BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Navigation und Service

66. Sitzung (11. Januar 2011) – Ergebnisprotokoll

Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht nach § 53 Absatz 2 AMG

Ort:
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Bonn

Teilnehmende:
Der Vorsitzende
Die Sachverständigen des Ausschusses für Verschreibungspflicht
Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)Vertreter des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz (BMELV)
Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Vertreter des BfArM

Tagesordnung:

TOP 1: Eröffnung der Sitzung

Der Vorsitzende begrüßt die Anwesenden. Er informiert darüber, dass er in seiner Funktion als neuer kommissarischer Leiter der Abteilung Pharmakovigilanz seit dem 01.01.2011 diese Sitzung leiten wird und stellt sich anschließend kurz vor. Danach richtet der frühere Leiter der Abteilung Pharmakovigilanz und Vorsitzende einige Grußworte an den Ausschuss und verabschiedet sich. Daraufhin bedanken sich verschiedene Ausschussmitglieder bei ihm für die gute und konstruktive Leitung der Sitzungen in den vergangenen Jahren.

Nach ihrer Begrüßung durch den Vorsitzenden stellen sich die neu berufenen Mitglieder vor.

Der Vorsitzende weist auf die prinzipielle Vertraulichkeit der Sitzungsinhalte (mit Ausnahme der Voten, die zu einer Änderung der AMVV führen) hin.

Die im Internet publizierten Sitzungsprotokolle werden künftig keine Liste der Teilnehmer enthalten.

Der Vorsitzende informiert, dass nach der Einleitung des BfArM zu TOP 4 ein externer Sachverständiger gehört wird. Da die Stellungnahmen des BfArM u.a. wettbewerbsrelevante Informationen enthalten und daher vertraulich sind, werden externe Sachverständige künftig nur für die Dauer ihrer Präsentation und die anschließenden Fragen der Sachverständigen an der Sitzung teilnehmen. Aus dem Kreis der Sachverständigen gibt es dazu die Ansicht, das es externen Sachverständigen erlaubt sein müsste, die Stellungnahme des BfArM selbst zu hören. Dazu stellt der Vorsitzende fest, dass nur für die Sachverständigen aufgrund ihres Amtes die Notwendigkeit besteht, alle Informationen aus erster Hand zu erhalten und dass sie die Möglichkeit haben, die Meinung des externen Sachverständigen zu bestimmten Sachfragen und der vom BfArM vorgebrachten Position in der Diskussion einzuholen. Andere Sachverständige stimmen dem zu und begrüßen diese strikte Trennung im Sinne einer ungestörten Sacharbeit. Ein Sachverständiger berichtet, dass auch die EMA in diesem Sinne aktuell ihre Vorgaben für den Umgang mit Interessenskonflikten überarbeitet.
Auf Anregung aus dem Ausschuss hin werden externe Gutachter künftig um Abgabe einer Erklärung zu einem bestehenden Interessenskonflikt gebeten.

Als Termine für die nächsten Sitzungen werden der 05.07.2011 und der 10.01.2012 vereinbart.

TOP 2: Annahme der Tagesordnung

TOP 7, Linezolid, wird vorgezogen

TOP 3: Oxybuprocain, Proxymetacain

Auftrag zur Ergänzung der Liste der Stoffe und Zubereitungen nach §1 Nr.1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung

Das BfArM führt in das Thema ein.

Zu diesem Thema gibt es keinen Diskussionsbedarf.

Abstimmungsergebnis: Der Antrag auf Aufnahme von Oxybuprocain und Proxymetacain in die Liste der Stoffe und Zubereitungen nach § 1 Nr. 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung wird mehrheitlich angenommen.

TOP 4: Rizatriptan

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht

Das BfArM führt in das Thema ein.

Ein Sachverständiger bemängelt, dass in den Unterlagen Daten zu Dosis-Wirkungsbeziehungen fehlen sowie die Tatsache, dass der Switch für die höhere Stärke beantragt wird, während die niedrigere verschreibungspflichtig bleiben soll. So gäbe es in der Dokumentation des Antragstellers eine Tabelle (S.15), nach der 5 bzw. 10 mg Rizatriptan gleich wirksam sind. Außerdem sei in dieser Tabelle der Parameter „Keine Unfähigkeit“, anders als die übrigen Parameter (z.B. „Linderung“), unverständlich.

Nach Angaben aus dem Kreis der Sachverständigen sind Triptane nach den 2009 aktualisierten Leitlinien zur Migränebehandlung Mittel der ersten Wahl.
Einige Sachverständige bezweifeln, dass der Übergebrauch bzw. der Missbrauch von Triptanen über Einzelfälle hinaus relevant ist und bitten das BfArM darum, entsprechende Belege dafür vorzulegen.

Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage kommen die Sachverständigen zu dem Schluss, dass die vorliegenden Daten eine abschließende Beurteilung des Sicherheitsprofils von Rizatriptan nicht erlauben.

Ein anderer Sachverständiger erinnert daran, dass der externe Sachverständige die Freistellung von Naratriptan damals damit begründet hatte, es handele sich um das im Vergleich am schwächsten wirksame Triptan. Sollte es nicht wirksam genug sein, würde der Patient im 2. Schritt einen Arzt aufsuchen, der ihm dann eines der stärker wirksamen Triptane verordnen würde. Damit nicht immer wieder ein neues Triptan ‚nachgeschoben’ würde, sei aus seiner Sicht daher eine vergleichende Beurteilung aller Triptane bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungspotential erforderlich, bevor der Ausschuss eine Empfehlung bezüglich der Einstufung eines weiteren Triptans abgäbe.

Ein Vertreter des BfArM verweist auf die Stellungnahme des BfArM, nach der speziell für Rizatriptan Dosisreduktionen erforderlich sind bei Störungen der Leber- und/oder Nierenfunktion sowie bei gleichzeitiger Einnahme von Propranolol. Kontraindikationen bestehen außerdem für Patienten mit einem unbehandelten leichten Bluthochdruck, der den Patienten häufig nicht bekannt ist.

Aufgrund dieser viele Patienten betreffenden Risiken sieht ein Sachverständiger Rizatriptan als vergleichsweise ungeeignet für die Selbstmedikation.
Die Sachverständigen bitten das BfArM darum, dem Ausschuss eine vergleichende Analyse aller Triptane vorzulegen.
Mehrere Sachverständige bemängeln die sehr variable Argumentation zugunsten des gerade zur Freistellung anstehenden Triptans in den verschiedenen Gutachten des externen Sachverständigen.

Der externe Sachverständige trägt aus seinem Gutachten vor und beantwortet anschließend Fragen der Sachverständigen. Aus seiner Sicht könnten alle Triptane zur oralen Anwendung aus der Verschreibungspflicht entlassen werden. Er bestätigt, dass bei einem Teil der Patienten ein Übergebrauch von Triptanen vorliegt. Nach Beantwortung aller an ihn gerichteten Fragen verlässt er den Sitzungsraum.

Ein Sachverständiger stellt fest, dass die Aussage des externen Sachverständigen zur fehlenden Relevanz der Interaktion mit Propranolol der des Antragstellers in den eingereichten Unterlagen widerspricht. Er empfiehlt dem Antragsteller eine gründliche Überarbeitung seines Antrags sowie eine bessere Abstimmung mit seinem Gutachter.

Ein Vertreter des BfArM informiert über Verfahrensfragen. Danach kann die Behandlung eines Antrags verschoben werden, wenn die Diskussion ergibt, dass dem Ausschuss für seine Empfehlung wesentliche Informationen (noch) nicht vorliegen. Ein externer Sachverständiger kann nicht nur durch den Antragsteller, sondern auch durch ein sachverständiges Mitglied des Ausschusses bzw. seinen Stellvertreter vorgeschlagen werden.

Der Antragsteller wird gebeten, alle wesentlichen Aussagen des Antrags nachträglich durch Daten zu belegen und außerdem zu begründen, warum die niedrigere Stärke weiterhin der Verschreibungspflicht unterstehen soll. Weiterhin sollte er die Frage beantworten, welche klinisch relevanten Auswirkungen Leber- oder Niereninsuffizienz bzw. gleichzeitige Propranololanwendung haben, wenn der Patient ein- oder zweimal eine Tablette Rizatriptan einnimmt.
Zusätzlich durch das BfArM zu klärende Fragen sind, wie viele Patienten mit Migräne Betablocker einnehmen, wie hoch der Prozentsatz von Menschen mit Leber- und/oder Niereninsuffizienz ist und wie sich Unterschiede in der Verträglichkeit der Triptane bei Kindern und Jugendlichen bzw. älteren Patienten auswirken.

Der Vorsitzende stellt fest, dass der Ausschuss sein Votum vertagt und dem BfArM den Auftrag zu einer vergleichenden Analyse aller Triptane erteilt. Das BfArM wird zudem um Beantwortung der bereits genannten Fragen einschließlich der Vorlage von Daten zu einem Übergebrauch von Triptanen gebeten.
Ein Sachverständiger bittet darum, dem Antragsteller mitzuteilen, dass die Qualität des eingereichten Dossiers nicht den Anforderungen entspricht.

Der Sachverständigenausschuss stimmt einstimmig dafür, die Behandlung des Antrags bis zur Vorlage der ergänzenden Unterlagen zu vertagen.

TOP 5: Orlistat

Streichung der Worte
„von der Europäischen Kommission zugelassene, nicht verschreibungspflichtige“ in der derzeitigen AMVV-Position:
- ausgenommen von der Europäischen Kommission zugelassene, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in einer Höchstdosis von 60 mg pro abgeteilter Form –

Das BfArM führt in das Thema ein

Der Vertreter des BMG erinnert daran, dass die EU-Kommission nach einer bereits im Februar 2009 publizierten Stellungnahme davon ausgeht, dass im Fall einer zentralen Zulassung für ein OTC-Arzneimittel auf nationaler Ebene keine davon abweichenden Regelungen getroffen werden.

Nach kurzer Diskussion von Verständnisfragen erfolgt die Abstimmung.

Abstimmungsergebnis: Die Änderung der bestehenden Position
- ausgenommen von der Europäischen Kommission zugelassene, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in einer Höchstdosis von 60 mg pro abgeteilter Form –
in
- ausgenommen Arzneimittel zur oralen Anwendung, die in der EU zentral und verschreibungsfrei zugelassen wurden sowie Arzneimittel mit einer Höchstmenge von 60 mg pro abgeteilter Form und einer maximalen Tagesdosis von 180 mg -

wird mehrheitlich angenommen.

TOP 6: Vitamin D (D3, Colecalciferol)

Antrag zur Anhebung der unter die Verschreibungspflicht fallenden Tagesdosis von derzeit 1000 I.E. auf künftig 2000 I.E.

Das BfArM führt in das Thema ein.
Im Rahmen der kurzen Diskussion erinnert ein Sachverständiger an das Beispiel des Beta-Karotins, zu dem vor Beginn der epidemiologischen Studien auch nur toxikologische Daten zur Kurzzeitanwendung vorlagen, wie dies aktuell auf Vitamin D zutrifft. Erst die Analyse von Daten aus der Langzeitanwendung zeigte die für Raucher erhöhte Sterblichkeit. Die Frage der Langzeitfolgen sei in den Antragsunterlagen nicht behandelt worden. Außerdem würden sich die im Dossier genannten Zahlen zur Höhe der Vitamin D-Zufuhr in der Nahrung in Abhängigkeit von der Aussage, die sie belegen sollen, stark unterscheiden.
Die meisten Sachverständigen beziehen sich auf die fehlenden Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit einer langfristig erhöhten Vitamin D-Zufuhr und sind der Ansicht, dass der Vitamin D-Mangel in bestimmten Bevölkerungsgruppen durch eine Anhebung des Grenzwerts nicht zu beeinflussen ist. Mit der Ablehnung des Antrages sei aber das Problem einer möglichen Mangelversorgung nicht gelöst. Ein Sachverständiger schlägt daher vor, die Supplementierung der Nahrung mit Vitamin D (analog zur Jodierung von Speisesalz) zu einem Anliegen der Gesundheitspolitik zu machen.
Außerdem wird bemängelt, dass der Antrag gestellt wurde, ohne einen Bezug zu einer oder mehreren Indikationen herzustellen.

Abstimmungsergebnis: Der Antrag auf Anhebung der unter die Verschreibungspflicht fallenden Tagesdosis von derzeit 1000 I.E. auf künftig 2000 I.E. wird mehrheitlich abgelehnt.

TOP 7: Linezolid

Antrag auf Streichung der Einschränkung
- zur Behandlung von Pneumonien oder schweren Haut- und Weichteilinfektionen, wenn diese durch grampositive Erreger verursacht sind –

Das BfArM führt in das Thema ein.

Auf Anfrage bestätigt der Vertreter des BfArM, dass aktuell nur Arzneimittel zugelassen sind mit der zwischen den Spiegelstrichen genannten Indikation. Zu diesem Antrag besteht kein Diskussionsbedarf.

Abstimmungsergebnis: Der Antrag auf Streichung der Einschränkung
- zur Behandlung von Pneumonien oder schweren Haut- und Weichteilinfektionen, wenn diese durch grampositive Erreger verursacht sind - wird mehrheitlich angenommen.


TOP 8: Lidocain

Antrag auf Unterstellung unter die Verschreibungspflicht von Lidocain
- zur Anwendung auf der Haut zur Linderung der Symptome von neuropathischen Schmerzen nach einer Herpes-Zoster-Infektion (Post-Zoster-Neuralgie)

Das BfArM führt in das Thema ein.

Nach Klärung einiger Fragen erfolgt die Abstimmung.

Abstimmungsergebnis: Der Antrag auf Unterstellung unter die Verschreibungspflicht von Lidocain – zur Anwendung auf der Haut zur Linderung der Symptome von neuropathischen Schmerzen nach einer Herpes-Zoster-Infektion (Post-Zoster-Neuralgie) – wird mehrheitlich angenommen.


TOP 9: Sammelposition Lokalanästhetika

Auftrag zur Auflösung der Sammelposition und Aufnahme aller Lokalanästhetika aus der bisherigen Sammelposition als Einzelpositionen,
Teil 2: Benzocain, Fomocain, Lidocain, Myrtecain, Prilocain, Procain und Quinisocain

Das BfArM führt in das Thema ein.

Zu diesem Punkt der Tagesordnung besteht kein Diskussionsbedarf. Die Ausnahme, die sich aus TOP 8 ergibt, wird bei Zustimmung des Verordnungsgebers durch diesen ergänzt.

Die Sachverständigen stimmen einstimmig für die Auflösung der Sammelposition und Aufnahme der Einzelpositionen entsprechend der Stellungnahme des BfArM.

Abstimmungsergebnis: Der Antrag auf Auflösung der Sammelposition „Lokalanästhetika“ und die Aufnahme der folgenden Lokalanästhetika aus der bisherigen Sammelposition als Einzelpositionen

Benzocain
- ausgenommen zum Aufbringen auf die Haut und Schleimhaut, außer zur Anwendung am Auge

Fomocain
- ausgenommen zum Aufbringen auf die Haut und Schleimhaut, außer zur Anwendung am Auge

Lidocain
- ausgenommen zur parenteralen Anwendung ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Bestandteile in Konzentrationen bis zu 2 % zur intrakutanen Anwendung an der gesunden Haut
- ausgenommen zur subkutanen und intramuskulären Infiltrationsanästhesie zur Durchführung von Dammschnitten und zur Naht von Dammschnitten und Dammrissen im Rahmen der Geburt in einer Konzentration bis 1%, einer Einzeldosis von bis zu 10 ml und einer Menge von bis zu 10 ml je Ampulle zur Abgabe an Hebammen und Entbindungspfleger im Rahmen ihrer Berufsausübung -
- ausgenommen zum Aufbringen auf die Haut und Schleimhaut, außer zur Anwendung am Auge und am äußeren Gehörgang

Myrtecain
- ausgenommen zum Aufbringen auf die Haut und Schleimhaut, außer zur Anwendung am Auge

Prilocain
- ausgenommen zum Aufbringen auf die Haut und Schleimhaut, außer zur Anwendung am Auge

Procain
- ausgenommen zur parenteralen Anwendung ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Bestandteile in Konzentrationen bis zu 2 % zur intrakutanen Anwendung an der gesunden Haut
- ausgenommen zum Aufbringen auf die Haut und Schleimhaut, außer zur Anwendung am Auge

Quinisocain
- ausgenommen zum Aufbringen auf die Haut und Schleimhaut, außer zur Anwendung am Auge

in Anlage 1 der AMVV wird mehrheitlich angenommen.


TOP 10: Verschiedenes

Packungsgrößenbegrenzungen für Analgetika

Auf Nachfrage informiert ein Vertreter des BfArM, dass die Stellungnahmen in Kürze finalisiert und an das BMG weitergeleitet werden.

Termin der nächsten Sitzung:
Dienstag, der 05.07.2011
Beginn: 10.00 Uhr
Sitzungsort: Bonn
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3

Der Vorsitzende dankt allen Anwesenden und Ausschussmitgliedern und schließt die Sitzung.

Alternativ zur Online-Version können Sie hier die PDF-Version des Protokolls herunterladen:

Anlagen:

Voten und Begründungen zu Positionen, deren Änderung zugestimmt wird (TOP 3, 5, 7, 8, 9)