werte nicht mehr selber. Wenn jedoch eine in-vivo-Mutagenitätsstudie oder ein Surrogat-Read-Across-Ansatz vorgelegt werden, erfolgt die Bewertung über die Non-clinical Working Party und die NSOEG.

    Um die beschriebenen Neuerungen abzubilden wurden folgende EU-Guidance-Dokumente überarbeitet:

    • Q&A 10 des EMA/CMDh-Dokumentes „Questions and answers for marketing authorisation holders/applicants on the CHMP Opinion for the Article 5(3) of Regulation (EC) No 726/2004 referral on nitrosamine impurities in human medicinal products “ einschließlich Appendix 1 und Annex 2 (Establishment of the AIs).
    • Im Annex 2 ist in einem Fließdiagramm dargestellt, wie man die Substanzen den Kategorien zuordnet und es wird erläutert, welche Kategorien es für die Nitrosamine gibt. Im Appendix 1 findet sich eine Liste aller bekannten AIs einschließlich deren Quelle, der Einstufung in die entsprechende CPCA Kategorie und der Grenzwerte. Fast alle dieser AIs wurden parallel zu den Q&A-Dokumenten im Juli überarbeitet und publiziert.
    • Q&A 22 des EMA/CMDh-Dokumentes “Questions and answers for marketing authorisation holders/applicants on the CHMP Opinion for the Article 5(3) of Regulation (EC) No 726/2004 referral on nitrosamine impurities in human medicinal products” (Less than Lifetime-LTL Approach). Hervorzuheben ist, dass der LTL Approach weiterhin nur für zugelassene Arzneimittel anzuwenden ist. Es ist weiterhin in der Diskussion, ob dieser auch für laufende Verfahren angewendet werden darf. Der LTL-Approach ist jedoch überarbeitet worden, so ist er nun auch für Arzneimittel mit einer Anwendungsdauer von mehr als 10 Jahren anwendbar. Allerdings darf durch Anwendung des LTL-Approachs bis zur Kategorie 4 die Höchstgrenze von 1,5 µg/Tag nicht überschritten werden. Bei Kategorie 5, bei der eine metabolische Aktivierung nicht zu erwarten ist, darf mit Anwendung des LTL-Approachs der Grenzwert von 1,5 µg/Tag auch überschritten werden.
    • Step 2 Template for the notification of step 2 confirmatory testing outcome: confirmation of nitrosamine detected.
    • Der t-AI von 18 ng/Tag wurde gestrichen, da durch die neu aufgenommenen Vorgehensweisen wie z.B. CPCA, EAT, in-vivo Mutagenitätsstudie und Read-Across-Ansatz die zeitliche Verzögerung bei der Bestimmung des AI nicht mehr gegeben ist. Die Zulassungsinhaber wurden aufgefordert, die Testergebnisse im neuen Format des Templates einzureichen.
    • Q&A 1.6 des CMDh-Dokumentes “CMDh practical guidance for Marketing Authorisation Holders of nationally authorised products (incl. MRP/DCP) in relation to the Art. 5(3) Referral on Nitrosamines”. Da der AI nun relativ schnell bestimmt werden kann, sieht die CMDh es nicht mehr als erforderlich an, laufende Zulassungsverfahren wegen fehlender Daten zu den Nitrosaminen im Clock-Stop aufzuhalten. Das bedeutet jedoch auch, dass eine Zulassung am Ende des Verfahrens wegen fehlender Daten zu den Nitrosaminen versagt werden kann.

    Die nachfolgend beschriebenen Schritte stehen noch an.

    Die Berechnung der AIs durch die NSOEG ist größtenteils abgeschlossen, der Read-Across-Ansatz bzw. die in-vivo-Mutagenitätsstudien werden jedoch weiterhin durch die NSOEG bewertet.

    Die FDA-Liste mit ca. 200 Nitrosamin-AIs wurde publiziert. Eine Bezugnahme für die EU ist prinzipiell möglich, muss aber über die NSOEG bestätigt werden.

    Die Behörden prüfen nun die Step 2-Ergebnisse aus dem „Confirmatory Testing“ und gleichen diese mit den publizierten AIs ab.

    Alle Verfahren aus dem Clock-Stop werden weitergeführt und bewertet.

    Es gibt weitere Diskussionen in der NIOG (Nitrosamine Implementation Oversight Group) und internationalen Gruppen, ob der LTL-Approach auf laufende Verfahren angewendet werden kann. Wenn dies möglich sein sollte, ist die Umsetzung der Spezifikationen noch zu klären.

    Offene Fragen, auch der Industrie, können weiterhin an die NIOG gerichtet werden oder in der NIOG-IP (Nitrosamine Implementation Oversight Group Interested Party) diskutiert werden.

    Weitergehende Informationen finden sich hier:







  2. Topiramat; Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG – weitere Anwendungsbeschränkungen; Einführung eines Schwangerschaftsverhütungsprogramms

    Das BfArM berichtet über den Abschluss des Risikobewertungsverfahrens nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG zu Risiken bei der Anwendung topiramathaltiger Arzneimittel in der Schwangerschaft. Deutschland war in diesem Verfahren Co-Rapporteur und Schweden war Rapporteur.

    In Deutschland sind topiramathaltige Arzneimittel als Mono- und Zusatztherapie der Epilepsie und zur Prophylaxe von Migräne-Kopfschmerzen zugelassen. In anderen EU-Ländern sind sie seit 2021 auch als Fixkombination mit Phentermin zur Gewichtsreduktion zugelassen.

    In Deutschland sind von diesem Verfahren ca. 57 Zulassungen von ca. 12 verschiedenen Zulassungsinhabern betroffen. Hierbei handelt es sich um nationale Zulassungen oder Zulassungen aus gegenseitigen Anerkennungsverfahren. Derzeit liegen keine Zulassungsanträge vor.

    Für Topiramat ist bereits ein erhöhtes Risiko für angeborene Fehlbildungen bekannt. Die Prävalenz beträgt 4,3 % im Vergleich zu 1,4 % bei einer Referenzgruppe, die keine Antiepileptika eingenommen hat. Es treten v.a. Lippen- und Gaumenspalten, Hypospadien und Anomalien in verschiedenen Körpersystemen auf. Die Anwendung zur Migräneprophylaxe und Gewichtsreduktion in der Schwangerschaft ist daher bereits kontraindiziert.

    Auslöser für dieses Referral war eine im Frühjahr 2022 von Bjørk et al. publizierte Studie.
    Bei dieser Studie handelt es sich um eine große bevölkerungsbasierte Beobachtungsstudie aus mehreren nordeuropäischen Ländern (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden), die Daten aus den Jahren 1996 bis 2007 ausgewertet hat. Sie umfasste 4,5 Millionen Mutter-Kind-Paare, von denen fast 25.000 Kinder in utero mindestens einem Antiepileptikum ausgesetzt waren. Die Kinder wurden bis zu ihrem achten Lebensjahr beobachtet. Von diesen Kindern waren 471 Kinder dem Antiepileptikum Topiramat ausgesetzt. Davon hatten 246 Mütter Epilepsie. In dieser Subpopulation von 246 Kindern zeigte sich ein erhöhtes Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen mit einem adjustierten Hazard-Ratio (aHR) von 2,77 sowie ein erhöhtes Risiko für geistige Behinderungen mit einem aHR von 3,47.

    Während des laufenden Risikobewertungsverfahrens wurden weitere Studien publiziert. So wurde im Frühjahr 2023 die Studie von Dreier et al. veröffentlicht. Der Datensatz dieser Studie ist weitgehend identisch mit dem der Studie von Bjørk et al., allerdings sind die Expositionsdefinitionen leicht unterschiedlich und es wurden andere Endpunkte definiert. Dadurch erklärt sich auch die unterschiedliche Zahl der topiramatexponierten Kinder. Bei dieser Studie betrug die Anzahl der topiramatexponierten Kinder, deren Mütter Epilepsie hatten, 290. Auch hier zeigte sich ein erhöhtes Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen, das adjustierte Hazard-Ratio lag bei 1,93. Dieses war jedoch nicht signifikant erhöht. Allerdings war das Risiko an einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zu erkranken in dieser Studie signifikant erhöht, das adjustierte Hazard-Risiko betrug 2,38.

    Darüber hinaus wurde eine US-amerikanische Studie von Hernandez-Diaz et al (2022) zu neurologischen Entwicklungsstörungen nach Anwendung von Topiramat in der Schwangerschaft durchgeführt. Diese Studie ist noch nicht publiziert, wurde aber im August 2022 auf einer internationalen Konferenz für Pharmakoepidemiologie in Kopenhagen vorgestellt (ICPE 2022). Zunächst lag von dieser Studie nur die Zusammenfassung vor. Die Studienautorin hat weitergehende Informationen zur Verfügung gestellt und die Ergebnisse in einer PRAC-Sitzung präsentiert, sodass die Ergebnisse dieser Studie mit in die Bewertung einbezogen werden konnten. Es handelt sich bei dieser Studie um eine große, bevölkerungsbasierte Kohortenstudie aus zwei Datenbanken (MarketScan mit 1,8 Millionen Schwangerschaften im Zeitraum 2003-2020 und Medicaid mit 2,5 Millionen Schwangerschaften im Zeitraum 2008-2018). Auch die in dieser Studie eingeschlossenen Kinder wurden bis zu ihrem achten Lebensjahr beobachtet. Bei 1030 topiramatexponierten Kindern, deren Mütter Epilepsie hatten, zeigte sich jedoch kein erhöhtes Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen, geistige Behinderung oder eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS).

    Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zwei von drei Studien für Topiramat ein zwei- bis dreifach höheres Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen, insbesondere Autismus-Spektrum-Störungen, geistige Behinderung und ADHS, zeigten.

    Im laufenden Risikobewertungsverfahren wurde die Berücksichtigung neuer Daten zum Risiko schwerer angeborener Fehlbildungen als wichtig erachtet. Hierzu gab es eine neue Studie von Cohen et al. aus dem Jahr 2023. Es handelt sich um eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie aus den nordeuropäischen Ländern (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden), bei der die Sicherheit verschiedener Antiepileptika in der Schwangerschaft im Hinblick auf das Risiko schwerer angeborener Fehlbildungen (2004-2020) untersucht wurde. In die Analyse wurden 509 topiramatexponierte Schwangerschaften einbezogen. Das bekannte, ca. 3-fach erhöhte teratogene Risiko wurde in dieser Studie bestätigt. Allerdings waren die absoluten Zahlen erhöht. In der Referenzgruppe lag die Prävalenz bei 3 %, was der in Europa bekannten Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung entspricht. Die Prävalenz schwerer angeborener Fehlbildung bei den topiramatexponierten Schwangerschaften betrug 9 % und lag damit höher als die derzeit in den Produktinformationen angegebene Prävalenz (4,3 %).

    Eine Aktualisierung der Produktinformationen mit dem neuen absoluten Risiko angeborener Fehlbildungen wurde daher als notwendig angesehen.

    Der PRAC hat als Ergebnis des Risikobewertungsverfahrens folgende Empfehlungen abgegeben, die die CMDh einstimmig angenommen hat.
    Ein Schwangerschaftsverhütungsprogramm mit den nachfolgend aufgeführten Maßnahmen wird eingeführt.

    • Es werden umfangreiche Änderungen der Fach- und Gebrauchsinformation vorgenommen und insbesondere für die Behandlung von Epilepsie gelten neue Kontraindikationen. Die Anwendung topiramathaltiger Arzneimittel in der Schwangerschaft ist daher nun kontraindiziert, es sei denn, es gibt keine geeignete alternative Behandlung. Ferner ist die Anwendung topiramathaltiger Arzneimittel nun kontraindiziert bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine hochwirksame Empfängnisverhütung anwenden. Die einzige Ausnahme ist eine Frau, für die es keine geeignete Alternative gibt, die aber eine Schwangerschaft plant und die umfassend über die Risiken der Einnahme von Topiramat während der Schwangerschaft informiert worden ist.
    • Es werden zusätzliche Risikominimierungsmaßnahmen (RMMs) eingeführt. Hierzu gehören:

      • der Versand eines Rote-Hand-Briefs,
      • umfangreiches Schulungsmaterial für Ärzte und Patientinnen, welches über das teratogene Risiko und das potenzielle Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen informiert
      • und definierte Warnhinweise auf der äußeren Umhüllung.

      Das umfangreiche Schulungsmaterial für Ärzte und Ärztinnen und Patientinnen umfasst einen Leitfaden für Ärzte und Ärztinnen einschließlich eines Formulars zur Bestätigung der Risikoaufklärung für Ärzte und Patientinnen, einen Leitfaden für Patientinnen, Eltern und Betreuungspersonen sowie eine Patientenkarte an der Verpackung.

    • Die Zulassungsinhaber müssen innerhalb von 6 Monaten nach der CMDh-Position einen Risiko-Management-Plan bzw. einen geänderten Risiko-Management-Plan bei den zuständigen nationalen Behörden einreichen.
    • Darüber hinaus wurden Studien zur Effektivitätsmessung beauflagt. Hierzu gehören:

      • eine Arzneimittelanwendungsstudie zur Überprüfung der Effektivität der Risikominimierungsmaßnahmen zur Verhütung von Schwangerschaften und zur weiteren Charakterisierung des Verschreibungsverhaltens von Topiramat,
      • eine Umfrage bei Angehörigen der Heilberufe zur Bewertung ihrer Kenntnisse und ihres Verhaltens in Bezug auf die Maßnahmen zur Verhütung von Schwangerschaften sowie zum Erhalt/Nutzung des Rote-Hand-Briefes und des Schulungsmaterials und
      • eine Umfrage bei Patientinnen, um das Wissen über die Risiken der Einnahme von Topiramat während der Schwangerschaft und die zur Schwangerschaftsverhütung ergriffenen Maßnahmen sowie den Erhalt/Nutzung des Schulungsmaterials zu bewerten.

      Die zugehörigen Studienprotokolle sind innerhalb von 6 Monaten nach der CMDh-Position einzureichen.


    Da die CMDh die PRAC-Empfehlungen einstimmig im Oktober 2023 umgesetzt hat, wird die CMDh-Position direkt von den Mitgliedsstaaten umgesetzt. Der entsprechende Rote-Hand-Brief wurde am 02. November 2023 verschickt. Ferner wird das BfArM im November 2023 einen Bescheid an die betroffenen Zulassungsinhaber versenden.

    Weitergehende Informationen finden sich hier:



    In der Sitzung wurde gefragt, bis wann die Patientenkarte der Packung beiliegt und wie in der Übergangszeit vorgegangen werden soll. Die Implementierung der Patientenkarte soll innerhalb von 6 Monaten nach der CMDh-Position erfolgen. Für die Übergangszeit wurden zusammen mit dem Rote-Hand-Brief Patientenkarten verteilt, so dass der Arzt bzw. die Ärztin die Patientenkarte bis zu deren Implementierung der Patientin/den Patientinnen aushändigen kann.

  3. Synapse Labs Pvt. Ltd.; Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG - Überprüfung von Arzneimitteln, für die Studien von Synapse Labs Pvt. Ltd., einem Auftragsforschungsinstitut (CRO) mit Sitz in Kharadi, Indien, durchgeführt wurden

    Das BfArM berichtet über das Verfahren nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG zur Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Arzneimitteln, die auf Grundlage von Studien zugelassen wurden, die an Standorten der Firma Synapse Labs Pvt. Ltd. durchgeführt wurden.

    Bei der Firma Synapse Labs Pvt. Ltd. handelt es sich um ein Auftragsforschungsinstitut (CRO) mit Sitz in Kharadi, Indien. Die spanische Arzneimittelzulassungsbehörde (AEMPS) hat im Rahmen einer Inspektion zur Guten Klinischen Praxis (GCP) bei der Firma Synapse Labs Pvt. Ltd. Mängel festgestellt, die ernsthafte Zweifel an der Validität und Glaubwürdigkeit der bei Synapse Labs Pvt. Ltd. generierten Studiendaten aufkommen lassen. Daraufhin hat die spanische Arzneimittelzulassungsbehörde den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA ersucht, die Auswirkungen auf den Nutzen und die Risiken von Arzneimitteln zu untersuchen, die auf der Grundlage von Studien zugelassen wurden, die an Standorten von Synapse Labs Pvt. Ltd. durchgeführt wurden. Darüber hinaus wurde der CHMP gebeten, die Auswirkungen auf Arzneimittel zu untersuchen, die sich derzeit in Zulassungsverfahren befinden und bei denen Studiendaten von Synapse Labs Pvt. Ltd. verwendet wurden.

    Das Verfahren wurde im Juli 2023 gestartet und alle verfügbaren Daten werden geprüft, um festzustellen, ob Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich sind. In diesem Zusammenhang wurde eine Fragenliste an die Zulassungsinhaber versendet. Die Antworten hierzu haben die Zulassungsinhaber im September 2023 eingereicht. Für den 24.11.2023 werden die ersten Bewertungsberichte der Rapporteure (Spanien und Deutschland) erwartet und können von den Mitgliedstaaten bis zum 01.12.2023 kommentiert werden. Die daraufhin aktualisierten Bewertungsberichte der Rapporteure sind für den 07.12.2023 angekündigt. In der Dezembersitzung des CHMP steht das Verfahren auf der Tagesordnung und es werden entweder weitere Fragen an die Zulassungsinhaber versendet oder der CHMP gibt eine Stellungnahme ab.

    Von diesem Verfahren sind in Deutschland ca. 100 generische Arzneimittel mit diversen Wirkstoffen von ca. 18 Zulassungsinhabern betroffen, die national oder im Rahmen von gegenseitigen Anerkennungsverfahren zugelassen worden sind. Außerdem sind ca. 71 Zulassungsanträge mit diversen Wirkstoffen von 15 verschiedenen Antragsstellern betroffen.

    Weitergehende Informationen finden sich hier:



  4. Mysimba; neues Verfahren nach Art. 20 der VO (EG) Nr. 726/2004 – potenziell erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei Langzeitanwendung

    Das BfArM berichtet über das Risikobewertungsverfahren nach Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 wegen des potenziell erhöhten kardiovaskulären Risikos bei Langzeitanwendung.

    Das seit dem 26.03.2015 zentral zugelassene Arzneimittel enthält die Wirkstoffkombination Naltrexon/Bupropion. Es ist zugelassen in Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Diät und verstärkter körperlicher Bewegung zum Gewichtsmanagement bei Erwachsenen (≥ 18 Jahre) mit Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2) oder Übergewicht (BMI ≥ 27 kg/m2 bis < 30 kg/m2) und mindestens einer gewichtsbezogenen Begleiterkrankung (z. B. Typ-2-Diabetes, Dyslipidämie oder kontrollierte Hypertonie). Wenn das Ausgangsgewicht der Patienten nach einer 16-wöchigen Behandlung mit Mysimba nicht um mindestens 5% reduziert werden kann, soll Mysimba abgesetzt werden.

    Das Risikobewertungsverfahren wurde wegen Sicherheitsbedenken hinsichtlich des potenziell erhöhten kardiovaskulären Risikos bei Langzeitanwendung und dessen Auswirkungen auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneimittels gestartet. Bereits zum Zeitpunkt der Zulassung von Mysimba gab es Bedenken hinsichtlich der langfristigen Auswirkungen von Mysimba auf das kardiovaskuläre System. Zwei Studien zur Bewertung der kardiovaskulären Risiken dieses Arzneimittels wurden vorzeitig abgebrochen, so dass eine dritte Studie erforderlich wurde, um die Voraussetzungen für die Zulassung zu erfüllen. Das Studiendesign dieser dritten Studie war zum Zeitpunkt der Überprüfung vom CHMP als unzureichend erachtet worden. Auch die vom Zulassungsinhaber vorgeschlagenen Maßnahmen zur Minimierung eines möglichen kardiovaskulären Risikos wurden als unzureichend angesehen. Die Europäische Kommission hat daraufhin das Verfahren zur Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Mysimba gemäß Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 eingeleitet. Das Verfahren wird vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) durchgeführt. Mit Start des Verfahrens im September 2023 wurde eine Fragenliste an den Zulassungsinhaber versendet. Dieser hat seine Antworten hierzu im Oktober 2023 eingereicht. Die Bewertungsberichte der Rapporteure werden im Dezember 2023 vorgelegt und der CHMP wird entweder eine weitere Fragenliste verabschieden oder eine Stellungnahme abgeben.

    Weitergehende Informationen finden sich hier:



  5. Ocaliva; neues Verfahren nach Art. 20 der VO (EG) Nr. 726/2004 – Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses

    Das BfArM berichtet über das Risikobewertungsverfahren nach Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Überprüfung des Nutzen-Risiko-Profils von Ocaliva.

    Ocaliva wurde am 12. Dezember 2016 zentral zugelassen. Es handelt sich um eine bedingte Zulassung. Das Arzneimittel enthält den Wirkstoff Obeticholsäure und ist zur Behandlung der primären biliären Cholangitis (PBC) in Verbindung mit Ursodesoxycholsäure (UDCA) bei Erwachsenen, die unzureichend auf UDCA ansprechen, oder als Monotherapie bei Erwachsenen, die UDCA nicht tolerieren können, zugelassen.

    PBC ist eine Autoimmunerkrankung, die zu einer allmählichen Zerstörung der kleinen Gallengänge in der Leber führt, was zu Leberversagen führen und das Risiko für Leberkrebs erhöhen kann. PBC ist selten und Ocaliva wurde daher am 27. Juli 2010 als Arzneimittel für seltene Erkrankungen (sogenanntes „Orphan Drug“) eingestuft.

    Zum Zeitpunkt der Zulassung wurden von der EMA u.a. zwei Studien beauflagt. Die erste Studie sollte den Nutzen und die Sicherheit von Ocaliva bestätigen und in der zweiten Studie sollte die Sicherheit von Ocaliva bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung untersucht werden. Die Endergebnisse beider Studien wurden überprüft und insbesondere in der ersten Studie konnte in Bezug auf die Zahl der Patienten, deren Krankheit sich verschlimmerte oder die starben, keine Wirksamkeit im Vergleich zum Placebo bewiesen werden. Daraufhin hat die Europäische Kommission beantragt, dass Ocaliva im Rahmen eines Artikel 20-Verfahrens der VO (EG) Nr. 726/2004 überprüft wird. Diese Überprüfung wird nun vom CHMP durchgeführt und es werden in diesem Zusammenhang alle Ergebnisse aus den Studien zusammen mit allen anderen verfügbaren Daten hinsichtlich des Gesamt-Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Ocaliva in die Prüfung einbezogen.

    Der Zeitplan für das Verfahren sieht folgendermaßen aus. Nach dem Start des Verfahrens und dem Versand der Fragenliste an den betroffenen Zulassungsinhaber im Oktober 2023 wird der Zulassungsinhaber im Dezember 2023 die Antworten einreichen. Im Januar 2024 werden die Rapporteure die Bewertungsberichte erstellen und in der Januarsitzung des CHMP werden weitere Fragen an die Zulassungsinhaber formuliert oder der CHMP wird eine Stellungnahme abgeben.

    Weitergehende Informationen finden sich hier:



  6. Kurzinformationen zu hydroxyprogesteronhaltigen Arzneimitteln; Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG - Überprüfung der Sicherheit

    Das BfArM berichtet über das Verfahren zu hydroxyprogesteronhaltigen Arzneimitteln nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG.

    In Deutschland sind seit dem 10.12.2005 keine hydroxyprogesteronhaltigen Arzneimittel mehr zugelassen. In anderen EU-Mitgliedsstaaten (AT, FR, IT) sind diese als Injektionslösung zur intramuskulären Anwendung zugelassen. Sie werden zur Vermeidung von Früh- und Fehlgeburten und auch bei verschiedenen gynäkologischen Störungen eingesetzt, die u.a. durch den Mangel an Progesteron ausgelöst werden.

    Das Referral wurde auf Antrag der französischen Behörde (ANSM) gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG im Mai 2023 anlässlich der Ergebnisse von zwei Studien gestartet. Bei diesen Studien handelt es sich um die Studie von Murphy et al. und die Studie von Blackwell et al.. Bei der Studie von Murphy et al. deuteten die Daten auf ein erhöhtes Krebsrisiko beim Nachwuchs hin, wenn dieser im Mutterleib gegenüber Hydroxyprogesteroncaproat exponiert war. Hierbei war das Risiko vor allem bei einer Exposition im ersten Trimester und bei mehrfacher Injektion erhöht. Bei der Studie von Blackwell et al. hat sich gezeigt, dass Hydroxyprogesteroncaproat nicht wirksamer zu sein scheint als Placebo, wenn es um die Vermeidung von wiederholten Frühgeburten oder von medizinischen Komplikationen bei Neugeborenen aufgrund einer Frühgeburt geht. Basierend auf den Ergebnissen der Studie von Blackwell et al. widerrief die FDA die Zulassung des betroffenen Arzneimittels in den USA.

    Im Mai 2023 wurde eine Fragenliste an die betroffenen Zulassungsinhaber verschickt. Diese haben im August 2023 ihre Antworten eingereicht. Basierend auf den im September 2023 erstellten Bewertungsberichten der Rapporteure hat im September 2023 im PRAC eine Bewertung stattgefunden. Im Ergebnis wurden weitere Fragen an die Zulassungsinhaber versendet. Diese werden im Dezember 2023 ihre Antworten einreichen. Im Januar 2024 werden die nächsten Bewertungsberichte der Rapporteure finalisiert, diese werden dann im Februar 2024 im PRAC bewertet. Im Ergebnis dieser Bewertung werden entweder neue Fragen an die Zulassungsinhaber formuliert oder es wird eine PRAC-Empfehlung an die CMDh geben.

    Weitergehende Informationen finden sich hier:



  7. Kurzinformationen zu pholcodinhaltigen Arzneimitteln; Verfahren nach Art. 107i der RL 2001/83/EG - Risiko von anaphylaktischen Reaktionen

    Das BfArM berichtet über das Verfahren zu pholcodinhaltigen Arzneimitteln nach Artikel 107i der Richtlinie 2001/83/EG.

    Pholcodinhaltige Arzneimittel sind Opioide, die zur Behandlung von unproduktivem (trockenem) Husten bei Erwachsenen und Kindern in den folgenden EU-Mitgliedsstaaten zugelassen sind: BE, HR, FR, IR, LT, LU und SI. In Deutschland gibt es keine pholcodinhaltigen Zulassungen. Das Verfahren ist daher für Deutschland nicht relevant, da Neuzulassungen nicht möglich sind.

    Die Möglichkeit einer Kreuzsensibilisierung gegenüber neuromuskulären Blockern (NMBAs), die in der Allgemeinanästhesie verwendet werden, um spontane Muskelbewegungen zu verhindern und die Operationsbedingungen zu verbessern, wurde in einer PASS-Studie untersucht.

    Die in Frankreich durchgeführte PASS-Studie (ALPHO-Studie) ließ darauf schließen, dass die Einnahme von Pholcodin bis zu 12 Monate vor einer Vollnarkose das Risiko einer NMBA-bedingten anaphylaktischen Reaktion erhöhen kann.

    Basierend auf diesen Studienergebnissen wurde das Risikobewertungsverfahren gemäß Artikel 107i der Richtlinie 2001/83/EG auf Antrag Frankreichs gestartet.

    Das Verfahren wurde im August 2022 notifiziert und im September 2022 gestartet. Der PRAC hat im Dezember 2022 eine Empfehlung abgegeben, die im gleichen Monat von der CMDh angenommen wurde. Die Europäische Kommission hat daraufhin im März 2023 einen für alle Mitgliedsstaaten verbindlichen Durchführungsbeschluss zum Widerruf der Zulassungen erlassen, der für die Mitgliedstaaten mit aktiven Zulassungen relevant ist.

    Weitergehende Informationen finden sich hier:



  8. Kurzinformationen zu pseudoephedrinhaltigen Arzneimitteln; Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG – Sicherheitsüberprüfung im Hinblick auf die Risiken für eine posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom (PRES) und für ein reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom (RCVS)

    Das BfArM berichtet über das Verfahren zu pseudoephedrinhaltigen Arzneimitteln nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG.

    Pseudoephedrinhaltige Arzneimittel sind in Deutschland zur symptomatischen Therapie der allergischen Rhinitis (als Kombinationspräparate mit Antiallergika) sowie zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und der Rhinosinusitis (als Kombinationspräparate mit Schmerzmitteln) zugelassen.

    Auslöser für dieses Risikobewertungsverfahren war ein PSUSA-Verfahren zu Pseudoephedrin/Ibuprofen mit Frankreich als Berichterstatter, bei dem Meldungen zu Spontanfällen von PRES und RCVS analysiert wurden. Die sympathomimetische Wirkung von Pseudoephedrin führt zu einer Verengung der glatten Muskulatur der zerebralen Blutgefäße und damit zu einem möglichen RCVS und weiteren Komplikationen wie ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen.

    Das Risikobewertungsverfahren mit den Berichterstattern Tschechien und Estland wurde im Februar 2023 gestartet.

    In der ersten Bewertungsrunde wurden Informationen zu pseudoephedrinhaltigen Arzneimitteln und zum Risiko von PRES und RCVS gesammelt, um das Nutzen-Risiko-Profil von Pseudoephedrin und die bestehenden Risikominimierungsmaßnahmen zu bewerten. In den folgenden Bewertungsrunden wurde der Stellenwert von Pseudoephedrin eingeschätzt, dazu wurde auch eine Expertengruppe einberufen. Zudem wurden eine Nutzen-Risiko-Analyse für jede einzelne Indikation durchgeführt und weitere risikominimierende Maßnahmen wie die Verschreibungspflicht oder die Begrenzung der Packungsgröße diskutiert. Im September 2023 wurden Änderungen in den Abschnitten 4.3, 4.4 und 4.8 der Fachinformation und weitere mögliche Risikominimierungsmaßnahmen diskutiert. Die letzte Bewertungsrunde im November 2023 finalisierte die Änderungen in den Abschnitten 4.3, 4.4 und 4.8 der Fachinformationen und den entsprechenden Abschnitten der Gebrauchsinformationen. Die Versendung eines Rote-Hand-Briefs wurde ebenfalls erörtert.

    Weitergehende Informationen finden sich hier:



  9. Kurzinformationen zu Hydroxyethylstärke (HES)-haltigen Arzneimitteln; Verfahren nach Art. 107q in Verbindung mit Art. 107p der RL 2001/83/EG - aktuelle Entwicklungen (Suspendierung am 24.11.23?)

    Das BfArM berichtet über aktuelle Entwicklungen zu HES-haltigen Arzneimitteln in Zusammenhang mit den Verfahren nach Art. 107q in Verbindung mit Art. 107p der Richtlinie 2001/83/EG.

    Hintergrund der aktuellen Entwicklungen zu HES-haltigen Arzneimitteln ist die Auswertung der Ergebnisse einer Studie zur Arzneimittelanwendung (DUS). Diese Studie diente der Überprüfung der im Rahmen eines 2018 abgeschlossenen Risikobewertungsverfahrens nach Artikel 107i der RL 2001/83/EG eingeführten zusätzlichen Risikominimierungsmaßnahmen (aRMM). Hierzu gehörte u.a. die Einführung eines kontrollierten Abgabesystems mit regelmäßig wiederholten Pflichtschulungen. Das Ergebnis dieser Studie zeigte ein unterschiedlich hohes Maß an Non-Compliance mit den aRMMs einschließlich der Nichteinhaltung von Kontraindikationen und der eingeschränkten Anwendungsgebiete. Für Deutschland zeigten die Ergebnisse der Studie die geringste Non-Compliance. Der PRAC und die CMDh sahen seinerzeit keine Möglichkeit einer effizienten Minimierung der schwerwiegenden Risiken, denen bestimmte Patientengruppen weiterhin ausgesetzt sind. Daraufhin hat die Europäische Kommission am 24.05.2022 entschieden, dass HES-haltige Zulassungen ruhen. Gemäß Anlage III der Kommissionsentscheidung können die MAH s das Aufheben des Ruhens beantragen. Dafür müssen sie belastbare wissenschaftliche Nachweise vorlegen, die ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis in einer oder mehreren klinisch relevanten Patientenpopulationen belegen, zusammen mit einer Reihe von Maßnahmen zur Risikominimierung, die Patienten mit einem erhöhten Risiko einer ernsthaften Schädigung ausreichend vor einer Exposition gegenüber HES-haltigen Infusionslösungen schützen können.

    Außerdem wurde den Mitgliedsstaaten im Rahmen der Entscheidung der Europäischen Kommission eingeräumt, von einer 18-monatigen Übergangsregelung zur Umsetzung der Ruhensanordnung Gebrauch zu machen. Deutschland und wenige andere Länder haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und Deutschland hat dies in seinem Bescheid vom 21.06.2022 umgesetzt. Das Ruhen der Zulassungen in Deutschland wurde somit um 18 Monate aufgeschoben. Das bedeutet, dass die betroffenen Zulassungen in Deutschland während dieser Übergangsvorschrift weiter fortgelten und somit verkehrsfähig sind, sofern die 2018 angeordneten und seit dem 17.04.2019 bestehenden Risikominimierungsmaßnahmen weiterhin vollumfänglich eingehalten werden. Davon sind in Deutschland 8 Zulassungen und 2 Zulassungsinhaber (Fresenius Kabi Deutschland und B. Braun Melsungen) betroffen. Mit Ablauf des 23.11.2023 läuft diese Übergangsvorschrift aus.

    Aktuell stellt sich die Situation der beiden betroffenen Zulassungsinhaber folgendermaßen dar:

    B. Braun Melsungen hat auf alle Zulassungen in der EU und Fresenius Kabi auf alle Zulassungen außer denen in DE, HU, PL und RO verzichtet.

    Die Firma Fresenius Kabi hat im Rahmen von zwei Variations entsprechende Daten vorgelegt, die ein Aufheben des Ruhens begründen sollen. In Deutschland wurden die Variations für folgende Zulassungen eingereicht:

    • Volulyte 6% Infusionslösung (inkl. Dublette)
    • Voluven 6% Infusionslösung (inkl. Dublette)
    • Voluven Fresenius 6% Infusionslösung
    • Voluven 10% Infusionslösung

    Bei der ersten Variation handelt es sich um die Abschlussberichte von zwei PAES (Post Authorisation Efficacy Studies), die im Jahr 2013 beauflagt wurden (PHOENICS- und TETHYS-Studie). Diese sollen ein positives Nutzen-Risiko-Profil in den zugelassenen Patientenpopulationen bestätigen. Im Rahmen der zweiten Variation wurde ein aktualisierter RMP mit folgenden neuen Risikominimierungsmaßnahmen, die die bereits vorhandenen Risikominimierungsmaßnahmen verstärken und im Wesentlichen in Einklang mit den bereits 2022 gegenüber dem PRAC vorgeschlagenen Maßnahmen sind, vorgelegt.

    Diese Maßnahmen umfassen:

    • eine Aktualisierung der Produktinformation: Informationen zur Anwendung von HES-haltigen Arzneimitteln im Rahmen von Kaiserschnitten werden gestrichen.
    • eine Verschärfung des Programms für den kontrollierten Zugang zu HES-haltigen Arzneimitteln. In diesem Zusammenhang wird u.a. Schulungsmaterial und das Bestätigungsschreiben der Leitung der entsprechenden Abteilung des Krankenhauses angepasst. Darüber hinaus wird ein Bestätigungsschreiben für die liefernden Apotheken, eine quartalsweise Abstimmung mit dem Großhandel für Länder ohne Direktlieferungen (nicht in Deutschland) und ein verpflichtendes jährliches Training mit Erfolgskontrolle eingeführt.
    • Versendung eines RHB. Der RHB informiert über die geänderten Maßnahmen und erinnert an die Einhaltung der Risikominimierungsmaßnahmen.


    Die Bewertung dieser Variations erfolgte durch das BfArM unter Einbindung des PRAC.
    Der PRAC ist zu dem Schluss gekommen, dass die Bedingungen für die Aufhebung des Ruhens durch die vorgelegten Variations nicht erfüllt sind, da die PHOENICS Studie im Vergleich zu kristalloiden Lösungen ein geringeres Potential zur Volumeneinsparung zeigte als ursprünglich angenommen und sich keine relevanten klinischen Vorteile (verringerte Mortalität etc.) zeigten. Darüber hinaus wurde im Rahmen dieser Studie nur 50% der maximal zugelassenen Dosis als mittlere Dosis eingesetzt und es wurden keine weiteren Risikominimierungsmaßnahmen gegenüber den ursprünglich dem PRAC vorgestellten Maßnahmen, die als nicht effektiv erachtet wurden, vorgeschlagen.

    Deutschland war Reference Member State in der Bewertung der beiden Variations und ist zu einem abweichenden Ergebnis in der Bewertung gekommen. Basierend auf den eingereichten Unterlagen ist Deutschland zum Ergebnis gekommen, dass die Ergebnisse der Studien PHOENICS und TETHYS eine Nicht-Unterlegenheit von HES gegenüber kristalloiden Lösungen gezeigt haben und somit die Last Line-Indikation von HES bestehen bleibt. Bei der PHOENICS-Studie wurde die gesamte Dosis-Range angewendet, so wurde z.B. bei 25% der Patienten eine Dosis von mehr als 78,9% der Maximaldosis angewendet. Auch hat sich gezeigt, dass die bisherigen Risikominimierungsmaßnahmen, die in Deutschland auch eine jährliche Re-Akkreditierung umfassen, in Deutschland sehr effektiv waren. Die vorgeschlagenen Verschärfungen der Risikominimierungsmaßnahmen werden in den verbleibenden Ländern mit Zulassungen als wirksam erachtet. Basierend auf den eingereichten Daten, den definierten Änderungen in der Produktinformation und dem aktualisierten Programm für den kontrollierten Zugang empfiehlt Deutschland als RMS, das Ruhen aufzuheben.

    Aus regulatorischer Sicht wurden die beiden Variations der Firma Fresenius Kabi am 03. November und am 05. November 2023 positiv abgeschlossen. Demzufolge sind die 6 betroffenen Zulassungen der Firma Fresenius Kabi nach dem 23. November 2023 weiterhin verkehrsfähig, da die Bedingungen zum Aufheben des Ruhens gemäß der Kommissionsentscheidung vom 24. Mai 2022 erfüllt sind. Das BfArM hat die Firma Fresenius Kabi am 17.11.2023 mit einem formlosen Schreiben über die weitere Verkehrsfähigkeit ihrer Zulassungen informiert. Für diese Zulassungen wird somit das Ruhen nicht angeordnet werden und sie sind unter Einhaltung der neuen Risikominimierungsmaßnahmen auch nach dem 24. November 2023 weiterhin verkehrsfähig. Die Firma Fresenius Kabi hat die Fachkreise am 21. November 2023 mittels eines Rote-Hand-Briefs über die neuen Risikominimierungsmaßnahmen informiert.

    Die Firma B. Braun hat auf zwei HES-haltige Zulassungen verzichtet, so dass hierfür ein Ruhen nicht mehr angeordnet werden kann. Für diese Zulassungen wurde zudem am 8. November 2023 ein Feststellungsbescheid versendet, um die weitere Verkehrsfähigkeit und somit den Abverkauf zu unterbinden. Eine weitere Zulassung ist wegen Ablauf der Sunset-Clause-Regelung erloschen und somit auch nicht mehr verkehrsfähig.

    Drei Zulassungen der Firma Serumwerke Bernburg ruhen bereits seit 2019, da für diese Zulassungen Auflagen aus dem Stufenplanbescheid des BfArM vom 05. Februar 2014 nicht erfüllt wurden.

    Weitergehende Informationen finden sich hier:



    Auf die Nachfrage, ob die weitere Verkehrsfähigkeit auch in den anderen drei Ländern HU, PL und RO gilt, wurde erläutert, dass die Empfehlung zur weiteren Verkehrsfähigkeit auch für die betroffenen Zulassungen von Fresenius Kabi gilt, die Umsetzung in diesen drei Ländern jedoch national erfolgen muss.

  10. Azithromycin; neues Verfahren nach Art. 31 der RL 2001/83/EG - Neubewertung des Nutzens und der Risiken

    Das BfArM berichtet über das Verfahren zu azithromycinhaltigen Arzneimitteln nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG.

    Azithromycin ist ein Makrolid-Antibiotikum, das insbesondere zur Behandlung von oberen und unteren Atemwegsinfektionen eingesetzt wird. Es wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Antibiotikum mit erhöhtem Risiko für eine Antibiotikaresistenz eingestuft und in die Beobachtungsliste der WHO (AWaRE-Klassifizierung) aufgenommen. Außerdem ist es in der WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufgeführt. Die EMA hat 2022 eine Studie in Auftrag gegeben, um die Verschreibung von Antibiotika zu untersuchen, welche auf der Beobachtungsliste der WHO stehen. Diese Untersuchung wurde von DARWIN EU durchgeführt und ergab, dass Azithromycin in der EU bei Erwachsenen und Kindern häufig verschrieben wird. Daten aus der Antibiotikaverbrauchs-Surveillance in Deutschland zeigen auch, dass Azithromycin während der COVID-19-Pandemie verstärkt in Krankenhäusern eingesetzt wurde.

    Da die antimikrobielle Resistenz (AMR) gegenüber Azithromycin in der EU zunimmt, das Antibiotikum jahrzehntelang breit angewendet wurde und es große Unterschiede in den Produktinformationen hinsichtlich der Indikationen, Dosierung und Anwendungsdauer sowie der sicherheitsrelevanten Informationen gibt, wird eine Neubewertung des Nutzens und der Risiken von azithromycinhaltigen Arzneimitteln in den zahlreichen zugelassenen Anwendungsgebieten als notwendig angesehen. Mit dieser Neubewertung soll die Anwendung im Sinne eines sinnvollen Einsatzes und eines sparsamen Umgangs optimiert werden und das Risiko für die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen soll minimiert werden. Daher wurde auf Antrag von Deutschland das Risikobewertungsverfahren gemäß Art. 31 der RL 2001/83/EG im November 2023 gestartet und es wurde eine Fragenliste an die betroffenen Zulassungsinhaber versendet. Die Einreichung der Antworten wird im Januar 2024 erfolgen und die Bewertungsberichte der Rapporteure werden für März 2024 erwartet. In der Märzsitzung des CHMP werden dann entweder neue Fragen an die Zulassungsinhaber formuliert oder der CHMP gibt ein Gutachten ab.

    Von diesem Verfahren sind systemische Arzneimittel zur oralen oder intravenösen Anwendung betroffen. Ausgenommen sind azithromycinhaltige Arzneimittel zur topischen Anwendung (als Augentropfen).

    Weitergehende Informationen finden sich hier:


TOP 3 Diskussion über Sachstandsberichte über eingegangene Meldungen zu Nebenwirkungen und zu Medikationsfehlern

Die Sachstandsberichte über eingegangene Meldungen zu Nebenwirkungen und zu Medikationsfehlern wurden den Teilnehmenden vor der Sitzung elektronisch über den im BfArM vorliegenden E-Mail-Verteiler der Stufenplanbeteiligten zur Verfügung gestellt und auf der Sitzung nicht weitergehend vorgestellt. Dies sind: die Berichte des BfArM zu Nebenwirkungen und zu Medikationsfehlern, die Berichte des PEI zu Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln sowie zu immunologischen Tierarzneimitteln und schließlich der Bericht des BVL.

TOP 4 Aktuelles

  1. PEI - Monitoring der nationalen Versorgung mit Blutkomponenten

    Das PEI informiert über das Monitoring der nationalen Versorgung mit Blutkomponenten.

    Die Überwachung der Blutversorgung in Deutschland basiert auf Meldungen nach § 21 TFG. Zusätzlich wurden zu dieser Thematik Daten im Rahmen einer Pilotstudie erhoben. Gemäß § 21 TFG ist die Meldung der Herstellungs- und Verbrauchszahlen einmal pro Jahr in retrospektiver Form verpflichtend. Das PEI hat jetzt ein Pilotprojekt gestartet, bei dem die Herstellungszahlen sowie die Verfügbarkeit von Erythrozytenkonzentraten auf freiwilliger Basis gemeldet werden können. Hierzu ist eine wöchentliche Aktualisierung vorgesehen.

    Retrospektiv werden die Vollblutspenden in Deutschland von 2009 bis 2021 präsentiert. Es gab im Jahr 2009 4,86 Millionen Spenden, das entspricht 59 Vollblutspenden pro 1.000 Einwohner. Seit dem Jahr 2011 fällt die Anzahl der Vollblutspenden ab und stagniert seit 2020 bei 44 Vollblutspenden pro 1.000 Einwohner. Erythrozytenkonzentrate werden vorwiegend aus Vollblutspenden hergestellt. Nachfolgend werden die jährliche Abgabe von Erythrozytenkonzentraten sowie der prozentuale Erythrozytenkonzentratverwurf dargestellt. Auch hier gab es in 2011 einen Höchststand mit einer Abgabe von 58 Erythrozytenkonzentraten pro 1.000 Einwohner. Seitdem fällt die Anzahl ab und stagniert auch hier seit 2020 bei 41 Erythrozytenkonzentraten pro 1.000 Einwohner. Der prozentuale Verwurf von Erythrozytenkonzentraten liegt für die Blutspendeeinrichtungen und Behandlungszentren zwischen 2% und 4% der Erythrozytenkonzentrate.

    Ferner werden Zahlen zur Erythrozytenkonzentratherstellung für die Jahre 2012, 2016 und 2021 für Deutschland und Großbritannien vorgestellt. Auch wenn die Herstellungszahlen einen deutlichen Unterschied aufweisen, zeigt sich für beide Länder eine kontinuierliche Abnahme der Herstellungsraten (EK-Einheiten pro 1000 Einwohner) über den Zeitraum von zehn Jahren.

    Die Daten der Pilotstudie werden seit 2021 anfangs manuell und mittlerweile elektronisch erfasst, um so repräsentative Angaben zur Versorgungslage in den Blutspendediensten zu erhalten. Die Eingabe über die Eingabemaske bzw. der Datentransfer kann ohne großen personellen Aufwand in kurzer Zeit erfolgen.

    In einer Veröffentlichung1 wurde die Versorgungslage beispielhaft durch die Verfügbarkeit der Erythrozytenkonzentrate der Blutgruppe 0 Rh-positiv für die Jahre 2021 bis 2023 präsentiert. Hierbei wird die Reichweite in Tagen angegeben, wobei ein Unterschreiten der Drei-Tages-Reichweite als Engpass angesehen wird. Aus der vorgestellten Grafik wird ersichtlich, dass es saisonale Unterschiede gibt. So war die Versorgungslage zu Ferienzeiten und während der Weihnachtsfeiertage eingeschränkt. Das PEI hat aus diesen Daten ein sogenanntes Blutgruppenbarometer in Form eines Ampelsystems erstellt und veröffentlicht seit 2023 Daten zur blutgruppenspezifischen Versorgungslage auf der PEI-Homepage2.

    Basierend auf den vorgestellten Daten zur nationalen Versorgung mit Blutkomponenten zieht das PEI folgende Schlussfolgerungen:

    • Auf europäischer Ebene (EU-Kommission) wird die Notwendigkeit eines Notfall- und Bereitschaftsplans für Blut einschließlich eines Frühwarnsystems vorgeschlagen.
    • In Deutschland ist bereits die jährliche Meldung der Herstellungs- und Verbrauchsdaten von Blutkomponenten gemäß § 21 TFG etabliert.
    • Für die Prävention von saisonalen Engpässen gibt es bereits regionale Strategien.
    • Ein automatisiertes Meldesystem könnte eine langfristige und besser abgestimmte Sicherung der Blutversorgung gewährleisten.
    • Durch die Etablierung des Blutspendebarometers ist es möglich, die Überwachung der Versorgungssituation zu verbessern. Es ist jedoch notwendig, hierfür die gesetzlichen und personellen Voraussetzungen für eine kontinuierliche Überwachung zu schaffen.

    Auf Nachfrage wurde erläutert, dass sich die Blutspendeeinrichtungen bei Versorgungsengpässen zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet haben. Zudem gab es in einigen Bundeländern Ansätze, den zukünftigen Bedarf auf Basis bereits erhobener Daten zu ermitteln. Die Erfassung des nationalen Bedarfs an Blutkomponenten der kommenden Jahre sollte jedoch weiterentwickelt werden. Hierfür ist eine Strategie erforderlich, mit der die nationale Versorgung vor dem Hintergrund des demographischen Wandels gesichert werden kann.

    Referenzen

    1Fiedler SA et al.: Monitoring Blood Supply in Germany: A Regulatory Perspective. Transfus Med Hemother. 2023;50 (2):129-134

    2https://www.pei.de/DE/arzneimittelsicherheit/haemovigilanz/versorgungslage-ek/blutspendebarometer-node.html

  2. Aktuelle Regelungen zur Umsetzung der EAMIV (Elektronische Arzneimittelinformationen-Verordnung) für die Einstellung von Rote-Hand-Briefen in die Praxis- und Apothekensoftware

    Das BfArM berichtet zu aktuellen Regelungen zur Umsetzung der EAMIV für die Einstellung von Rote-Hand-Briefen in die Praxis- und Apothekensoftware.

    Aufgrund von Änderungen in §73 Abs. 9 SGB V dürfen Vertragsärzte für die Verordnung von Arzneimitteln nur solche elektronischen Programme nutzen, die ab dem 1. Oktober 2023 u.a. mindestens Informationen zum Schulungsmaterial und zu Rote-Hand-Briefen mit dem jeweils aktuellen Stand enthalten.

    Gemäß den Vorgaben in der EAMIV, die zum 1. Oktober 2023 in Kraft getreten ist, muss folgendes beachtet werden:

    „Liegt zu einem Arzneimittel oder einem Wirkstoff (…) ein Rote-Hand-Brief vor, so muss bei der Anzeige des Arzneimittels oder des Wirkstoffs in Suchergebnissen und Vergleichslisten des elektronischen Programms auch (…) der Rote-Hand-Brief angezeigt werden.“

    Dadurch wird der Arzt bei der Verschreibung und der Apotheker bei der Abgabe sofort darauf aufmerksam gemacht und kann die sicherheitsrelevante Information direkt berücksichtigen.

    Die Anzeige erfolgt entweder durch einen Hyperlink auf die Homepage der Bundesoberbehörde oder durch Hinterlegung eines pdf-Dokuments im Programm.

    Nach 6 Monaten kann die Anzeige entfernt und archiviert werden, da die Produktinformationstexte dann aktualisiert sein sollten. Der Rote-Hand-Brief ist dann aber weiterhin im Archiv verfügbar. Bei chargenbezogenen Qualitätsmängeln kann die Anzeige des Rote-Hand-Briefs auch bereits früher wieder entfernt werden, wenn der Qualitätsmangel vor Ablauf der 6 Monate z.B. durch einen Chargenrückruf behoben wurde.

    Aufgrund einer Änderung in § 34 Abs. 1h AMG ist die zuständige Bundesoberbehörde verpflichtet, Rote-Hand-Briefe den Primärdatenanbietern frühzeitig zur Verfügung zu stellen.

    Damit das BfArM dieser Verpflichtung nachkommen kann, müssen die Bundesländer frühzeitig alle mit den pharmazeutischen Unternehmen abgestimmten Rote-Hand-Briefe an die zuständige Bundesoberbehörde senden, damit diese auf den Homepages der Bundesoberbehörden veröffentlicht und den Primärdatenanbietern übermittelt werden können.

    Das betrifft ausdrücklich auch die Rote-Hand-Briefe zu Qualitätsmängeln, Rückrufen und Fälschungen, deren Abstimmung mit den pharmazeutischen Unternehmen in der primären Zuständigkeit der Landesbehörden liegt. Da das BfArM bei solchen Rote-Hand-Briefen nicht immer eingebunden ist, werden die Landesbehörden gebeten, dem BfArM entsprechende Rote-Hand-Briefe so früh wie möglich zur Verfügung zu stellen, damit das BfArM diese den Primärdatenanbietern zur Verfügung stellen und auf der Homepage veröffentlichen kann.

    Die Verbände bieten an, diesen Sachverhalt und die Bitte auch an die pharmazeutischen Unternehmen zu kommunizieren.

    Es wurde gefragt, ob der postalische Versand der Rote-Hand-Briefe noch zeitgemäß ist und durch die elektronische Bereitstellung nicht abgelöst werden sollte.

    Da die Einstellung der Rote-Hand-Briefe in die Praxissoftware einige Zeit in Anspruch nimmt und die Primärdatenanbieter die Daten erst aufbereiten müssen und diese dann erst mit der nächsten Aktualisierung in die Software eingespielt werden, wird zurzeit keine Möglichkeit gesehen auf den postalischen Versand zu verzichten, da es wesentlich ist, dass wichtige Risikoinformationen mittels Rote-Hand-Briefe den Adressaten zeitnah erreichen.

  3. Informationen zum Rote-Hand-Brief zu Omega-3-Fettsäure-haltigen Arzneimitteln

    Das BfArM berichtet über aktuelle Informationen zum Rote-Hand-Brief zu Omega-3-Fettsäure-haltigen Arzneimitteln.

    Im Rahmen der PSUR Single Assessement (PSUSA)-Bewertung zu Omega-3-Fettsäureethylestern wurde bei der Auswertung von systematischen Übersichten und Metaanalysen randomisierter kontrollierter Studien ein erhöhtes, dosisabhängiges Risiko für Vorhofflimmern bei Patienten mit etablierten kardiovaskulären Erkrankungen oder kardiovaskulären Risikofaktoren beobachtet. Das beobachtete Risiko für Vorhofflimmern war bei einer Dosis von 4g/Tag am höchsten. Dieses Risiko wurde auch bei anderen Omega-3-Fettsäurederivaten beobachtet. Der nun versendete Rote-Hand-Brief gilt für alle Omega-3-Fettsäure-haltigen Arzneimittel.

    Da viele Omega-3-Fettsäure-haltige Präparate auch als Nahrungsergänzungsmittel und als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten) im Verkehr sind, sollte das Risiko auch bei der Einnahme dieser Produkte berücksichtigt werden. Das BfArM hat daher das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) entsprechend informiert.

    Aus dem Teilnehmerkreis wurde hierzu angemerkt, dass das BfR dazu vor Kurzem eine Pressemitteilung herausgegeben hat. Es wurde angeregt, auf der Homepage des BfArM auf diese Pressemitteilung zu verlinken.

TOP 5 Fälschungen von Arzneimitteln

Das PEI stellt die Fälle von Arzneimittelfälschungen und Arzneimitteldiebstählen, die Arzneimittel aus seinem Zuständigkeitsbereich betreffen und die seit der letzten Routinesitzung bekannt geworden sind, vor.

Das BfArM berichtet über die aktuellen Fälle von Arzneimittelfälschungen und Diebstählen aus seinem Zuständigkeitsbereich und gibt einen Überblick über die internationale Zusammenarbeit zur Minimierung dieser.

Darüber hinaus hat die AkdÄ angeregt, den Austausch mit den zuständigen (Landes-)Behörden zu Fälschungen und Qualitätsmängeln zu intensivieren. Sinnvoll wäre eine frühzeitige Information z. B. über geplante Rote-Hand-Briefe, damit die AkdÄ zeitnah die Ärzte darüber informieren kann. Seitens des BfArM wurde festgestellt, dass bei Fälschungen oder auch Qualitätsmängeln der Zeitraum zwischen Bekanntwerden und Veröffentlichungen manchmal sehr knapp ist, so dass eine Vorabinformation der AkdÄ mit umfangreicheren Informationen als schwierig angesehen wird. Eine Vorabinformation ohne umfangreiche Information wurde diskutiert und seitens der AMK und der AkdÄ als sinnvoll angesehen. Es wurde festgehalten, dass eine Intensivierung des Austauschs als überaus sinnvoll angesehen wird. Zum Erreichen dieses Ziels wurde festgehalten, dass ein Austausch zwischen folgenden Gruppen zur Findung einer Lösung als sinnvoll erachtet wird: BfArM, PEI, AkdÄ und AMK.

TOP 6 Verschiedenes

  1. Pharmakovigilanzinspektionen

    Seitens des BPI wird angeregt, dass man sich auf europäischer Ebene zwischen den Inspektoraten hinsichtlich der Notwendigkeit von mehreren nationalen Inspektionen anderer europäischer Staaten bei ein und demselben MAH, dessen PSMF in Deutschland angesiedelt ist, z.T. innerhalb von kurzen Zeitabständen zukünftig besser abstimmt. Auch wurde angeregt, dass die Forderungen im Rahmen von Document Requests harmonisiert und dass vertrauliche Daten nicht angefordert werden. Darüber hinaus wurde gefragt, ob die hohe Anzahl an Document Requests (z.T. bis zu 200 pro Inspektion) begrenzt werden sollte. Diese Fragestellungen betreffen andere europäische Behörden, nicht das PEI und das BfArM.

    Da das BfArM und das PEI nicht der direkte Adressat dieser Anmerkungen sind, wird das BfArM die Themen auf der Inspectors Working Group adressieren.

  2. Termin nächste Routinesitzung Vorschlag: 19. März 2024

    Als Termin für die nächste Routinesitzung ist Dienstag, der 19. März 2024 als Präsenzsitzung geplant.

Der Vorsitzende