BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Navigation und Service

64. Sitzung (12. Januar 2010) – Ergebnisprotokoll

Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht nach § 53 Absatz 2 AMG

Ort:
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Bonn

Teilnehmende:
Der Vorsitzende
Die Sachverständigen des Ausschusses für Verschreibungspflicht
Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Vertreter des BfArM

Tagesordnung:

TOP 1: Eröffnung der Sitzung

Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung und begrüßt die Teilnehmer.
Im Anschluss an seine Begrüßung erinnert der Vorsitzende an das am 20.12.2009 verstorbene Mitglied, Herrn Professor Ungemach, und würdigt seine Verdienste. Alle Teilnehmer erheben sich zu seinem Gedenken.

Die Ausschussmitglieder hatten vorab zugestimmt, dass zu TOP 4 ein externer Sachverständiger gehört wird.
Mehrere Sachverständige haben krankheits- oder witterungsbedingt kurzfristig abgesagt.

TOP 2: Annahme der Tagesordnung

Die Tagesordnung wird angenommen.

TOP 3: Loperamid (flüssige Darreichungsformen)

Antrag auf Ausweitung der Ausnahme von der Verschreibungspflicht auch für flüssige Darreichungsformen.

Das BfArM führt in das Thema ein.
Es folgt die Präsentation des externen Sachverständigen

Der Antrag auf Freistellung gründet sich überwiegend auf den vom Antragsteller durch eine Befragung eruierten Bedarf, nämlich dass ca. 20 % der Patienten eine zusätzliche flüssige Darreichungsform wünschten. Aus den Antworten des externen Sachverständigen auf entsprechende Fragen von Ausschussmitgliedern ergibt sich, dass ein darüber hinaus gehender medizinischer Bedarf nicht besteht.
Die Kommentare der Sachverständigen beziehen sich unter anderem auf das inzwischen auf Seiten der medizinischen Wissenschaft als überholt angesehene Therapiekonzept der Motilitätshemmung bei Diarrhoe. Die Behandlung solle durch ausreichende, die Verluste mindestens kompensierende Flüssigkeitsaufnahme erfolgen. Die Einnahme von zusätzlicher Flüssigkeit bei Anwendung der Tablettenform im Rahmen einer Durchfallerkrankung sei erwünscht. Andererseits seien mit der Anwendung von Loperamid bei Kindern Anwendungsrisiken verbunden, zu denen hauptsächlich ZNS-Reaktionen (z.B. Depressionen) und Ileus gehören.

Abstimmungsergebnis: Der Antrag auf Ausweitung der Ausnahme von der Verschreibungspflicht für Loperamid auch in anderen als festen Darreichungsformen wird mehrheitlich abgelehnt.

TOP 4: Fluorescein - zur parenteralen Anwendung

Antrag auf Unterstellung unter die Verschreibungspflicht

Das BfArM führt in das Thema ein.

Zu diesem Tagesordnungspunkt gibt es keinen Diskussionsbedarf.

Abstimmungsergebnis: Der Antrag auf Unterstellung von Fluorescein - zur parenteralen Anwendung - unter die Verschreibungspflicht wird mehrheitlich angenommen.

TOP 5: Lokalanästhetika- ausgenommen Lidocain, Prilocain, Benzocain, Procain, Quinisocain zum Aufbringen auf die Haut und Schleimhaut

Antrag des BfArM auf Präzisierung der Position

Das BfArM führt in das Thema ein.

Die beantragte Änderung würde für die bereits verschreibungsfreien und zur topischen Anwendung zugelassenen Arzneimittel zu einer rechtsneutralen Ergänzung und Klarstellung der Position „Lokalanästhetika“ führen. Die Ausschussmitglieder stimmen außerdem dem Vorschlag des BfArM zur rechtsneutralen Anpassung der Position an die bereits bestehenden Zulassungen zu

In einem ersten Schritt zu der vom Sachverständigenausschuss (SVA) für Verschreibungspflicht bereits beschlossenen Auflösung der Sammelposition „Lokalanästhetika“ in Einzelpositionen werden im Rahmen der 65. Sitzung die Lokalanästhetika verhandelt, die derzeit ohne Einschränkung der Verschreibungspflicht unterstehen. Daran anschließend werden die Stoffe behandelt, die nur mit Einschränkungen der Verschreibungspflicht unterstehen. Bis zum Abschluss dieses Prozesses bleibt die Position, bis auf die empfohlene Ergänzung, aus Gründen der Transparenz unverändert bestehen.

Abstimmungsergebnis: Der Antrag auf Ergänzung der Position

Lokalanästhetika

um den Zusatz - ausgenommen Lidocain, Prilocain, Benzocain, Procain, Quinisocain zum Aufbringen auf die Haut und Schleimhaut

wird einstimmig angenommen.

TOP 6: Diclofenac, Ibuprofen, ASS

Antrag auf Begrenzung rezeptfrei erhältlicher Packungsgrößen

Das BfArM führt in das Thema ein.

Anschließend präsentiert ein Mitglied des Ausschusses seine Daten und einen Alternativantrag für eine Packungsgrößenbeschränkung, die nach seinen Angaben mit den Herstellern abgestimmt ist

Ein anderes Mitglied des Ausschusses erklärt, bezogen auf diese Präsentation, dass beide Anträge (des BfArM und des BAH) aus seiner Sicht Sinn machen.

Von Seiten des BfArM wird angemerkt, dass die Schlussfolgerung, in Deutschland bestehe nahezu kein Missbrauch von Analgetika, unzulässig ist, da die vorgestellten Untersuchungsergebnisse auf Selbstauskünften von Kunden/Patienten gegenüber Apothekern beruhen.
Nach den vorgestellten Ergebnissen nehmen Schmerzpatienten pro Episode 3 – 6 Schmerztabletten ein. Mit dem Vorschlag des BfArM für eine Begrenzung der Packungsgrößen würden diese Patienten – anders als Patienten mit einem chronischen Abusus von Schmerzmitteln - daher künftig mit einer Packung 3 – 6 Schmerzepisoden ausreichend behandeln können.
Würde dagegen der Vorschlag eines Mitglieds des Ausschusses mit z.B. 84 Tabletten ASS 500mg /Packung umgesetzt, wäre das Ziel, wiederholten und häufigen Gebrauch von Analgetika zu vermindern, verfehlt. Hinzu käme, dass alle Vorschläge bereits die maximale Tagesdosis beträfen, die nur von den wenigsten Patienten mit einem normalen Schmerzmittelgebrauch benötigt wird (im Fall von ASS 3g/d).
Nach Aussage des BfArM besteht auf EU-Ebene Konsens, dass verschreibungsfrei erhältliche Schmerzmittel nicht länger als 4 Tage ohne ärztliche Beratung eingenommen werden sollten. In der Folge lassen das BfArM und die übrigen nationalen Behörden der EU inzwischen – im Unterschied zu früher zugelassenen Großpackungen - nur noch therapiegerechte kleinere Packungen zu.

Ein Ausschussmitglied macht darauf aufmerksam, dass der Vorschlag des BAH, auf Paracetamol angewendet, zu einer zulässigen OTC-Packungsgröße von 80 Tabletten führen würde. Außerdem seien die vorgestellten Aussagen bezüglich der Alters- und Geschlechtsverteilung der Anwender nicht belastbar, da Schmerzmittel üblicherweise von mehreren im Haushalt lebenden Personen verbraucht würden. Dies sei die grundsätzliche Schwäche aller Untersuchungen der hier vorgestellten Art.

Auf die entsprechende Frage eines Ausschussmitglieds antwortet ein Vertreter des BfArM, dass angesichts der europäischen Entwicklung zu therapiegerechten Packungsgrößen für den Schmerzmittelbedarf für maximal 4 Tage eine Regelung, die den Bedarf von 10 Tagen decken würde, ein Schritt in die falsche Richtung sei.

Ein Ausschussmitglied hält die vom anderen Mitglied des Ausschusses vorgestellten Untersuchungen für wenig aussagekräftig. Nach seiner Meinung dürften die freigestellten Packungsgrößen nicht so groß sein, dass sie ein falsches Sicherheitssignal an die Patienten senden.

Ein Aussschussmitglied hält die Vorschläge des BfArM für einen zu großen Einschnitt in die bestehenden Verhältnisse. Die Regelungen zu Packungsgrößen in der EU seien uneinheitlich, in vielen Ländern seien die erlaubten Packungsgrößen größer als die vom BfArM vorgeschlagenen.
Dagegen gibt ein Vertreter des BfArM zu bedenken, dass die durchschnittliche verfügbare Packungsgröße für Ibuprofen und Diclofenac nach dem Vorschlag des BAH sogar größer werden würde.

Auf eine entsprechende Frage des Vertreters des BMG bestätigen mehrere sachverständige Mitglieder, dass die Anwendungsrisiken der hier zur Abstimmung stehenden Analgetika in Abhängigkeit von Dosis und Behandlungsdauer steigen. Sicherheitsbedenken bezüglich freigestellter Analgetika seien in den letzten Jahren mehrfach Thema des Sachverständigenausschusses gewesen, so dass eine Begrenzung der verschreibungsfrei verfügbaren Packungsgrößen eine wichtige und überfällige Maßnahme im Sinne des Verbraucherschutzes darstellen würde. Für das weitere Verordnungsgebungsverfahren ist es nach Aussage des Vertreters des BMG erforderlich, dass in den Begründungen speziell auf die Risiken des jeweiligen Stoffes eingegangen wird. Nur so werde eine ausreichende rechtliche Grundlage nach § 48 AMG für die beabsichtigten Änderungen der AMVV erreicht. Dies wird seitens des BfArM zugesagt.

Abstimmungsergebnisse:

  1. Der Antrag auf Einführung der Begrenzung einer freiverkäuflichen Packungsgröße für

    Acetylsalicylsäure
    - auf 10 g Wirkstoff pro Packung zur Anwendung in der Humanmedizin-

    wird mehrheitlich angenommen.

  2. Der Antrag auf Begrenzung der Packungsgröße von

    Ibuprofen
    - auf 8 g Wirkstoff pro Packung -
    wird mehrheitlich angenommen.

  3. Der Antrag auf Begrenzung der Packungsgröße von

    Diclofenac
    - auf 500 mg Wirkstoff pro Packung -
    wird mehrheitlich angenommen.

  4. Der Antrag auf Begrenzung der Packungsgröße von

    Phenazon
    - auf 10 g Wirkstoff pro Packung -

    wird mehrheitlich angenommen.

  5. Der Antrag auf Begrenzung der Packungsgröße von

    Propyphenazon
    - auf 10 g Wirkstoff pro Packung -

    wird mehrheitlich angenommen.

Damit wurden die entsprechend der allgemeinen Geschäftsordnung am weitesten gehenden Anträge des BfArM angenommen.

TOP 7: Praziquantel

Eine Vertreterin des BVL informiert darüber, dass Praziquantel nach einem entsprechenden Votum des SVA für die Anwendung bei Zierfischen von der Verschreibungspflicht freigestellt werden sollte. Dieses Votum wurde bisher nicht umgesetzt, da vorher eine juristische Präzisierung erforderlich wurde, welche Fischarten der Begriff „Zierfische“ umfasst. Diese Präzisierung ist nun erfolgt, so dass das bestehende Votum nach übereinstimmender Meinung der Sachverständigen nun umgesetzt werden kann.

Der Vorsitzende informiert darüber, dass das Votum des Ausschusses zur Freistellung von Dexamethason und Epinephrin für die Notfallbehandlung durch den Heilpraktiker in der 8. AMVV- Änderungsverordnung nicht umgesetzt wurde. Der Vertreter des BMG informiert darüber, dass innerhalb des BMG rechtliche Bedenken bestehen, die eine weitere Prüfung erforderlich machen. Der Ausgang des Verfahrens sei aktuell offen.

Die Termine für die nächsten Sitzungen werden festgelegt.

Termine der nächsten Sitzungen:
Dienstag, der 06.07.2010
Dienstag, der 11.01.2011
Beginn: 10.00 Uhr
Sitzungsort: Bonn
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3


Der Vorsitzende dankt allen Anwesenden und Ausschussmitgliedern und schließt die Sitzung.

Alternativ zur Online-Version können Sie hier die pdf-Version des Protokolls herunterladen:


Anlagen:

Voten und Begründungen zu Positionen, deren Änderung zugestimmt wird (TOP 4, 5, 6)
Präsentation des externen Sachverständigen zu TOP 3 (Loperamid – flüssige Darreichungsformen)
Präsentation eines Mitgliedes des Sachverständigen-Ausschusses zu TOP 6 (Analgetika)