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86. Sitzung (25. Januar 2023 per Videokonferenz) – Ergebnisprotokoll

Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht nach § 53 Absatz 2 AMG

Ort:
per Videokonferenz

Teilnehmende:
Der Vorsitzende
Sachverständige des Ausschusses für Verschreibungspflicht
Vertreterinnen/Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
Vertreterinnen/Vertreter des BfArM

Hinweis:
Der Ausschuss unabhängiger Sachverständiger nach § 53 Absatz 2 AMG berät das BMG im Hinblick auf Fragen zur Verschreibungspflicht von Arzneimitteln und gibt hierzu fachliche Empfehlungen ab. Mit diesen Ausschussempfehlungen wird der – in jedem Einzelfall erforderlichen – Entscheidung des jeweils zuständigen Bundesministeriums nicht vorgegriffen. Änderungen der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) erfolgen durch Rechtsverordnungen des BMG; diese Verordnungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Tagesordnung:

TOP 1 Eröffnung der Sitzung

Der Vorsitzende weist darauf hin, dass dies die erste Sitzung der neuen Berufungsperiode ist. Zudem hätte sich infolge der neuen Tierarzneimittelgesetzgebung die Ausschusszusammensetzung geändert und der Ausschuss sei kleiner geworden. Der Vorsitzende begrüßt die Anwesenden und heißt insbesondere die neuen Mitglieder und Stellvertretungen willkommen. Es wird festgestellt, dass bei keinem Ausschussmitglied ein Interessenkonflikt besteht. Bezüglich des virtuellen Formats der Sitzung werden einige technische Hinweise gegeben. Ferner wird die Beschlussfähigkeit des Gremiums festgestellt.

TOP 2 Annahme der Tagesordnung

Ein Ausschussmitglied bittet unter „Verschiedenes“ um Informationen zur Umsetzung der Empfehlung des Ausschusses zu Sildenafil, dessen Freistellung von der Verschreibungspflicht auf der letzten Sitzung des Ausschusses einstimmig abgelehnt worden sei.

TOP 3 Einführung

Aufgrund der neuen Berufungsperiode gibt das BfArM einen allgemeinen Überblick über die Arbeit des Ausschusses und stellt die Geschäftsordnung vor.

Die Ausschussmitglieder diskutieren die Frage des Sitzungsformates (Präsenzsitzung oder virtuelle Sitzung). Für die Sommersitzung 2023 wird eine Präsenzsitzung angestrebt.

TOP 4 Letzte Änderungen in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV)

Das BfArM stellt die letzten Änderungen der AMVV vor. Zudem wird eine Übersicht über die im Herbst 2022 unter Beteiligung des Ausschusses vorgenommenen Änderungen der Geschäftsordnung (GO) des SVA gegeben.

TOP 5 Cytisin 1,5 mg

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht

Zunächst trägt der Antragsteller vor. Anschließend beantwortet er die von den Ausschussmitgliedern an ihn gerichteten Fragen:
Ein Ausschussmitglied fragt bezüglich schwerer Nebenwirkungen in Portugal nach. Bei diesen handelt es sich nach Angaben des Antragstellers um Übelkeit und Erkrankungen des Verdauungstraktes. Ein anderes Ausschussmitglied sieht Parallelen zum Wirkstoff Vareniclin sowie hier aufgetretener Nebenwirkungen und möchte Auskunft diesbezüglich. Der Antragsteller antwortet, dass es aus dem Jahr 2016 Daten gäbe, die ein deutlich besseres Sicherheitsprofil für Cytisin im Vergleich zu Vareniclin belegen würden, außerdem handele es sich um vollkommen unterschiedliche Substanzen. Ein weiteres Ausschussmitglied fragt bezüglich Daten zu Patienten mit Niereninsuffizienz. Der Antragsteller führt aus, dass es Studien hierzu nicht gäbe, Post-Marketing-Daten würden aber nicht auf Probleme bei diesen Patienten hinweisen.

Da keine weiteren Fragen bestehen, verlässt der Antragsteller den virtuellen Sitzungsraum.

Das BfArM eröffnet die weitere Diskussion zu dem TOP mit einer Präsentation.

Ein Ausschussmitglied merkt an, dass die Selbstdiagnose hier möglich und die Nebenwirkungen überschaubar seien. In einer publizierten Studie hätte die Nebenwirkungsrate nur leicht über Placeboniveau gelegen. Einer Freistellung von der Verschreibungspflicht wäre eher zuzustimmen. Das BfArM führt aus, dass das komplexe Dosierungsschema und die Leitlinienvorgaben bezüglich einer stufenweisen Therapie gegen die Freistellung sprächen.

Ein anderes Ausschussmitglied äußert, dass die Substanz vergleichbar mit Vareniclin aber nicht so gut untersucht sei. Mögliche Suizide könnten – wie bei anderen Suchtentwöhnungsbehandlungen auch – ein Problem sein. Ein OTC -Status für entsprechende Substanzen sei daher kritisch zu betrachten.

Ein weiteres Ausschussmitglied führt aus, dass es hinsichtlich der Anwendung von Cytisin ein Ost-West-Gefälle in Deutschland gäbe. Das Dosierungsschema sei für Patienten umsetzbar bzw. nicht besonders kompliziert und die Nebenwirkungen seien überschaubar. Eine Freistellung sei daher möglich. Diese Position wird von weiteren Ausschussmitgliedern im Verlauf der Diskussion unterstützt. Verschiedene Ausschussmitglieder merken an, dass die Dosierungsvorgaben bei den verschiedenen Nicotinersatztherapeutika z. T. auch sehr komplex seien und die Patienten diese (daher) oft unterdosieren würden.

Von einem Ausschussmitglied wird angemerkt, dass die vorliegenden Meldungen zu schwerwiegenden Nebenwirkungen bedenklich seien.

Ein anderes Ausschussmitglied äußert Bedenken bezüglich der Anwendung bei Niereninsuffizienz. Hier gäbe es keine adäquaten Daten. Formal sei zudem die Anwendung bei Nierenfunktionsstörungen nicht empfohlen.

Im weiteren Verlauf wird der Stellenwert von Leitlinienempfehlungen bei Entscheidungen zur Verkaufsabgrenzung kurz diskutiert.

Da es keine weiteren Fragen oder Anmerkungen gibt, bittet der Vorsitzende um Abstimmung.

Abstimmung:

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt mehrheitlich, den Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für Cytisin 1,5 mg zur oralen Anwendung abzulehnen.

TOP 6 Bilastin 10 mg

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht

Zunächst trägt der Antragsteller vor. Anschließend beantwortet er die von den Ausschussmitgliedern an ihn gerichteten Fragen:

Ein Ausschussmitglied fragt bezüglich der Erklärung für schwerwiegende neurologische Nebenwirkungen, die für 6-11-jährige Kinder in der europäischen Datenbank EudraVigilance verzeichnet seien. Ein anderes Ausschussmitglied fragt bezüglich der erwähnten Studie, die Kinder zwischen 2-11 Jahren eingeschlossen hätte. Der Antragsteller führt aus, dass der Zulassungsantrag sich nur auf Kinder ab 6 Jahren bezogen hätte, daher würden die hier dargestellten Daten auch nur diese Altersgruppe umfassten.

Da keine weiteren Fragen bestehen, verlässt der Antragsteller den virtuellen Sitzungsraum.

Das BfArM eröffnet die weitere Diskussion zu dem TOP mit einer Präsentation.

Ein Ausschussmitglied fragt, ob es aus kinderärztlicher Sicht vertretbar sei, dass Eltern die Substanz/die entsprechenden Medikamente ohne ärztliche Konsultation verabreichen könnten. Das BfArM weist darauf hin, dass es in der Indikation bereits verschreibungsfreie Therapiealternativen – z. T. bereits für Kinder ab 2 Jahren – gäbe. Ein Ausschussmitglied weist darauf hin, dass in dieser Altersklasse die meisten Eltern mit ihren Kindern zum Kinderarzt gingen und eine Selbstmedikation hier nicht sehr häufig sei. Das Nebenwirkungsprofil scheine eine geringe Rolle zu spielen, der Empfehlung des BfArM könne gefolgt werden.

Da es keine weiteren Fragen oder Anmerkungen gibt, bittet der Vorsitzende um Abstimmung.

Abstimmung:

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt mehrheitlich, den Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für Bilastin 10 mg in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung anzunehmen.

TOP 7 Olopatadin

Das BfArM eröffnet den TOP mit einer Präsentation.

Ein Ausschussmitglied bittet nochmals um Darlegung der regulatorischen Aspekte der Verkaufsabgrenzung bei zentral zugelassenen Arzneimitteln. Das BfArM erläutert, dass die Verkaufsabgrenzung von zentral durch die Europäische Kommission zugelassenen Arzneimitteln nicht über die AMVV zu regeln und von AMVV-Änderungen nicht berührt sei. Ein anderes Ausschussmitglied merkt an, dass der Wortlaut bezüglich der zentralen Zulassungen in den Positionsformulierungen teilweise zu Irritationen führe. Die Prüfung einer Nachjustierung wird angeregt.

Da es keine weiteren Fragen oder Anmerkungen gibt, bittet der Vorsitzende um Abstimmung.

Abstimmung:

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt einstimmig, den Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für Olopatadin zur Anwendung am Auge anzunehmen.

TOP 8 Nifuroxazid

Das BfArM eröffnet den TOP mit einer Präsentation.

Ein Ausschussmitglied äußert, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis für die Substanz als negativ anzusehen sei. Der Antrag des BfArM würde voll unterstützt. Sofern möglich, sollte den entsprechenden Arzneimitteln die Zulassung entzogen werden.

Ein anderes Ausschussmitglied weist darauf hin, dass das Mikrobiom eine bedeutende Rolle z. B. in der Onkologie spiele. Nifuroxazid sollte auch unter diesem Aspekt nicht ohne Verschreibungspflicht verfügbar sein.

Da es keine weiteren Fragen oder Anmerkungen gibt, bittet der Vorsitzende um Abstimmung.

Abstimmung:

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt einstimmig, den Antrag auf Unterstellung unter die Verschreibungspflicht für Nifuroxazid anzunehmen.

TOP 9 Zubereitung aus Azelastin und Fluticasonpropionat zur nasalen Anwendung

Zunächst trägt der Antragsteller vor. Anschließend beantwortet er die von den Ausschussmitgliedern an ihn gerichteten Fragen:

Das BfArM fragt bezüglich des hohen Anteils von schwerwiegenden Nebenwirkungen unter Fluticason-Mono-Nasenspray nach. Der Antragsteller antwortet, dass dies Daten aus der Spontanerfassung und der Literatur seien. Dabei würde es sich überwiegend um Fälle von Nasenbluten handeln. Hier dürfte zudem auch die z. T. vorhandene Co-Medikation eine Rolle gespielt haben. Ein Ausschussmitglied merkt dazu an, dass diese Fallberichte ggf. schwerwiegend im Sinne von „medically important“ seien.

Da keine weiteren Fragen bestehen, verlässt der Antragsteller den virtuellen Sitzungsraum.

Das BfArM eröffnet die weitere Diskussion zu dem TOP mit einer Präsentation.

Das BfArM erläutert Hintergründe bezüglich der zwei verschiedenen Indikationen der Kombination und zur Zulassung der Indikation „schwere allergische Rhinitis“.

Ein Ausschussmitglied unterstützt die Ausführungen und die ablehnende Empfehlung des BfArM. Patienten mit schweren Erkrankungsverläufen sollten ärztlich behandelt werden.

Ein anderes Ausschussmitglied weist darauf hin, dass die Einzelsubstanzen jetzt bereits OTC-Status hätten und damit eine kombinierte Anwendung durch Patienten möglich sei. Wenn man beides möchte, sei die Anwendung der Fixkombination einfacher.

Ein anderes Ausschussmitglied hält ein niederschwelliges Angebot im OTC-Bereich mit einer effektiven Kombination für zielführend. Ein weiterer Vorteil sei die bessere Aufnahme der Kombination über die Nasenschleimhaut im Vergleich zur sequenziellen Anwendung der Einzelsubstanzen.

Ein weiteres Ausschussmitglied äußert Bedenken bezüglich eines Missbrauchs der Kombination im Sinne einer nicht indizierten Anwendung. Die Indikation bedürfe einer ärztlichen Diagnose.

Von einem Ausschussmitglied wird angemerkt, dass der Ausschuss in der Vergangenheit für die Freistellung von Mometason und Fluticason zur nasalen Anwendung votiert hätte und dass durch die ärztliche Erstdiagnose eine adäquate ärztliche Diagnose erfolgen würde. Die Kombination sei besonders effektiv und geeignet einen Etagenwechsel zu verhindern.

Ein Ausschussmitglied unterstützt die Ausführungen des BfArM und spricht sich gegen eine Freistellung der Kombination aus.

Für ein anderes Mitglied spricht unter dem Aspekt, dass die Mono-Komponenten bereits ohne Verschreibungspflicht verfügbar sind, nichts gegen die Freistellung der Kombination.

Ein weiteres Ausschussmitglied hat Bedenken, dass die Kombination auch bei geringem Schweregrad der Erkrankung eingesetzt werden könnte und es damit zu einem zu breiten Einsatz kommen könne. Die Bedenken einer inadäquaten Anwendung könnten nach Ansicht eines anderen Ausschussmitglieds bei einer OTC-Anwendung immer eingebracht werden. Dann müsste die Freistellung von Substanzen generell hinterfragt werden. Seitens des BfArM wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Kombination zur Behandlung schwerer Erkrankungsverläufe vorgesehen sei und die Einschätzung des Patienten diesbezüglich fraglich erscheint.

Ein Ausschussmitglied merkt an, dass für die nasale Therapie der saisonalen allergischen Rhinitis etliche Wirkstoffe ohne Verschreibungspflicht zur Verfügung stünden und die Selbstdiagnose in diesem Bereich etabliert sei. Bei besonders schweren Verläufen würden die Patienten den Arzt aufsuchen und auch entsprechend in der Apotheke beraten werden. Seitens des BfArM wird nochmals auf die Indikation der schweren Rhinitis fokussiert, die der Patient selbst korrekt stellen müsste. Patienten mit schweren Erkrankungsverläufen sollten nach Ansicht des BfArM zudem ärztlich betreut werden.

Der Vorsitzende schließt die umfangreiche Diskussion ab und bittet um Abstimmung.

Abstimmung:

Der Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für die Zubereitung aus Azelastin und Fluticasonpropionat zur nasalen Anwendung findet im Sachverständigen-Ausschuss nicht die erforderliche Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten.

TOP 10 Verschiedenes

Zu der am Anfang der Sitzung gestellten Frage zu Sildenafil führt das BMG aus, dass die Frage der Verschreibungspflicht im BMG neu aufgegriffen worden sei insbesondere in Hinblick auf die Risiken und Gefahren des illegalen Onlinehandels. Derzeit würde eine Prüfung erfolgen, der Ausschuss würde ggf. erneut einbezogen werden.

Termin der 87. Sitzung
11. Juli 2023 - 10 Uhr

Alternativ zur Online-Version können Sie hier die pdf-Version des Protokolls herunterladen:

Anlagen (Hinweis: personengebundene und vertrauliche Angaben in den Präsentationen/Anlagen wurden geschwärzt):

Präsentation zu TOP 3 BfArM
Präsentation zu TOP 4 BfArM
Präsentation zu TOP 5 BfArM
Präsentation zu TOP 6 BfArM
Präsentation zu TOP 7 BfArM
Präsentation zu TOP 8 BfArM
Präsentation zu TOP 9 BfArM
Empfehlung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) (zu TOP 6, TOP 7 und TOP 8)