BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Der Vorsitzende erläutert die Vorgeschichte.
Im Januar 2008 empfahl der Ausschuss die Begrenzung der rezeptfrei erhältlichen Packungsgröße von Paracetamol auf 10 g.
Zu diesem Zeitpunkt habe der Ausschuss den Wunsch geäußert, für alle verschreibungsfrei erhältlichen nicht-steroidalen Schmerzmittel eine Begrenzung einzuführen, um den Anschein zu vermeiden, ohne Begrenzung erhältliche Analgetika seien in der Anwendung sicherer als rezeptpflichtige.

Bereits in seiner 64. Sitzung im Januar 2010 verabschiedete der Ausschuss die Empfehlung, die Packungsgrößen für Diclofenac, Ibuprofen, Acetylsalicylsäure, Phenazon und Propyphenazon zu begrenzen. Aus pragmatischen Gründen sei dabei für jeden Wirkstoff, ausgehend von seiner maximalen Tagesdosis und einer maximalen Einnahmedauer von 4 Tagen, die jeweils am besten passende und bereits im Markt vorhandene Packungsgröße empfohlen worden. Je nach Wirkstoff führe diese Regelung dazu, dass die freigestellte Packungsgröße eine Behandlungsdauer zwischen 3,5 und 6,6 Tagen ermöglicht.

In der letzten Zeit werde bei europäischen Zulassungen von Schmerzmitteln die Anwendungsdauer auf 3 Tage für Fieber bzw. 4 Tage zur Behandlung von Schmerzen begrenzt. Diese Regelung trage den bekannten Risiken einer Behandlung mit diesen Wirkstoffen Rechnung. Um eine einheitliche rezeptfreie Versorgung über 4 Tage für jeden der o.g. Wirkstoffe sicher zu stellen, sei für den aktuellen Antrag ein entsprechend modifizierter Vorschlag erarbeitet worden.

Anschließend erläutert ein Vertreter des BfArM die Intention des Antrags (s.

). Ziel einer Unterstellung größerer Packungen sei das Signal an die Patienten, dass die Anwendung dieser Schmerzmittel nicht ohne Risiken ist. Der frühere Vorschlag war pragmatisch und orientierte sich an der vierfachen maximalen Tagesdosis und einer marktüblichen Packungsgröße. Das BfArM sei aber von verschiedenen Seiten darauf angesprochen worden, dass die dadurch verschreibungsfrei erhältlichen Mengen inkonsistent, weil für jeden Wirkstoff unterschiedlich seien. Daher erfolgte für den überarbeiteten Vorschlag eine Anpassung der Packungsgrößen an eine einheitliche maximale Anwendung über 4 Tage in der maximal empfohlenen Tagesdosis. Ein Patient mit nach Ablauf von 4 Tagen weiter bestehenden Schmerzen bzw. Fieber solle zur Abklärung der Ursache einen Arzt aufsuchen. Diesbezüglich bestehe auch unter den europäischen Ländern Konsens. Im Sinne des Patientenschutzes sei dieser neue Vorschlag gemacht worden, damit künftig alle verschreibungsfrei erhältlichen Analgetika von Patientinnen und Patienten als gleichrangig wahrgenommen werden. Ein europäischer Konsens bestehe für die Begrenzung der Therapiedauer. Die Auswahl von Packungsgrößen, die national verfügbar sein sollen, treffe dagegen die jeweilige Behörde im Rahmen der Zulassung.

(Redaktionelle Anmerkung: Im Rahmen europäischer Zulassungsverfahren beantragt jeder Hersteller eine Palette an möglichen Packungsgrößen. Jede Behörde eines Mitgliedslandes hat das Recht, daraus die Packungsgrößen auszuwählen, die national verfügbar sein sollen. Für dieses Verfahren spielt es daher keine Rolle, wer als Reference Member State (RMS) die Verantwortung für das gesamte Verfahren trägt.)

Auf entsprechende Nachfrage erläutert ein Vertreter des BMG, dass die frühere Empfehlung des Ausschusses nicht umgesetzt wurde, weil die Orientierung an im Markt bereits vorhandenen Packungsgrößen nicht vereinbar sei mit einer im Arzneimittelgesetz geforderten, wirkstoffbezogenen Begründung für die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht.

Der Ausschuss hatte seine Empfehlung zur Packungsgrößenbegrenzung aufgrund der als Anlage zum Protokoll der 64. Sitzung publizierten Begründung des BfArM abgegeben. Weitergehende, stoffbezogene Begründungen für die Unterstellung der einzelnen analgetischen Wirkstoffe wurden auf Anforderung des BMG im Nachgang erstellt und liegen dort vor.

Ein Sachverständiger hält Harmonisierungsbestrebungen in Europa allgemein für sinnvoll, allerdings nicht für den Bereich der Arzneimittelversorgung, da Arzneimittel sehr heterogen angewendet würden. Er plädiert grundsätzlich für eine Obergrenze der verschreibungsfrei erhältlichen Packungsgrößen bei Schmerzmitteln, hält aber die Grenze von 4 Tagen für zu niedrig. Bei einer Umsetzung sieht er eine Kostenlawine sowohl auf Patienten mit chronisch-rezidivierenden Schmerzen als auch auf die GKV zukommen. (Redaktionelle Anmerkung: Nach § 48 AMG stellt die Frage ggf. entstehender Kosten kein Kriterium für eine Unterstellung unter oder eine Entlassung aus der Verschreibungspflicht dar.) Er bemängelt das Fehlen empirischer Daten zur Dauer von Schmerzmittelanwendungen. Es gäbe solche Studien, die zeigten, dass die vorgeschriebene Anwendungsdauer in der Regel eingehalten würde. Aus seiner Sicht gäbe es relativ wenig empirische Evidenz dafür, dass bisher die Anwendung von rezeptfreiem Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen unvertretbare Risiken in Form von Arzneimittelnebenwirkungen mit sich bringe. Dieser Ausschuss sei zudem nicht für eine europäische Harmonisierung, sondern nur für die Regelungen innerhalb Deutschlands zuständig.

Ein Sachverständiger stellt die Zuständigkeit des Ausschusses in Frage, da bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der zur Rede stehenden Arzneimittel keine Risiken bekannt seien.

Der Vertreter des BfArM bestätigt, dass es nur wenige belastbare Daten zur (Fehl-) Anwendung von verschreibungsfrei erhältlichen Schmerzmitteln gibt. Auf der anderen Seite sei gerade in den letzten Jahren immer mehr über die Risiken dieser Wirkstoffe bekannt geworden. Auch wenn es keine aktuell neuen Erkenntnisse gäbe, bestehe doch aufgrund der bereits bekannten Nebenwirkungen, insbesondere der gastrointestinalen, Handlungsbedarf. Es gäbe epidemiologische Untersuchungen, die zeigen, dass Nebenwirkungen der Schmerzmittel weniger vom Wirkstoff oder von der eingenommenen Dosis abhängen, sondern von der Dauer ihrer Anwendung. Diese Untersuchungen seien es auch, die eine Grenze von ca. 3-4 Tagen aufzeigen, ab der das Risiko für Nebenwirkungen ansteigt. Aus diesen Gründen wolle das BfArM mit einer Begrenzung der verschreibungsfrei erhältlichen Menge das Signal an die Patienten senden, dass diese Arzneimittel nicht für eine längerfristige Anwendung gedacht sind.

Ein weiterer Vertreter des BfArM bestätigt, dass das Nebenwirkungsprofil der betreffenden Schmerzmittel im Rahmen der 64. Sitzung des Ausschusses diskutiert wurde. Dieses Risikoprofil sei im Nachgang auf Anforderung des BMG nochmals detailliert beschrieben worden, eine ausführliche Bewertung der Risiken jedes einzelnen Wirkstoffs läge daher vor. Diese Dokumente seien den vorbereitenden Unterlagen für die aktuelle Sitzung nicht mehr beigefügt worden, da der Ausschuss bereits in der 64. Sitzung seine Empfehlung für die Packungsgrößenbegrenzung ausgesprochen hat und nun nur noch die Diskussion darum anstünde, ob die Packungsgröße für eine Dauer von 3,5 – 6 Tagen, wie in der 64. Sitzung empfohlen, oder einheitlich für 4 Tage ausreichen solle.

Weiterhin habe das BfArM den so benannten ‚europäischen Konsens’ auf die Anwendungsdauer von maximal 3-4 Tagen und nicht auf die in den europäischen Ländern verfügbaren Packungsgrößen bezogen.

Ein Vertreter des BMG bestätigt, dass die erforderlichen wirkstoffbezogenen Darstellungen bezüglich der Risiken bereits vorliegen, auch zu Phenazon und Propyphenazon.

Ein externer Sachverständiger erläutert die aus seiner Sicht bestehenden Gefahren der größeren Schmerzmittelpackungen für den wachsenden Anteil von über 60jährigen Menschen mit einer altersbedingten Einschränkung der Nierenfunktion sowie einer Behandlung mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) zur Antikoagulation. Nach seiner Erfahrung versorgen sich diese Patienten häufig zusätzlich in der Selbstmedikation mit Schmerzmitteln. Wenn aber ein Arzneimittel in größeren Mengen in der Apotheke erhältlich sei, würde dies als Signal für seine Harmlosigkeit verstanden. Nach seiner Erfahrung würden daher die Beipackzettel wesentlich seltener gelesen, als dies bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der Fall sei.

Ein externer Sachverständiger präsentiert Daten aus der Literatur, die einen Anstieg des Nebenwirkungsrisikos bei Anwendung von nicht-steroidalen Schmerzmitteln über 4 Tage hinaus belegen (s. Anlage 3). Nach seiner Aussage nimmt ein großer Teil der älteren Bevölkerung aus medizinischer Indikation ASS ein. Das erhöhte Gefahrenpotenzial bei einer kombinierten Einnahme von ASS und nicht-steroidalen Schmerzmitteln in der Selbstmedikation sei diesen Patienten nicht bekannt.

Ein Sachverständiger bestätigt dies und erwähnt in diesem Zusammenhang den Einfluss von verharmlosender Werbung für solche Schmerzmittel. Entsprechende Werbung propagiere teilweise sogar deren vorbeugende Anwendung vor einer sportlichen Betätigung.

Aus Sicht eines anderen Sachverständigen können die präsentierten Studienergebnisse nicht für Deutschland gelten, da die Studien in den U.S.A. durchgeführt wurden. Zudem sei auf dem letzten Kongress der Gastroenterologen vertreten worden, das Risiko gastrointestinaler Blutungen durch den Wirkstoff ASS in der niedrigen Dosierung zur Thrombozytenaggregationshemmung würde überschätzt, es sei tatsächlich sehr gering.

Für den externen Sachverständigen ist das Argument einer fehlenden Gültigkeit der vorgestellten Studienergebnisse für Deutschland aus wissenschaftlicher Sicht unzutreffend. Bezüglich der Einschätzung des Risikos erinnert er daran, dass er keine Daten zur alleinigen Anwendung, sondern solche zur Interaktion von ASS vorgestellt habe, d.h. zu den Folgen der kombinierten Anwendung von ASS zusammen mit anderen Schmerzmitteln.

Auf eine entsprechende Frage antwortet ein anderer externer Sachverständiger, dass in den meisten Familien eine Bevorratung großer Packungen in Form einer ‚Familienapotheke’ praktiziert werde. Zudem würde erfahrungsgemäß bei Patienten mit wiederkehrenden Schmerzepisoden, die sich selbst behandeln, die Schwelle sinken, das oder die Schmerzmittel auch anderen Familienmitgliedern zu geben.

Bezogen auf Phenazon und Propyphenazon führt ein Vertreter des BfArM aus, dass mit diesen Wirkstoffen zwar in den letzten Jahren keine Studien durchgeführt worden seien, die wenigen vorliegenden Daten aus Studien und Spontanmeldungen zeigten jedoch die Anwendungsrisiken, wie z.B. ein allergenes Potenzial oder das Risiko für eine Agranulozytose.

Auf die entsprechende Frage nach Daten zum Schmerzmittelmissbrauch in Deutschland antwortet er, dass ca. 1% der deutschen Bevölkerung an durch Übergebrauch von Schmerzmitteln verursachtem Kopfschmerz leidet, d.h. es sind davon ca. 800.000 Menschen betroffen. Ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz entwickle sich erst nach einer längeren, täglichen und hoch dosierten Anwendung von Kopfschmerztherapeutika, insbesondere der hier diskutierten Analgetika. Der überwiegende Teil der betroffenen Patienten versorge sich in der Selbstmedikation mit diesen Arzneimitteln.

Ein Sachverständiger äußert, er habe in seiner Praxis ausschließlich durch rezeptierte Schmerzmittel ausgelöste Blutungen gesehen, dagegen keine bei Patienten, die sich durch Selbstmedikation versorgten.

Ein Vertreter des BfArM fasst nochmals die Vorgeschichte der aktuellen Diskussion zusammen. Anlässlich der Befassung mit Paracetamol hätten mehrere Sachverständige festgestellt, dass die Risiken der nicht-steroidalen Analgetika von den Patienten nicht wahrgenommen werden, weil in der Selbstmedikation verfügbare Arzneimittel automatisch als harmlos eingestuft würden. Da die bestehenden Regelungen nicht die tatsächlichen Risiken widerspiegeln, sei beschlossen worden, alle betroffenen Wirkstoffe in der 64. Sitzung als ‚Paket’ zu behandeln.

Anschließend gibt ein Sachverständiger eine Präsentation (s. Anlage 2). Der Pro-Kopf-Gebrauch von OTC-Analgetika ginge in Deutschland zurück und würde im internationalen Vergleich nach der Schweiz und Österreich auf dem drittletzten Platz liegen. Außerdem sei anhand neuer Zulassungen ersichtlich, dass es keinen Konsens zur Verknüpfung der Anwendungsdauer von 4 Tagen mit der entsprechenden Packungsgröße gäbe.

Ein Vertreter des BfArM kommentiert die Präsentation des Sachverständigen.
Das BfArM habe sich bei der Zulassung eines neuen Arzneimittels mit Ibuprofen mit 8 g/ Packung an den Empfehlungen des Sachverständigenausschusses aus der 64. Sitzung orientiert.
Anders als präsentiert, seien in Frankreich restriktive Packungsgrößenbegrenzungen für Ibuprofen in Kraft, und zwar für feste orale Darreichungsformen (6 g) und für flüssige Darreichungsformen (4 g).
Wenn ein Land in einem Zulassungsverfahren Reference Member State (RMS) sei, bedeute dies nicht, dass der RMS über die in anderen Mitgliedsländern zulässigen Packungsgrößen bestimmen könne. Die Entscheidung darüber liege grundsätzlich in der Verantwortung jeder nationalen Behörde.
Die Begrenzung der Anwendungsdauer von Schmerzmitteln auf maximal 4 Tage sei auf der Ebene der Zulassungsbehörden europaweit Konsens.

Ein Sachverständiger stellt fest, dass man sich beim Benchmarking an den Besten einer Gruppe zu orientieren pflege. Nach den präsentierten Daten seien dies aus seiner Sicht eben nicht die Länder mit hohem Verbrauch, sondern die Nachbarländer Schweiz und Österreich, in denen der Verbrauch an Schmerzmitteln im Vergleich am niedrigsten liege. Damit seien die Schweiz und Österreich unsere Vorbilder. Er bedauere, dass in der Präsentation Angaben dazu fehlen, ob in diesen Ländern Beschränkungen der verschreibungsfrei erhältlichen Packungsgrößen bestehen. (Redaktionelle Anmerkung: Eine nachträgliche Recherche des BfArM zu dieser Frage ergibt den folgenden Sachverhalt am Beispiel von Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Ibuprofen. In Österreich sind nur kleinere Packungsgrößen für die Indikation ‚Schmerzen und Fieber’ frei gestellt, bereits Packungen mit 50 Tabletten unterstehen der Verschreibungspflicht (mündliche Mitteilung BASG, Wien). In der Schweiz besteht bereits seit 2004 eine Packungsgrößenbeschränkung. Die maximale verschreibungsfrei erhältliche Packungsgröße enthält 4 g Ibuprofen, was 3,3 Tagesdosen entspricht (s.

)).

Für die aktuelle Diskussion sei es wichtig zu berücksichtigen, dass in Deutschland Sicherheitsdaten zu Nebenwirkungen von in der Selbstmedikation eingenommenen Schmerzmitteln, z.B. Blutungen, vor allem deshalb nicht erhoben werden können, weil deren vorausgegangene Einnahme von den Patienten nicht berichtet wird. Es sei aber durch die Nebenwirkungen, die schon bei bestimmungsgemäßem Gebrauch auftreten, von erheblichen Folgekosten für das Gesundheitssystem auszugehen.

Ein Vertreter des BfArM gibt zu bedenken, dass die Darstellung von absoluten Verkaufszahlen keinen Rückschluss auf die Anwendung der Arzneimittel zuließe. Aus seiner Sicht spiegeln die Ausführungen des externen Sachverständigen eher die Realität wieder.

Das BfArM habe keinen Einfluss auf die Regelungen zu Packungsgrößen in anderen Ländern. Aufgrund des europäischen Konsenses, dass die verschreibungsfreie Anwendungsdauer auf 4 Tage zu begrenzen ist, sei das BfArM aber dafür, als Konsequenz auch die Packungsgrößen entsprechend einzuschränken.

Ein Vertreter des BMG nennt Omeprazol und Ranitidin als Beispiele dafür, dass der Sachverständigenausschuss in der Vergangenheit bereits Anwendungsdauer und Packungsgröße miteinander verknüpft hat. In beiden Fällen handelte es sich um Freistellungen von der Verschreibungspflicht, die von den Vertretern der pharmazeutischen Industrie befürwortet wurden.

Ferner sei argumentiert worden, es lägen keine neuen Erkenntnisse vor, die eine Begrenzung der Packungsgrößen rechtfertigen. Es stelle sich aber die Frage, ob nicht die bekannten Risiken aus der heutigen Sicht neu bewertet werden müssten. Es sei schwer vorstellbar, dass vor Jahrzehnten zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff ASS wegen ihrer Kontraindikationen, die vier großen Volkskrankheiten betreffend, unter heutigen Bedingungen noch verschreibungsfrei zugelassen würden. Da alle zur Diskussion stehenden Arzneimittel seit langer Zeit im Markt seien, ginge es darum, aufgrund der bekannten Datenlage eine Neubewertung vorzunehmen, wie dies auf EU-Ebene bereits erfolgt sei.

Ein Sachverständiger vertritt die Auffassung, dass es für den Patienten wesentlich einfacher sei, bei wiederkehrenden Beschwerden auf den Vorrat zurück zu greifen, anstatt erneut eine Apotheke aufzusuchen. Die Daten würden zeigen, dass die Patienten Schmerzmittel im Regelfall nicht länger anwenden als nötig.

Ein Sachverständiger äußert, er sehe aufgrund von Analgetika-Großpackungen keine Gefährdung und an der Gefährdungslage habe sich offenbar auch nichts geändert. Aus seiner Sicht habe die Formulierung in der Packungsbeilage, dass bei fortbestehenden Beschwerden nach 4 Tagen ein Arzt aufzusuchen sei, eher eine Alibifunktion. Er wohne in einer Gegend, in der es im Umkreis von 20 km keinen Arzt gäbe, d.h. ein Patient müsse sich einen Tag frei nehmen, um zum Arzt zu gehen. Man müsse berücksichtigen, dass viele Patienten solche Arzneimittel gerade deshalb einnehmen, um dies zu vermeiden und um trotz Erkrankung weiter arbeiten zu können. Außerdem würden bei einer Umsetzung der Beschränkung auf 4 Tage erhöhte Kosten auf die GKV zukommen.

Nach Ansicht eines Sachverständigen demonstrieren die Verordnungszahlen für Metamizol, dass die Schmerztherapie durch Ärzte in Deutschland häufig nicht sachgerecht erfolgt. Ungeachtet des bekannten, hohen Risikos für eine Agranulozytose liege der Verbrauch an Metamizol in Deutschland europaweit an der Spitze, während es z.B. in Schweden nicht auf dem Markt sei. Es sei daher fraglich, ob die Anwendung der Analgetika durch die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht sicherer würde. Abgesehen davon könne sich der Patient jederzeit mehrere kleine Packungen in der Apotheke kaufen oder im Internet bestellen.

Ein Vertreter des BfArM erläutert, dass die beantragten Packungsgrößen für eine Behandlung über 4 Tage mit der maximal empfohlenen Dosis ausreichen, diese Menge aber in der Regel von den Patienten gar nicht verbraucht würde. In der Praxis würden diese Packungsgrößen somit die Behandlung von mehr als einer Schmerz- oder Fieberepisode ermöglichen.
Die in der Präsentation vorgestellte Zahl einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 2 Tagen pro Schmerzepisode in der Selbstmedikation stamme aus einer bereits bekannten Erhebung, in der Apotheker ihre Kunden selbst befragten, ob sie ihre Arzneimittel entsprechend den Angaben in der Packungsbeilage einnehmen würden. Bei dieser Art der Befragung, der Einholung einer Selbstauskunft, sei keine Abbildung der Realität zu erwarten.
Aus seiner eigenen Erfahrung in der Versorgung von Schmerzpatienten gäbe es sehr wohl und auch häufig die Patienten, die beispielsweise 20 Tabletten Ibuprofen pro Tag einnehmen und darunter einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz entwickeln. Außerdem habe er lange in der Gastroenterologie eines Krankenhauses gearbeitet und dort wöchentlich Patienten gesehen, die unter der Selbstmedikation mit nicht-steroidalen Analgetika Geschwüre und Blutungen aus solchen Geschwüren entwickelten.

Auf grundsätzliche Kommentare zu der Präsentation des Sachverständigen angesprochen, gibt ein externer Sachverständiger zu bedenken, dass "standardisierte Arzneimitteleinheiten pro Kopf" die Anzahl von Tabletten/Kapseln etc. pro Kopf darstellen. Da die Dosis darin nicht berücksichtigt sei, könnte z.B. die Zahl der Tabletten gesunken, die Gesamtdosis an verbrauchtem Wirkstoff aber gleich geblieben oder sogar gestiegen sein. Ohne die Angaben zur Dosierung könne man daher die dargestellten Daten nicht beurteilen.

Der angesprochene Sachverständige antwortet, dass diese Darstellung gewählt wurde, um eine einheitliche Grundlage für den internationalen Vergleich des Arzneimittelgebrauchs zu schaffen.

Ein anderer externer Sachverständiger erläutert, dass in einer allgemeinärztlichen Praxis der Anteil an antikoagulierten Patienten relativ hoch ist. Gerade für diese Patienten sei der nicht bestimmungsgemäße Gebrauch von Schmerzmitteln in der Selbstmedikation besonders riskant. Er nehme mit der Größe der verfügbaren Packungen zu, weil dies die Harmlosigkeit des Arzneimittels suggeriere. Er regt an, für Analgetika in der Selbstmedikation eigene Packungsbeilagen zu entwickeln, die auf diese besonderen Risiken in Form eines klar verständlichen ‚boxed warning’ hinweisen (Redaktionelle Anmerkung: Diese Einlassung fällt nicht in die Zuständigkeit des Ausschusses).

Ein Sachverständiger ist der Ansicht, dass das Problem von Interaktionen bei Mehrfacherkrankungen nicht über die Unterstellung von Wirkstoffen unter die Verschreibungspflicht gelöst werden kann. Zudem sollten sich solche Patienten in enger ärztlicher Betreuung befinden.
Darauf antwortet ein externer Sachverständiger, dass der Hausarzt von der Selbstmedikation keine Kenntnis bekommt. Weil in der Wahrnehmung der Patienten keine Gefahr von den in der Apotheke erworbenen Arzneimitteln ausgehen kann, informieren sie ihren Arzt nicht darüber, so dass er keine Kontrollfunktion übernehmen kann.

Ein Sachverständiger stellt fest, dass der Pro-Kopf-Verbrauch in den letzten 20 Jahren relativ konstant geblieben ist.

Ein anderer Sachverständiger regt an, das Heilmittelwerbegesetz daraufhin zu überarbeiten, dass einseitig auf Heilungsversprechen ausgerichtete Werbebotschaften durch klare Aussagen zu den Anwendungsrisiken ergänzt werden müssen. Durch die Werbung hätten die Menschen heute den Eindruck, sie bräuchten nur die angepriesenen Arzneimittel einzunehmen, um danach so weiter leben zu können wie vor dem Auftreten der Beschwerden (Redaktionelle Anmerkung: Diese Einlassung fällt nicht in die Zuständigkeit des Ausschusses). Der Nachsatz ‚Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie…’ genüge diesbezüglich in keiner Weise. Er kenne viele Menschen, die ihre Arzneimittel ohne die geringsten Kenntnisse darüber einnehmen. Daher fände er Aufklärung der Bevölkerung wichtiger als eine Beschränkung der Packungsgrößen.

Er fand die vom externen Sachverständigen präsentierten Daten (der

) sehr interessant, hätte aber nach dem Konzept der evidenzbasierten Medizin eine komplette Aufarbeitung der Literatur zu diesem Thema erwartet, allerdings nicht vom externen Sachverständigen. Er ginge davon aus, dass es deutlich mehr Publikationen gibt als die hier vorgestellten zwei Studien. Auch für die Häufigkeit bzw. den Umfang des von im sehr ernst genommenen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs seien keine Belege vorgestellt worden.
Ein Pharmakovigilanzprojekt sei durchgeführt worden, bei dem die Nebenwirkungen erfasst wurden, die zu Krankenhauseinweisungen geführt hatten. Dabei sei auch erfasst worden, ob die verursachenden Arzneimittel apotheken- oder verschreibungspflichtig waren. Die Hochrechnung der Fälle, in denen rezeptfreie Analgetika die Ursache waren, ließe keinen Rückschluss auf ein relevantes Gesundheitsrisiko zu.

Ein Vertreter des BMG sieht keinen Anlass für die Befürchtung, dass künftig Patienten, die bisher andere Schmerzmittel eingenommen haben, nach der Neuregelung auf solche mit ASS wechseln.

Ein Sachverständiger erinnert daran, dass früher Frauen dialysiert werden mussten, die zuvor über viele Jahre regelmäßig Phenacetin gegen ihre Menstruationsbeschwerden eingenommen hatten. Daher halte er es für nicht angemessen, wenn er in der vorgestellten Präsentation sehe, dass nun offenbar andere Analgetika für die regelmäßige Anwendung in dieser Indikation empfohlen werden. Wichtiger sei es, den Patienten Alternativen zur regelmäßigen Einnahme von Schmerzmitteln anzubieten, und in diesem Bereich sei in den letzten 30 Jahren viel erreicht worden.

Viel erreicht worden sei auch mit der Packungsgrößenbeschränkung für Paracetamol. Die Anzahl der jungen Mädchen, die mit Paracetamol Suizid begingen, sei in Deutschland seither deutlich zurück gegangen.

Er vermisse in der Diskussion die Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei den Analgetika um Wirkstoffe mit einem klaren Gefährdungspotenzial handelt. Analog zum Erfolg des Verbots von Zigarettenautomaten gehe er davon aus, dass eine Erschwerung des Zugangs zu Analgetika eine positive Wirkung auf das Verhalten der Patienten haben würde. Aus diesem Grund habe auch er weder Zweifel daran, dass die Patienten den Wechsel von 20er auf Packungen mit 10 Tabletten vollziehen, noch glaube er, dass sie von anderen Analgetika zu ASS wechseln würden.

Ein Sachverständiger betont, dass man mit der Einschränkung der Anwendungsdauer einverstanden sei, aber nicht mit der Kopplung an die Packungsgröße. Andere Länder würden diese Kopplung auch nicht machen, dies sei in der Präsentation dargestellt worden. Man sei mit dem Ausschuss einig, dass man verschreibungsfrei erhältliche 100er Packungen nicht wolle. Ob die Begrenzung bei 10 oder 20 Tabletten liegen solle, darüber könne man nachdenken. Ob man eine Verlagerung zu mehr verordneten Packungen hin wolle, solle ebenfalls vorher bedacht werden. Darüber hinaus würden Patienten Arzneimittel zunehmend im Internet bestellen, wo eine Bestellung mehrerer Kleinpackungen möglich sei.

Ein Sachverständiger macht darauf aufmerksam, dass im Fall einer Unterstellung nach dem aktuellen Antrag auch Arzneimittel mit ASS zur Thrombozytenaggregationshemmung der Verschreibungspflicht unterstellt würden. Der Vorsitzende informiert, dass dieser Sachverhalt bekannt sei und die Thrombozytenaggregationshemmer im Fall eines positiven Votums von der Neuregelung ausgenommen würden. Ergänzende Angaben zu Tageshöchstdosis und maximaler Einzeldosis würden nach einem positiven Votum separat zu verhandeln sein.

Der Vorsitzende bittet um Abstimmung über eine Begrenzung der verschreibungsfreien Packungsgrößen für die Wirkstoffe Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Phenazon und Propyphenazon wie im vorgelegten Antrag.

Der Sachverständigenausschuss lehnt den Antrag mehrheitlich ab.