BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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68. Sitzung (27. Februar 2012) – Ergebnisprotokoll

Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht nach § 53 Absatz 2 AMG

Ort:
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Bonn

Teilnehmende:
Der Vorsitzende
Sachverständige des Ausschusses für Verschreibungspflicht
Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Vertreter des BfArM

Hinweis:
Der Ausschuss unabhängiger Sachverständiger nach § 53 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln berät die Bundesregierung und gibt hierzu fachliche Empfehlungen ab. Mit diesen Ausschussempfehlungen wird den - in jedem Einzelfall erforderlichen – Entscheidungen der Bundesregierung nicht vorgegriffen. Änderungen der Anlagen des Arzneimittelgesetzes erfolgen durch Rechtsverordnungen der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.

Tagesordnung:

TOP 1: Eröffnung der Sitzung

Der Vorsitzende begrüßt die Anwesenden.
Es folgen verfahrenstechnische Hinweise und eine kurze Erläuterung zur Absetzung einiger Tagesordnungspunkte.
Bei Dextromethorphan möchte man die zukünftige Entwicklung abwarten, da auch die Nachfrage bei der AkdÄ (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) keinen unmittelbaren Handlungsbedarf ergab.
Zu Dinatriummedronat soll ein Vorschlag für alle Radiopharmaka-Kits (die kein Nuklid enthalten) erarbeitet werden.
Außerdem erläutert der Vorsitzende die Gründe, die zum Absetzen des geplanten Tagungsordnungspunktes „Paracetamol“ geführt haben.
Zum Protokoll der letzten Sitzung merkt ein Sachverständiger an, dass die von ihm vorgestellten Informationen bezüglich Packungsgrößenbegrenzungen für verschreibungsfreie Schmerzmittel in anderen europäischen Staaten vollständig bzw. zutreffend seien.

Der Termin für die 69. Sitzung am 26.06.2012 wird bestätigt und der 15.01.2013 wird als Termin für die 70. Sitzung vereinbart.

TOP 2: Annahme der Tagesordnung

Ein Sachverständiger äußert sein Befremden darüber, dass eine Arzneimittelfirma ungebeten Material zur Verfügung gestellt hatte.
Die Verschiebung des Tagesordnungspunktes „Paracetamol“ wird vom Antragsteller eingehend begründet.
Die Tagesordnung wird angenommen.

TOP 3: Duraphat Fluorid 5 mg/g Zahnpaste

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht von löslichen Fluoriden in Zahnpasten

ntrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht von löslichen Fluoriden in Zahnpasten in Tuben bis zu 51 g, sofern die Anwendung auf Jugendliche ab 16 Jahren und Erwachsene beschränkt ist, sowie auf eine maximal dreimal tägliche Anwendung, die einem Fluorgehalt von bis zu 15 mg entspricht.

Das BfArM führt in das Thema ein.

In der anschließenden Diskussion fragt ein Sachverständiger nach der Anwendungsdauer, die zu Dental- oder Skelettfluorosen führen kann. Dazu erklärt das BfArM, dass eine chronische Anwendung über mehrere Jahre irreversible Schäden verursachen kann. Deutschland sei ein Fluormangel-Land, stellt ein Sachverständiger fest. In der Schweiz z.B. wäre aus diesem Grund das Trinkwasser fluoriert. Er sieht keine Gefahr darin, dass ein Kind die Zahnpastatube auslutsche, sondern eher dass ein Kind ein Blister Fluortabletten schlucke. Das BfArM erläutert, die Problematik läge nicht bei der akuten Intoxikation, sondern in der chronischen, über lange Zeit erfolgten Einnahme sehr hoher Fluoriddosen, insbesondere bei Kindern, bedingt durch missbräuchliche Anwendung und Verschlucken der Zahnpasta. Einer der Sachverständigen fragt, ob ein kindersicherer Verschluss zur Verhinderung einer missbräuchlichen Anwendung beitragen könne. Das BfArM weist darauf hin, das eine solche Sicherungsmaßnahme nur zum Teil greifen würde, da auch Kinder unter 16 Jahren einen kindersicheren Verschluss oft öffnen könnten. Leider kann auch die Datenlage des bereits auf dem Markt etablierten Mitanbieters zu Risiken und Nebenwirkungen nichts beitragen. Es wird von einem Sachverständigen noch mal die Frage aufgeworfen, ob es konkrete Hinweise gibt, dass es durch die unsachgemäße Anwendung dieses Präparates zu Schädigungen gekommen sei. Das BfArM verneint dieses, erklärt jedoch auch, dass aufgrund der bestehenden Verschreibungspflicht in der Bevölkerung das Bewusstsein bestehe, dass es sich hier um ein Arzneimittel und nicht um ein Pflegeprodukt handelt. Des Weiteren wird bei den chronischen Erkrankungen, die durch eine chronische erhöhte Fluoridzufuhr entstehen, oft Jahre später nicht an einen Zusammenhang mit der Einnahme einer vor Jahren verwendeten Zahnpaste gedacht, so dass folglich nur wenige Fälle gemeldet würden. Ein anderer Sachverständiger weist darauf hin, dass die Indikation dieser Zahnpasta eindeutig in die Hand des Arztes gehört und somit die Notwendigkeit einer verschreibungsfreien Abgabe nicht gesehen wird. Ein weiterer Sachverständiger fragt, ob es vergleichende Untersuchungen zwischen fluoriertem Trinkwasser und Fluorzahnpasta gäbe und welchen Sinn die Zahnpasta überhaupt macht. Ein anderer Sachverständiger erklärt dazu, dass das Fluorid bei Genuss von Trinkwasser eine systemische Wirkung entfaltet und bei Zahnpastagebrauch nach Resorption ebenfalls systemisch wirkt. Ganz kurz wurde auch die Frage des Preises angerissen und eine eventuelle Umsatzerhöhung für den Anbieter. (Redaktionelle Anmerkung: Nach § 48 AMG stellen ökonomische Aspekte kein Kriterium für eine Unterstellung unter oder eine Entlassung aus der Verschreibungspflicht dar.) Anschließend wird nochmals die Indikation erläutert und klargestellt. Der Vorsitzende fasst die Diskussion kurz zusammen und gibt den Antrag zur Abstimmung.

Abstimmungsergebnis:
Der Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht von löslichen Fluoriden in höheren Konzentrationen in Zahnpasten wird mehrheitlich abgelehnt.


TOP 4: Zolmitriptan oral

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht
- zur akuten Behandlung von Migränekopfschmerzen mit und ohne Aura bei Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren, nach der Erstdiagnose einer Migräne durch einen Arzt und nach Anwendung eines Triptans unter Beobachtung durch einen Arzt, in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 2,5 mg je abgeteilter Form und in einer Gesamtmenge von 5 mg je Packung

Ein Sachverständiger erklärt einen Interessenkonflikt und verlässt den Hörsaal.
Das BfArM führt in das Thema ein.

Anschließend trägt ein externer Sachverständiger des Antragstellers vor.

In der anschließenden Diskussion fragt ein Sachverständiger, ob es bei diesem Triptan zu Interaktionen mit Betablockern kommt. Es wird vom BfArM erklärt, dass dies eine substanzspezifische Interaktion von Rizatriptan sei und bei den anderen Triptanen nicht beobachtet wurde. Weiter wird gefragt, was ältere Migränepatienten über 65 Jahren machen sollen und ob sich ein Ausschluss dieser Patienten so rechtfertigen ließe. Der externe Sachverständige antwortet, dass das Problem sei, dass Studien zur Zulassung nur bis zu dieser Altersgrenze vorliegen und dass darüber hinaus nicht einfach die Indikation auf über 65-jährige Migränepatienten erweitert werden kann. Folglich müsste der Apotheker im Falle der Freistellung das Alter des Patienten vor der Abgabe erfragen, wie auch alle anderen Einschränkungen der Freistellung. Ein anderer Sachverständiger möchte gerne wissen, wie sich die bisherige Freistellung der zwei Triptane auf die Versorgung der Migränepatienten ausgewirkt habe: Vor- und Nachteile, neue spezielle Risiken etc.. Er fordert eine belastbare Untersuchung, die die Entscheidungen über die Freistellungen neutral evaluiert. Solche Studien kann und sollte man machen, ehe man neue Anträge beurteilt, erklärt er weiter. Der externe Sachverständige erläutert, dass ihm solche Studien nicht bekannt sind, bezüglich des Zolmitriptan hat man nur sehr begrenzte Angaben im OTC-Bereich, die bis dahin nicht auf ein verändertes Risikoprofil hindeuten. Das BfArM erörtert, dass anhand der Datenbank eine Unterscheidung zwischen der Anwendung eines OTC-Arzneimittels und eines verschriebenen Arzneimittels bei einer UAW-Meldung häufig nicht möglich ist. Ein anderer Sachverständiger erläutert die UAW-Meldungen der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker und stellt fest, dass die momentane Datenlage darauf hin deutet, dass mit nicht verschreibungspflichtigen Migränearzneimitteln sehr vorsichtig umgegangen wird. Die Frage, was dies für die Versorgung der Patienten mit Migräne bedeute, ist berechtigt und bisher unbeantwortet. Der Sachverständige fragt weiter nach einer Erläuterung der praktischen Umsetzung der beobachteten Ersteinnahme. Der externe Sachverständige erklärt dazu, dass die praktische Umsetzung der Einschränkungen bei der möglichen rezeptfreien Abgabe von Zolmitriptan, unter anderem die Diagnosestellung der Migräne, durch z.B. einen Fragebogen für den Apotheker umsetzbar gemacht werden soll. Der externe Sachverständige weist noch einmal auf gewisse pharmakodynamische Unterschiede bei den Triptanen hin und vertritt die Ansicht, dass daher jeder Patient auf das Triptan zurückgreifen können sollte, das sich bei ihm schon mal als wirksam erwiesen hat.
Der Vorsitzende bedankt sich bei dem externen Sachverständigen, der daraufhin den Raum verlässt.
Die bis dahin erfolgte Diskussion wird vom Vorsitzenden kurz zusammengefasst. Ein Sachverständiger argumentiert, dass er zwar Verständnis für die Forderung nach mehr Daten hat, jedoch in diesem Rahmen nur entschieden werden kann und muss, ob die Kriterien für die Freistellung von Zolmitriptan vorliegen oder nicht. Des Weiteren ist für ihn die Begründung des BfArM gegen eine Freistellung nicht nachvollziehbar. Weiter fragt ein anderer Sachverständiger, ob es Erkenntnisse aus den PSURs zu nennenswerten Änderungen in den Pharmakovigilanzfällen der bereits freigestellten Triptane gäbe. Das BfArM erklärt, dass sich keine nennenswerten Schwankungen in den UAW-Meldungen im Laufe der vergangenen Jahre bei den schon freigestellten Triptanen ergeben hätten. Folgend stellt ein Sachverständiger fest, dass hier eigentlich nur die Frage zu klären sei, ob es Unterschiede dieser Substanz im Risikoprofil zu den bereits freigestellten gibt und erläutert, dass er selbst einen solchen Unterschied nicht sieht.
Ein anderer Sachverständiger schließt sich der Forderung nach einer Überprüfung der Triptane an, um nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen und frühere Entscheidungen aus heutiger Sicht nicht in Frage stellen zu müssen. Anschließend gibt ein Sachverständiger zu bedenken, wie es zusammen passen könne, dass Triptane bezüglich ihrer Wirkung nicht gleich - insgesamt sprechen ca. 70% aller Migränepatienten auf irgendein Triptan an -, aber im Nebenwirkungspotenzial mangels Daten alle eher gleich seien. Aufgrund der wahrgenommenen Beratungskompetenz der Apotheker hat ein anderer Sachverständiger keine Sorge, dass Arzneimittel wie die Triptane breit auf den Markt gestreut werden. Nachfolgend macht ein Sachverständiger noch einmal deutlich, dass er die Gesamtgruppe der Hersteller in der Pflicht sieht, empirisch belastbare Daten für die schon freigestellten Triptane zu liefern, um die Auswirkungen der Freistellungen zu beleuchten. Solange nicht Daten bezüglich der Auswirkungen der Freistellung der Triptane vorlägen, sei eine Entscheidung für eine weitere Freistellung schwer möglich. Ein weiterer Sachverständiger weist darauf hin, dass die Konsistenz von Entscheidungen im Ausschuss gewahrt bleiben muss und ein Antragsteller nicht benachteiligt werden darf. Folgend spricht ein anderer Sachverständiger die Versorgungslage der Bevölkerung an, verweist auf das Problem der hohen „Non-Responder-Rate“ bei den Triptanen und fordert eine Gleichbehandlung der Bevölkerung. Ein Sachverständiger merkt an, dass eine vergleichende Analyse der Triptane auf der letzten Sitzung vom BfArM dargestellt wurde und fasst diese kurz zusammen. Eine Analyse auf Seiten der Hersteller sei eher schwierig, weil es unterschiedliche Hersteller seien. Bereits durchgeführte Analysen in anderen EU-Staaten nach Entlassung aus der Verschreibungspflicht z.B. beim Sumatriptan haben gezeigt, dass bezüglich der Meldehäufigkeit kein nennenswerter Unterschied erkennbar war. Im Folgenden wird die Forderung nach systematischen Untersuchungen zur Evidenz (“Wie wenden Menschen in der Realität Arzneimittel an und welche konkreten Auswirkungen hat das Anwenderverhalten?“) noch einmal durch einen Sachverständigen bekräftigt. Ein weiterer Sachverständiger weist daraufhin, dass immer der gleiche Gutachter bei den vergangenen Anträgen einbezogen wurde. Des Weiteren unterstützt auch er die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen zur Evidenz. Bezüglich der pharmakologischen Aspekte merkt er an, dass eine Freistellung aller drei (Naratriptan, Almotriptan und Zolmitriptan) Substanzen schwierig sei und dass eine Rückführung der anderen freigestellten unter die Verschreibungspflicht aus Missbrauchs- und Toxizitätsaspekten wünschenswert wäre. Ein Kriterium zur Entlassung aus der Verschreibungspflicht könnte die Dialysierbarkeit der Substanz sein. Er fordert Daten, die z.B. aufzeigen, bei welchen der Triptane eine Vergiftung am besten erfolgreich therapierbar sei. Zusammenfassend stellt man fest, dass weiterer Erkenntnisbedarf besteht. Der Vorsitzende bietet an, dass das BfArM die Gewinnung weiterer Erkenntnisse unterstützen könnte. Weiter wird eine Frage bezüglich des Marktes an das BfArM gerichtet, ob es richtig sei, dass es bei einer Freistellung von Zolmitriptan aufgrund von nationalen und europäischen Zulassungen verschreibungspflichtige und apothekenpflichtige Präparate nebeneinander auf dem Markt geben würde. Dies wird vom BfArM bejaht. Ein Sachverständiger möchte wissen, ob es einen Weg gibt, die Entlassung aus der Verschreibungspflicht mit der Auflage, z.B. in drei Jahren Daten zur Anwendungssicherheit beizubringen, zu verknüpfen. Der Vorsitzende hält dies grundsätzlich für möglich. Folgend erläutert er zwei mögliche Alternativen zum weiteren Vorgehen: entweder die Entscheidung zu vertagen bzw. den Antrag zum jetzigen Zeitpunkt abzulehnen bis weitere Erkenntnisse vorliegen, oder dem zuvor vom Sachverständigen gemachten Vorschlag zu folgen.

Abstimmungsergebnis:

Der Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für
Zolmitriptan oral
- zur akuten Behandlung von Migränekopfschmerzen mit und ohne Aura bei Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren, nach der Erstdiagnose einer Migräne durch einen Arzt und nach Anwendung eines Triptans unter Beobachtung durch einen Arzt, in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 2,5 mg je abgeteilter Form und in einer Gesamtmenge von 5 mg je Packung
wird mehrheitlich angenommen.

Da mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Anträge gestellt werden, beantragt ein Sachverständiger eine vergleichende Bewertung aller Triptane, um eine Zunahme des Erkenntnisstandes bezüglich Indikation und möglicherweise tatsächlicher Anwendung der bereits aus der Verschreibungspflicht entlassenen Triptane zu bekommen.
Der Vorsitzende erörtert, dass zu prüfen sein wird, ob im Licht der Erkenntnisse einheitliche Auflagen an die Zulassungsinhaber möglich sind, um eine gewisse Zunahme dieser Erkenntnisse zu erreichen. Auf der nächsten Sitzung wird das BfArM einen Überblick über Maßnahmen, die getroffen werden sollten, geben.


TOP 5: Levobunolol

Antrag auf Streichung der Einschränkung
- zur lokalen Anwendung am Auge

Antrag auf Streichung der Einschränkung
- zur lokalen Anwendung am Auge

Das BfArM führt in das Thema ein.

Der Antrag kommt nach einer unterstützenden Aussage zur Abstimmung.

Abstimmungsergebnis:
Der Antrag auf Streichung der Einschränkung
- zur lokalen Anwendung am Auge

für Levobunolol wird einstimmig angenommen.


TOP 6: Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Phenazon und Propyphenazon

Begrenzung der Packungsgröße für die OTC-Anwendung unter Berücksichtigung der maximalen Therapiedauer von vier Tagen - erweiterte Stellungnahme

Begrenzung der Packungsgröße für die OTC-Anwendung unter Berücksichtigung der maximalen Therapiedauer von vier Tagen
- erweiterte Stellungnahme

Nach einleitenden Worten des Vorsitzenden führt das BfArM in das Thema ein. Der Vorsitzende führt ergänzend aus, dass zwar ein großer Teil der in der Präsentation enthaltenen Daten aus den USA stammt, jedoch auch aus Europa und auch aus Deutschland neuere Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Zum Risikoprofil fügt er hinzu, dass diesbezüglich nicht entscheidend sei, aus welchem Land der Patient stamme, die medizinischen Folgen, positive oder auch negative, seien durchaus vergleichbar.

Besonders zu bedenken sei, dass die sich aus einer längeren Anwendungsdauer von Analgetika ergebenden Risiken und Gefährdungen in der Öffentlichkeit kaum bekannt seien; die betreffenden Arzneimittel würden vielmehr aufgrund der bestehenden Verschreibungsfreiheit als grundsätzlich risikoarm bewertet.

Ein Sachverständiger macht einen Hinweis zur Interpretation der Anzahl von Vergiftungsfällen speziell bei Kindern in den USA und Europa beruhend auf den unterschiedlichen Darreichungsformen z.B. für Acetylsalicylsäure in den USA (dragiert und süß schmeckend). Der Vorsitzende verweist auf die Präsentation und merkt an, dass in Deutschland nicht wenige Vergiftungsfälle bei Kindern, auch ohne diese spezielle Darreichungsform, vorkommen. Ein Sachverständiger bedankt sich für die sehr gute Aufarbeitung der Datenlage durch das BfArM. Anschließend fragt er nach der Vertretbarkeit, da eine Begrenzung der Packungsgrößen auf vier Tage für Acetylsalicylsäure (12 g pro Packung) im Vergleich zum bisher noch nicht umgesetzten Votum der 64. Sitzung mit einer Begrenzung von 10 g Wirkstoff pro Packung zu einer Vergrößerung der OTC-Packung beitragen würde. Das BfArM erläutert, das die Begrenzung auf 4 Tage zum einen hier nur eine leichte Anhebung der Packungsgröße bedeuten würde und zum anderen die Risiken für ASS nur knapp über dem Risikoprofil der anderen diskutierten Arzneimittel läge. Des Weiteren wurde nach einer Erläuterung zur Konzeption und zum Studiendesign der Lewis-Studie gefragt und die Validität dieser Studie hinterfragt unter der Argumentation, dass es eine beträchtliche Anzahl von unbehandelten Personen gegeben habe. Vom BfArM wurde dargestellt, dass es sich hierbei um die Kontrollgruppe handelt und der Hintergrund der OR (Odds Ratio) als Maß für ein Chancenverhältnis wurde dargestellt. Ein Sachverständiger hält das „4-Tage-Prinzip“ für die verschiedenen Substanzen für ein wichtiges Signal an den Verbraucher, dass diese Arzneimittel nicht nur nicht risikolos sind, sondern auch schwerwiegende unerwünschte Wirkungen haben können. Ein anderer Sachverständiger macht darauf aufmerksam, dass die bekannten UAW-Daten nur die Spitze des Eisberges darstellen und die Realität, d.h. vermutlich erheblich höhere Zahlen gar nicht abgebildet werde. Speziell die Erfassung durch die Giftinformationszentralen sei vollkommen lückenhaft. Er schlägt vor, bei den großen Krankenkassen die Diagnose „Leberversagen durch Paracetamol“ oder „gastrointestinale Blutungen“ für die letzten Jahre abzufragen, um zusätzlich belastbare Zahlen zu erhalten. Der Ansicht, dass die tatsächlichen Zahlen viel höher als die vorliegenden Daten sind, wird vom Vorsitzenden zugestimmt. Der Vorschlag einer Anfrage bezüglich genauerer Zahlen bei den großen Krankenkassen wird von Seiten des BfArM grundsätzlich positiv bewertet. Gleichwohl wird angemerkt, dass schon die vorhandenen Zahlen für sich sprechen. Ein Sachverständiger verweist darauf, dass das Statistische Bundesamt diese Daten eventuell liefern könne. Folgend merkt ein anderer Sachverständiger an, dass durch diesen Vortrag des BfArM wichtige Daten vorliegen, die belegen, dass auch im OTC-Bereich eine klare Gefährdung bestünde. Weiter gibt er zu bedenken, dass auch Analgetikakombinationen berücksichtigt werden müssen, da diese in der Kombination vielleicht anders wirken als eine Analgetikamonotherapie. Im Folgenden begrüßt der Sachverständige das Signal, das mit dieser Begrenzung gesetzt wird, weist aber auch noch einmal kurz auf die Unterschiede der einzelnen Substanzen hin und regt an, insbesondere ASS und Paracetamol noch mal einzeln zu betrachten. Ein anderer Sachverständiger merkt an, dass der Datenberg an UAW-Meldungen noch viel gravierender wäre, wenn man Nebenwirkungsmeldungen bei Patienten mit Vorerkrankungen einbeziehen würde. Das BfArM stimmt dem zu und erläutert, dass für diese „Altsubstanzen“ prospektive, randomisierte, kontrollierte klinische Studien fehlen, die bei neueren Substanzen gefordert und mittlerweile auch Standard sind. Problematisch wäre nach Ansicht eines Sachverständigen auch die Erhöhung der Menge bei Phenazon und Propyphenazon von 10 auf 16 g. BfArM und Sachverständige sind sich jedoch darüber einig, dass dies aufgrund des geringen Stellenwertes von Phenazon und Propyphenazon in der EU nicht besonders relevant wäre. Ferner wird durch das BMG angemerkt, dass zur Umsetzung von Voten wirkstoffspezifische Begründungen vorgesehen sind. Weiter wird gefragt, ob es aufgrund dieser „Sammelposition“ mit dem Fokus auf gastrointestinale Nebenwirkungen wirklich begründet sei, für alle diese Wirkstoffe ein gleiches oder ähnliches Risiko anzunehmen, speziell dann, wenn man nicht nur das gastrointestinale Risiko betrachte, sondern auch die anderen Organsysteme, die gegebenenfalls von Nebenwirkungen betroffen sein könnten, mit einbeziehe. Das BMG fragt, ob es gerechtfertigt sei mit dem Argument des Substanzklasseneffektes gleichartige Begrenzungen für alle Substanzen anzuwenden, auch für die Stoffe, für die die Datenlage nicht so gut ist. Weiter wird erörtert, dass die Datenlage bei Phenazon und Propyphenazon sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch bei den Spontanmeldungen sehr dünn sei. Eine Ausgliederung dieser beiden Substanzen aus der 4-Tage Regelung, um die 10 g Begrenzung nicht zu erhöhen, wird vom BfArM angedacht. Ein Sachverständiger erläutert, dass nach seiner Ansicht hier 3 Gruppen von Wirkstoffen vorliegen und nicht alle Stoffe gleich betrachtet werden können. Als Botschaft an den Patienten sei es dennoch wichtig, deutlich zu machen, dass es sich bei diesen Substanzen nicht um „Lutschpastillen“ handelt, sondern mit unerwünschten Wirkungen verbundene Arzneimittel, insbesondere bei chronischer Anwendung. Ein anderer Sachverständiger macht darauf aufmerksam, dass er aus pharmakologischer Sicht eine Erhöhung der Packungsgrößen für Phenazon und Propyphenazon für ungünstig halte, auch gäbe es derzeit auf dem Markt keine größeren als 20er Packungen. Er unterstütze jedoch eine generelle Einnahmebegrenzung auf 3-4 Tage bei Schmerzen und Fieber. Ein anderer Sachverständiger merkt an, dass Phenazon und Propyphenazon in pharmakologischen Standardwerken als obsolet betrachtet würden, so dass sich eine künstliche Abgrenzung dieser Stoffe erübrige. Ein Sachverständiger möchte wissen, ob in den Studien eine Abgrenzung der Indikationen zu sehen sei und was sich ändere, wenn der Patient das Arzneimittel nicht mehr als OTC-Präparat einnehme, sondern vom Arzt verschrieben bekäme. Das BfArM erläutert die Wichtigkeit einer exakten Diagnosestellung bei länger anhaltenden Schmerzzuständen. Der Sachverständige fragt nach Therapiealternativen zu den aufgeführten Arzneimitteln in den großen Indikationsgebieten, zum Beispiel chronische Arthrose. Das BfArM erläutert dazu, dass hier häufig Kombinationstherapien zum Einsatz kommen, um den Schmerzmittelgebrauch für die jeweilige Einzelsubstanz möglichst gering zu halten. Von einem anderen Sachverständigen wird die vom BMG geförderte Untersuchung zur Arzneimitteltherapiesicherheit aus Fürth erläutert. Insbesondere bei den Patienten mit schweren Blutungen oder Anämien unter ASS konnte keine Indikation für diese Einnahme festgestellt werden. Folgend wird noch einmal die Studie von Lewis et al. zwischen Sachverständigen und BfArM diskutiert. Weiterhin stellt ein Sachverständiger die Frage, ob man mit der Verkleinerung der Packungsgrößen das Maß an Aufklärung erreiche, das man erreichen müsse, um einen verantwortungsbewussteren Umgang der Bevölkerung mit diesen Medikamenten zu bewirken, oder ob es andere, bessere Möglichkeiten gäbe. Er bittet um die Gelegenheit, sich alle Daten noch einmal näher anschauen zu können. Ein Sachverständiger stellt die Frage, wie mit ASS zur Thrombozytenaggregation bezüglich der AMVV verfahren werde. Der Vorsitzende merkt an, das es sich hierbei um ein gesondertes Problem handele, mit dem man sich noch beschäftigen müsse. Das BfArM fügt hinzu, dass auf der Sondersitzung die Herausnahme dieser Indikation diskutiert worden sei. Weiter wird vom Sachverständigen diskutiert, ob mit einer Begrenzung der Packungsgrößen ein spezifischer Effekt erzielt werden könne, der den Missbrauch reduziert und ob dieses etwas am Risiko ändere. Wichtig wäre es, ein Signal zu setzen, dass all diese Substanzen nicht harmlos sind. Weiter wird gefragt, ob es überhaupt möglich sei, an Daten heranzukommen, die aufzeigen, dass eine solche Maßnahme zu einer Begrenzung des Risikos führe. Der Vorsitzende bemerkt, dass eine solche Bewertung eventuell retrospektiv möglich sei. Ein Sachverständiger führt aus, dass, wenn man das europäische Umland betrachte, man sich an den Besten orientieren solle, wie zum Beispiel Dänemark und UK, die eine 20er Packungsgrößenbegrenzung schon umgesetzt haben. Folgend wird von einem anderen Sachverständigen ausgeführt, dass man bezüglich der empirischen Daten bekanntlich nicht viel weiter komme und gute Arzneimittelverbrauchsdaten und Einnahmemuster benötigt würden. Aus ärztlicher Sicht stelle sich für ihn die Frage, wie lange ein Patient Fieber oder Schmerzen tatsächlich selbst behandeln dürfe. Des Weiteren wird diskutiert, ob auch durch einen speziellen Aufdruck auf der äußeren Packung oder einen besonderen Hinweis im Beipackzettel (Behandlung pro Episode maximal 3 oder 4 Tage) ein Effekt erzielt werden könnte. Eine solche Kennzeichnung hätte die Industrie schon längst umsetzen können. Zusammenfassend wird eine Begrenzung auf eine Behandlung von 3 bzw. 4 Tagen vom Sachverständigen unterstützt. Wenn die Tabletten billiger als Bonbons seien, dann sei es schwer, das Bewusstsein der Patienten zu schärfen, wird von einem anderen Sachverständigen eingeworfen. Der vorherige Vorschlag der Dreiteilung der Begrenzung wird auch von einem anderen Sachverständigen unterstützt. Er legt dar, dass die Datenlage für Acetylsalicylsäure und Paracetamol sich sehr wohl von der zu Diclofenac und Ibuprofen unterscheide. Propyphenazon und Phenazon spielten schon wegen ihres geringen Marktanteils in Deutschland keine Rolle und könnten auch bei 2 Tagen Behandlung pro Packung verbleiben, was dann gleichzeitig einen lenkenden Effekt hätte. Er weist ferner darauf hin, dass ein lenkender Effekt der Packungsgrößenbeschränkung bei den Triptanen nie bezweifelt wurde und insoweit kein Unterschied zu den Analgetika bestehen sollte. Von einem anderen Sachverständigen wird angemerkt, dass aus den Daten eine 4-Tages Begrenzung für Ibuprofen nicht zu begründen sei. Ein Sachverständiger wünscht, die heutige Runde als Diskussionsrunde zu betrachten und in der Detailkenntnis der neuen Unterlagen auf der nächsten Sitzung zum Abschluss zu kommen, wobei er auch eine Überarbeitung der Verpackungen als Maßnahme zur Therapiesicherheit der Patienten in Betracht ziehe. Ein Sachverständiger erwartet, dass die vorgeschlagene Packungsgrößenbegrenzung zu einem starken Anstieg der Preise dieser Arzneimittel führen werde. Ein anderer Sachverständiger meint, dass auch die nochmalige Durchsicht der Daten keine neuen Erkenntnisse als die bisher dargestellten liefern würde und das Thema zum Ende gebracht werden sollte.

Der Vorsitzende dankt den Sachverständigen für ihre fundierten und konstruktiven Beiträge zur Diskussion. Er fasst zusammen, dass nach allgemeiner Erfahrung bei allen Meldungen unerwünschter Wirkungen oder Vergiftungen ein erhebliches „Underreporting“ vermutet werden könne. Daraus könne schon heute geschlossen werden, dass ein Fehlgebrauch eher häufig als selten sei; schon dies würde eine Unterstellung, grundsätzlich sogar eine vollständige Unterstellung unter die Verschreibungspflicht begründen. Ein solches Vorgehen sei aber unverhältnismäßig, da eine Selbstmedikation bei Fieber oder Schmerzen mit banaler Ursache über einen Zeitraum bis zu 4 Tagen in vielen Fällen durchaus erfolgreich und risikoarm sei. Würde man die Patienten zwingen, auch in diesen Fällen einen Arzt aufzusuchen, würde dies die Kapazitäten der Arztpraxen vermutlich überfordern. Er ergänzt, dass Suizide zwar auch durch eine Packungsgrößenbegrenzung nicht vollständig verhindert werden könnten, jedoch handele es sich bei Suiziden oft um spontane Entschlüsse, die sich nach dem richten würden, was gerade an Mitteln verfügbar sei. Die Suizidhäufigkeit bei jungen Frauen mit Paracetamol sei seit Begrenzung der Packungsgröße zurückgegangen. Betreffend der Handhabung der Packungsgröße in anderen Ländern erörtert der Vorsitzende, dass auch diese sich wahrscheinlich in einem Diskussionsstadium über verschiedene denkbare Maßnahmen befänden. Soweit hierbei auch ökonomische Erwägungen eine Rolle spielten, seien sie jedenfalls für den Sachverständigenausschuss nachrangig gegenüber seinem Auftrag im Sinne des Gesundheitsschutzes. Unstrittig sei, dass die Risiken des Analgetikagebrauchs mit der Anwendungsdauer steigen und ein angemessenes Risikomanagement notwendig ist. Es bedürfe daher einer einheitlichen, dem unbedarften Patienten oder Verbraucher vermittelbaren Begrenzung, die sich an der Einnahmedauer und den üblichen medizinischen Grundsätzen orientiere. Die Einführung einer Begrenzung müsse von einer wirksamen, breiten Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden, um das Risikopotenzial bekannt zu machen. Die vorliegenden Daten würden soweit möglich bis zur nächsten Sitzung vertieft und in ein Gesamtkonzept eingebaut werden. In ein solches Konzept könnten ergänzend risikobegrenzende Maßnahmen einfließen, wie sie von einigen Sachverständigen vorgeschlagen worden seien. Weitere Vorschläge, Wünsche und Anregungen dazu seien willkommen. Das BfArM werde dann eine aktuelle Beschlussvorlage erarbeiten, auf deren Grundlage eine Entscheidung in der nächsten Sitzung möglich sein sollte. Die Sachverständigen stimmen diesem Vorgehensvorschlag zu.

Beratungsergebnis:
Eine neue Regelung zur Begrenzung der Packungsgrößen für Analgetika soll auf der nächsten Sitzung verabschiedet werden.


TOP 7: Paracetamol - auf die 69. Sitzung verschoben

Antrag auf Unterstellung unter die Verschreibungspflicht

TOP 8: Racecadotril

- ausgenommen zur akuten Behandlung von Durchfall bei Erwachsenen (>18 Jahren), in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung als Hartkapsel, in Konzentrationen von 100 mg je abgeteilter Form mit einer Anwendungsdauer von bis zu 3 Tagen und in Packungsgrößen bis zu 10 Hartkapseln
Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht
- ausgenommen zur akuten Behandlung von Durchfall bei Erwachsenen (>18 Jahren), in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung als Hartkapsel, in Konzentrationen von 100 mg je abgeteilter Form mit einer Anwendungsdauer von bis zu 3 Tagen und in Packungsgrößen bis zu 10 Hartkapseln

Der externe Sachverständige des Antragstellers führt in das Thema ein.

Ein Sachverständiger fragt im Anschluss des Vortrags, ob der Antragsteller überhaupt für den deutschen Markt die Zulassung hätte, worauf erwidert wurde, dass der Zulassungsantrag derzeit offen sei.
Ein anderer Sachverständiger hinterfragt den Sinn des Vergleichs von Racecadotril mit Loperamid. Ferner stellt er fest, dass sich die Hoffnungen, die damals in Racecadotril gesetzt worden wären, weder für Erwachsene noch für Kinder erfüllt hätten und ob der Wirkstoff somit überhaupt gebraucht würde. Der externe Sachverständige betont, dass bewusst ausschließlich die Erwachsenenindikation beantragt wurde und zum Vergleich von Racecadotril mit Loperamid führt er aus, dass bei mindestens gleicher Wirksamkeit eine konsistent bessere Verträglichkeit für Racecadotril vorliege. Die im Falle einer Zulassung verfügbare OTC-Alternative für die Behandlung des akuten Durchfalls erhöhe die Sicherheit der Arzneimitteltherapie.
Ein Sachverständiger weist auf unterschiedliche Begrifflichkeiten in der Antragstellung hin – Diarrhö als Erkrankung – bzw. in der Stellungnahme des BfArM – Diarrhö als Symptom. Die akute Diarrhö sei ein selbstlimitierendes Ereignis und die wichtigste medizinische Maßnahme sei es, den Wasser- und Elektrolythaushalt im Auge zu behalten. Der externe Sachverständige antwortet, auch er sähe die Diarrhö als Symptom, das selbstlimitierend sei, aber mit Racecadotril könne man die Dauer des Durchfalls verkürzen, was von den Patienten gewünscht werde. Im Übrigen sei die Wirkschiene ähnlich wie bei Loperamid, allerdings im Gegensatz zu Loperamid ohne eine Motilitätshemmung.
Ein weiterer Sachverständiger fragt nach Erfahrungen und Studienergebnissen von im Markt befindlichen racecadotrilhaltigen Arzneimitteln in Deutschland. Der Experte antwortet, dass die Daten nicht auf Deutschland heruntergebrochen werden könnten, da die meisten Studien international durchgeführt worden seien. In Deutschland werden racecadotrilhaltige Produkte für Erwachsene seit 2008 von der Firma Abbott im Rx-Bereich vertrieben.
Ein Sachverständiger hat ein Verständnisproblem bezüglich der Beeinflussung der Bioverfügbarkeit durch die Ernährung und der Spitzenaktivität, wie in den Firmenunterlagen dargestellt.
Von einem Sachverständigen wird festgestellt, dass gegen Loperamid unter Gastroenterologen und Kinderärzten erhebliche Bedenken aufgrund der motilitätshemmenden Eigenschaften bestehen. Die Berechtigung dieser Bedenken habe sich bei der EHEC -Epidemie gezeigt. Daher solle man Loperamid auch nicht als Vergleich heranziehen. Der externe Sachverständige hebt daraufhin noch einmal den Vorteil von Racecadotril hervor, welches eben nicht die motilitätshemmende Wirkung hat.
Ferner stellt der Sachverständige die Aussagekraft der Zulassungsstudien aufgrund der geringen Fallzahlgröße in Frage.
Ein Sachverständiger lässt sich die Absatzzahlen in der beigefügten Tabelle erläutern.

Das BfArM ergänzt die Ausführungen.

Abstimmungsergebnis:
Der Antrag, Racecadotril in der beantragten Ausnahme aus der Verschreibungspflicht zu entlassen,
wird abgelehnt.

Der Ausschuss begründet seine ablehnende Haltung mit einer unzureichenden Datenlage und fordert eine Nachreichung, speziell von Daten aus dem OTC-Bereich. Nach Einreichung aller geforderten ergänzenden Daten kann der pharmazeutische Unternehmer seinen Antrag erneut dem Ausschuss vorstellen.

TOP 9: Verschiedenes

Das BMG erfüllt den Wunsch des Ausschusses, zu erklären, warum bestimmte Voten aus der Vergangenheit nicht umgesetzt wurden:

Votum zur „Pille danach“ – findet im Bundesrat keine Mehrheit,
Votum zu Calcipotriol zur äußerlichen Anwendung – das BfArM und die Deutsche Dermatologische Gesellschaft lehnen die Umsetzung ab, weil die großflächige Anwendung von Calcipotriol zu einer Beeinträchtigung des Calciumhaushalts führen kann,
Votum zu Ipratropiumbromid intranasal – die insgesamt mangelnden Anwendungserfahrungen sprechen gegen eine Umsetzung,
Votum zu Sumatriptan – die Packungsbeilagen sollten mit entsprechenden Sicherheitshinweisen versehen werden, das BMG konnte dem Votum nicht folgen, weil das UAW- Spektrum höhere Anwendungsrisiken beinhaltet und die Umsetzung des Votums auf einen gespaltenen Markt hinausgelaufen wäre .

Es wird von einem Sachverständigen darauf hingewiesen, dass auch das Votum aus dem Jahre 2010 zur Begrenzung der Packungsgrößen bei den Analgetika bislang nicht umgesetzt worden ist.

Der Vorsitzende dankt allen Anwesenden und Ausschussmitgliedern und schließt die Sitzung.


Termin der nächsten Sitzung:
Dienstag, der 26.06.2012
Beginn: 10.00 Uhr
Sitzungsort: Bonn
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3

Alternativ zur Online-Version können Sie hier die PDF-Version des Protokolls herunterladen:

Anlagen:

Voten und Begründungen zu Positionen, deren Änderung zugestimmt wird (TOP 4 und 5)
Präsentation Duraphat BfArM
Präsentation Zolmitriptan oral BfArM
Präsentation externer Sachverständiger Zolmitriptan
Präsentation Levobunolol BfArM
Präsentation externer Sachverständiger Racecadotril
Präsentation Racecadotril BfArM