BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Sachverständigenausschuss

für Verschreibungspflicht

Bernd Eberwein

17.1.2006

Anmerkungen zum Votum Naproxen des BfArM

  1. Im BfArM -Votum werden Publikationen verwendet, die dem Ausschuß nicht zur Verfügung gestellt werden.
    Sie werden auch nicht korrekt zitiert.

  2. Für eine Nachprüfung muß die Literatur deshalb aufwendig gesucht und beschafft werden - ohne die Originalliteratur kann das BfArM -Votum nicht überprüft oder nachvollzogen werden!

  3. Die vom BfArM bei den Verbänden angeforderte und fristgerecht abgegebene Stellungnahme wird nur unvollständig an die Sachverständigen weitergegeben. Es fehlen das Datum, das Anschreiben, die Literaturliste und die kompletten Anlagen.
    Die Anlage 4 der Verbändestellungnahme (GI -Risiken) wurde nach Bitte eines Ausschussmitgliedes 1 Tag vor der Sitzung übersandt.

  4. Es wird nicht (explizit) erwähnt, dass sowohl EMEA als auch FDA Naproxen jüngst bewertet haben und nicht die Verschreibungspflicht fordern.

  5. Das BfArM berichtet nichts über vorliegende Risikomeldungen aus dem Erfassungssystem in D

  6. Nach Überprüfung anhand der Originalliteratur sind die Aussagen des BfArM zu kritisieren

Beispiele:

TARGET-Studie (Seite 4 Mitte der BfArM -Stellungnahme):

Zitat BfArM:

TARGET (Naproxen 1000 mg, Ibuprofen 2400 mg, Lumiracoxib 400 mg, 52 Wochen): In dieser Studie kam es trotz der hohen Dosierungen für Ibuprofen und Lumiracoxib in der Naproxen-Gruppe mit 1,06 % der Behandelten am häufigsten zu oberen gastrointestinalen Ulkuskomplikationen (Ibuprofen: 0,75, Lumiracoxib 0,32).

Anmerkung:

Das BfArM berichtet nicht die wichtige Tatsache, daß die Target-Studie aus 2 Substudien besteht, die getrennt betrachtet werden müssen

Substudie 1: Naproxen 1000/Tag vs. Lumiracoxib 400/Tag (NW 1,06% vs. 0,40%)

Substudie 2: Ibuprofen 2400/Tag vs. Lumiracoxib 400/Tag (NW 0,75% vs. 0,23 %)

  • Offensichtlich sind in der Ibuprofensubstudie die GI Nebenwirkungen insgesamt niedriger, damit lässt sich vermuten, daß auch für Ibuprofen eine niedrigere Prozentzahl erzielt wurde

  • auch für Ibu wurde ein signifikanter Unterschied zu Lumiracoxib erreicht

  • ein Vergleich Ibu zu Napro wurde nicht untersucht, es ist deshalb wissenschaftlich sehr fragwürdig, dies in die Studie hineinzuinterpretieren

  • die vom BfArM vorgenommene Mittelwertbildung bei Lumiracoxib und Vergleich mit den einzelnen NSAIDs ist wissenschaftlich unzulässig, sie ist nur zulässig gegenüber NSAIDs gesamt.

Dies ist nachzulesen in Tabellen 3 und 6.

In Tabelle 7 der Studie werden aufgelistet: % Patienten mit any adverse event, serious adverse event, prespecified gastrointestinal adverse event. Aus keiner dieser Werte lässt sich ableiten, daß Nap ein höheres Risiko als Ibu hätte.

Im übrigen liegt sowohl die Tagesdosis von Nap über der SM-Dosis, als auch die Dauer von 52 Wochen über der SM-Anwendung.

Richy-Studie (Seite 4 Mitte)

Zitat BfArM:

In einer Metaanalyse kleinerer klinischer Studien zeigte Naproxen ein höheres Risiko (RR 1,83) für das Auftreten gastrointestinaler Komplikationen als Diclofenac (1,73) oder Ibuprofen (1,19) (Richy 2004).

Anmerkung:

Dies ist eine Metaanalyse von 4 älteren Studien.

Das BfArM verschweigt, daß die Konfidenzintervalle aller 3 NSAIDs überlappen:

Nap RR = 1,83 (1,25-2,68)

Diclo RR = 1,73 (1,21-2,46)

Ibu RR= 1,19 (0,93-1,54)

deshalb kein signifikanter Unterschied

Ebenfalls erwähnt das BfArM nicht, daß in der Publikation gesagt wird, daß die minor and major GI-Ereignisse in den Studien innerhalb der Gruppe der 7 untersuchten NSAlDs "statistisch signifikant homogen" waren.

LAPORTE-Studie (Seite 4 unten)

Zitat BfArM:

In einer großen neueren Fall-KontroII-Studie (Laporte 2004) zeigte sich für Naproxen in Dosierungen bis 750 mg eine OR von 7,6 für das Auftreten oberer gastrointestinaler Blutungen (Ibuprofen in Dosierungen bis 1200 mg: 2,1; Diclofenac bis 75mg: 1,8; ASS bis 1500mg:13,4).

Anmerkung:

In dieser Studie wurde in der Gesamtbetrachtung der NSAIDs bei der kurzzeitigen Verwendung (OR=8,9) ein höheres Risiko gefunden als bei der kontinuierlichen Verwendung (OR=4,4).


Nicht durchgeführt in der Studie wurden:

  • Differenzierung der Schwere grade der Ereignisse

  • statistischer Vergleich der NSAIDs untereinander

HIPPESLEY-COX Studie (Seite 4 unten)

Zitat BfArM:

In einer weiteren aktuellen, großen Fall-Kontrollstudie zeigte eine kürzlich erfolgte (d.h. innerhalb der letzten 90 Tage) Verschreibung von Naproxen von allen untersuchten NSAR die höchste OR für das Auftreten unerwünschter gastrointestinaler Ereignisse (2,12) Im Vergleich zu keiner Verschreibung innerhalb der letzten 3 Jahre (Vergleiche: Ibuprofen 1,42; Diclofenac: 1,96; ASS 1,6; Hippisley-Cox 2005).

Anmerkung:

Studie macht keine Angaben zu Dosierungen und Therapiedauer.

Ein signifikanter Unterschied zwischen den NSAIDs wird nicht angegeben Für complicated adverse GI events ändert sich die Reihung:

Ibu 1,58 (1,37-1,83)

Napro 1,97 (1,48-2,61)

Diclo 2,07 (1,82-2,35)

hierauf weist das BfArM nicht hin.

HERNANDEZ-DIAZ (Seite 4 unten)

Zitat BfArM:

In einer Metaanalyse von 18 Fall-Kontroll und Kohorten-Studien (Hernandez-Diaz 2000) zeigte sich ein relatives Risiko für das Auftreten oberer gastrointestinaler Blutungen im Vergleich zu Nicht-Gebrauch von NSAR von 3,5 für niedrige Dosierungen von Naproxen (Ibuprofen 1,2; Diclofenac 3,1). Zugleich war das relative Risiko für das Auftreten einer oberen gastrointestinalen Blutung unter allen NSAR bei kurzer Einnahmedauer (1-30 Tage) am höchsten.

Anmerkung:

  • Ältere Meta-Analyse von 2000 über Studien von 1991-1998.

  • Schreibfehler des BfArM für die RR von Ibu (1,2) statt 2,1 BfArM weist nicht auf folgendes hin:

    • Für die "high-dose"-RR ist Napro mit 5,1 niedriger als Ibu (5,5) - Diclo ist 3,6

    • kein signifikanter Unterschied zwischen Napro, Ibu und Diclo

HENRY-Studie (Seite 5 oben).

Zitat BfArM:

Eine weitere Metaanalyse 44 epidemiologischer Studien fand ebenfalls ein höheres relatives Risiko für das Auftreten schwerer oberer gastrointestinaler Komplikationen unter Naproxen (3,98) als unter Ibuprofen (2,22), Diclofenac (3,82) oder ASS (3,13) (Henry 2003).

Anmerkung:

  • Keine Informationen in der Studie zur Einnahmedauer, Art und Schwere der GI-Ereignisse.

  • in dem Papier wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Aussagen vorsichtig zu interpretieren sind, da die statist. Power für die einzelnen NSAIDs gering ist.

LEWIS-Studie (Seite 5 oben)

Zitat BfArM:

Eine Metaanalyse von drei Fall-Kontroll-Studien zu oberen gastrointestinalen Blutungen ergab für niedrige Dosierungen von.Naproxen eine OR von 5,4 (Lewis 2002; Ibuprofen: 1,1; Diclofenac: 2,2).lm Vergleich zu Nicht-Gebrauch eines NSAR. Auch hier zeigte sich in der Gruppe mit der kürzesten Einnahmedauer (bis 1 Woche) das höchste Blutungsrisiko.


Anmerkung:

  • Die 3 untersuchten Studien wurden bereits von Hernandez-Diaz und von Henry berücksichtigt. Also Redundanz. Es wird nicht gesagt, warum man gerade und nur diese 3 auswählte.

  • Das BfArM trifft eine unzulässige Auswahl der ORs (die mittlere Naproxen- Dosierung wird mit den niedrigen Dosierungen von Ibu und Diclo verglichen. Bei einem Vergleich der jeweils gleichen Dosierungsbereiche ergeben sich zwar auch Unterschiede, aber geringere.)

FAZIT

  • mit der Argumentation des BfArM bin ich unzufrieden und ich frage mich, obich sie als objektiv empfinde. Meines Erachtens belegt sie derzeit nicht einhöheres Risiko

  • das GI Risiko von Napro ist im Bereich der anderen rezeptfreien NSAIDs, dies belegen neuere Studien (die das BfArM nicht verwendet hat)

Marktuntersuchungen und AWB’s zeigen:

  • die Verwender von rezeptfreiem Napro gehen verantwortungsbewußt damit um

  • FDA und EMEA fordern als Ergebnis ihrer Bewertungen keine VerschreibungspflichtEMEA hat mit Mitwirkung Deusch1ands ein Papier "key elements" verabschiedet - das meiste in D bereits umgesetztBfArM-Muster müßte noch in einigen Punkten aktualisiert werden

  • die Mitglieder eines Sachverständigenausschusses des Bundesministeriums für Gesundheit müssen sich auf die Objektivität einer Ausarbeitung des BfArM verlassen können, insbesondere dann, wenn die Basisliteratur nicht verteilt wird.