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FAQ zu Fluorchinolon-Antibiotika

Fragen und Antworten zu den PRAC-Empfehlungen nach der Überprüfung von schwerwiegenden und anhaltenden, die Lebensqualität beeinträchtigenden und möglicherweise irreversiblen Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Anwendung von Chinolon- und Fluorchinolon-Antibiotika

Vorbemerkung: Die Europäische Arzneimittel-Agentur hat die schwerwiegenden, die Lebensqualität beeinträchtigenden und potentiell dauerhaften (über Monate oder Jahre andauernden) Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Arzneimittelgruppe der Fluorchinolone und Chinolone, welche über den Mund eingenommen, injiziert oder inhaliert werden, wissenschaftlich neu bewertet. In diese Bewertung ist auch die Sichtweise von Patienten, Vertretern der Gesundheitsberufe und der Wissenschaft eingeflossen, die bei der öffentlichen Anhörung der EMA zu den Fluorchinolonen und Chinolonen im Juni 2018 präsentiert wurde.

Das BfArM hat nachfolgend Antworten auf entsprechende häufig gestellte Fragen zusammengestellt. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir die Charakterisierung der genannten Nebenwirkungen nicht in jeder Frage unter Verwendung der ausführlichen Formulierung wiederholt, sondern es wird jeweils von schwerwiegenden Nebenwirkungen gesprochen. Wir weisen darauf hin, dass mit dieser verkürzten Formulierung jeweils die schwerwiegenden, die Lebensqualität beeinträchtigenden und potentiell dauerhaften (über Monate oder Jahre andauernden) Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Arzneimittelgruppe der Fluorchinolone und Chinolone gemeint sind und bitten dies bei der Lektüre zu beachten.

1. Wie werden die Angehörigen der Heilberufe über die Änderungen informiert?

Alle Ärztinnen und Ärzte, die diese Arzneimittel möglicherweise verordnen oder verabreichen und an die sich Patienten mit Nebenwirkungen wenden, sowie Apothekerinnen und Apotheker wurden am 8. April 2019 mit einem sogenannten „Rote-Hand-Brief“ angeschrieben und auf diesem Weg über die neuen Empfehlungen informiert.

2. Worauf beruht die Einschätzung der EMA, dass die schwerwiegenden Nebenwirkungen "sehr selten" sind?

Es ist bekannt, dass nur ein Teil der Nebenwirkungen, die bei Patienten auftreten, auch gemeldet wird („underreporting“). Für seine Berechnungen ging der PRAC daher von der Annahme aus, dass es für jeden gemeldeten Fall einer Nebenwirkung unter chinolon- und/oder fluorchinolonhaltigen Arzneimitteln 100 weitere Fälle gab, die nicht gemeldet wurden.

Basierend auf der Anzahl von jährlich ca. 30 gemeldeten Ereignissen und den pro Jahr in der Europäischen Union ca. 350 Millionen verordneten Dosen Chinolone und Fluorchinolone stuft der PRAC die Häufigkeit der berichteten Nebenwirkungen unter Berücksichtigung des Underreportings als sehr gering ein. Nach der internationalen Klassifikation von Häufigkeiten werden Nebenwirkungen, die bei weniger als 1 von 10 000 mit dem Arzneimittel behandelten Patienten auftreten, als "sehr selten" eingestuft.

3. Was bedeutet der Begriff „anhaltend“ für diese schwerwiegenden Nebenwirkungen?

Gemäß den nunmehr ergänzten Angaben in der Produktinformation können diese Nebenwirkungen über Monate oder auch Jahre anhalten und möglicherweise auch bleibend sein. Die Beschreibung in der Packungsbeilage lautet: „Fluorchinolon-/Chinolon-Antibiotika, einschließlich <Arzneimittelname>, wurden mit sehr seltenen, aber schwerwiegenden Nebenwirkungen in Verbindung gebracht, von denen einige langanhaltend (über Monate oder Jahre andauernd), die Lebensqualität beeinträchtigend oder möglicherweise bleibend sind.“

4. Warum informiert der Rote-Hand-Brief nicht darüber, dass die Nebenwirkungen von Fluorchinolonen erst mit Verzögerung auftreten können?

Rote-Hand-Briefe sollen über wichtige neue bzw. geänderte Anwendungsrisiken informieren sowie Hinweise geben, die bei der Verordnung oder Anwendung eines Arzneimittels zu beachten sind. Die Produktinformationen zu Fluorchinolonen enthalten bereits die Information, dass Nebenwirkungen wie Sehnenschäden nach einem beschwerdefreien Intervall von bis zu mehreren Monaten nach Beendigung der Behandlung erstmals auftreten können. Diese Information wird in den aktualisierten Produktinformationen von fluorchinolonhaltigen Arzneimitteln enthalten bleiben. Rote-Hand-Briefe ergänzen somit die Produktinformationstexte und sind im Zusammenhang mit diesen zu betrachten.

5. Warum wurden nicht alle fluorchinolon- und chinolonhaltigen Antibiotika vom Markt genommen?

Der PRAC bzw. die EMA haben wichtige Einschränkungen für den Einsatz dieser Antibiotika empfohlen. Das Ergebnis dieser Empfehlungen ist, dass künftig deutlich weniger Menschen in der Europäischen Union mit Fluorchinolonen behandelt werden und dass diejenigen, die einem besonderen Risiko ausgesetzt sind, künftig besser geschützt werden. So werden beispielsweise diejenigen, die zuvor eine schwere Nebenwirkung im Zusammenhang mit Fluorchinolon erlitten haben, das Medikament nicht erneut erhalten. Diejenigen, bei denen ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen am Bewegungsapparat besteht, werden nur mit besonderer Vorsicht damit behandelt.

Packungsbeilagen und Fachinformationen aller Fluorchinolone werden das medizinische Fachpersonal nun daran erinnern, dass die Leitlinien für den angemessenen Einsatz von Antibiotika zu beachten sind. Bereits bisher enthielten die Produktinformationen einiger fluorchinolonhaltiger Arzneimittel die Information, dass das Mittel nur dann verordnet werden sollte, wenn andere empfohlene Antibiotika nicht verwendet werden konnten. Diese Hinweise werden nun in den Produktinformationen der übrigen Fluorchinolone und für eine Reihe von Anwendungsgebieten ergänzt.

Chinolon-haltige Antibiotika (Cinoxacin, Nalidixinsäure und Pipemidsäure) – die in Deutschland nicht auf dem Markt sind – werden vom Markt genommen. Denn sie sind nur für solche Infektionen zugelassen, bei denen diese Klasse von Antibiotika nicht mehr angewendet werden darf.

Die Anwendung von Fluorchinolonen bleibt jedoch weiterhin erlaubt für solche Fälle, in denen eine antibiotische Behandlung unbedingt erforderlich ist und Fluorchinolone als beste zugelassene Option übriggeblieben sind. Bei bestimmten Infektionen können fluorchinolonhaltige Antibiotika lebensrettend sein, insbesondere, wenn andere Antibiotika nicht ausreichend wirksam sind.

6. Auf welchen Wegen wird ein Patient über die schwerwiegenden Nebenwirkungen von Fluorchinolonen informiert?

Jedem Arzneimittel liegt eine Packungsbeilage bei, die in verständlicher Sprache beschreibt, wie das Mittel verwendet wird, welche Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sind und welche Nebenwirkungen mit seiner Anwendung verbunden sein können, einschließlich der schwerwiegenden Nebenwirkungen wie eingangs beschrieben. Die Packungsbeilagen von fluorchinolonhaltigen Arzneimitteln werden mit den neuen Sicherheitsinformationen und Einschränkungen für ihre Anwendung aktualisiert und präzisiert im Hinblick auf die schwerwiegenden Nebenwirkungen. Dies gibt Patienten die Möglichkeit zu überprüfen, ob das verordnete Mittel für die Behandlung der Erkrankung vorgesehen ist. In der Packungsbeilage wird dem Patienten empfohlen, sich bei Bedenken hinsichtlich der Einnahme des Arzneimittels medizinischen Rat einzuholen.

So genannte „Fachinformationen“, die alle wesentlichen Informationen über die Anwendung des jeweiligen Fluorchinolons enthalten, stehen den medizinischen Fachkreisen (Ärzte- und Apothekerschaft) zur Verfügung. Diese Dokumente informieren über die zugelassenen Anwendungsgebiete (Indikationen) des Arzneimittels und beinhalten u.a. Warnhinweise und Informationen über die Nebenwirkungen des Mittels.

Vor einer Entscheidung über die beste Vorgehensweise sollten verordnender Arzt und Patient gemeinsam alle offiziell verfügbaren Informationen berücksichtigen und die möglichen Therapieoptionen individuell abwägen.

7. Warum dürfen Fluorchinolone bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für Sehnenschäden angewendet werden?

Es gibt Situationen, in denen eine Infektion schwer oder lebensbedrohlich ist und andere Antibiotika ungeeignet sind, so dass auch bei Patienten mit einem höheren Nebenwirkungsrisiko immer noch ein fluorchinolonhaltiges Antibiotikum das am besten geeignete Arzneimittel sein kann, wenn die Vorteile in diesen Fällen das Risiko eines Sehnenschadens überwiegen.

Packungsbeilagen und Fachinformationen informieren darüber, dass das Risiko von Sehnenschäden bei älteren Patienten, Patienten mit Niereninsuffizienz, nach einer Organtransplantation und bei mit einem Kortikosteroid behandelten Patienten erhöht ist. In diesen Fällen sollten Fluorchinolone mit besonderer Vorsicht verwendet werden, insbesondere sollte ein Patient nicht gleichzeitig mit einem Kortikosteroid und einem Fluorchinolon behandelt werden. Hierdurch soll das Risiko eines Sehnenschadens gesenkt werden.

Zusätzlich wird die Häufigkeit von Sehnenschäden im Zusammenhang mit der Anwendung von Fluorchinolonen durch das Pharmakovigilanzsystem der Europäischen Union überwacht, so dass bei Bedarf umgehend weitere Maßnahmen ergriffen werden können.

Die nun veröffentlichten Informationen über das erhöhte Risiko für diese Patienten werden den Arzt veranlassen, gemeinsam mit dem Patienten die Behandlungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Umstände zu bewerten und die am besten geeignete Therapie auszuwählen.

8. Warum wird kein Gentest empfohlen, um Menschen mit einem Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen zu identifizieren?

Bisher sind keine ausreichenden Daten vorhanden, um mittels eines genetischen Markers vorab die Patienten zu identifizieren, bei denen ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen im oben genannten Sinn besteht.

Bereits bekannt ist, dass bei Patienten mit Glukose-6-phosphat-Dehydrogenase-(G6PD)-Mangel der Einsatz von fluorchinolon- und chinolonhaltigen Antibiotika den Abbau ihrer roten Blutkörperchen provozieren kann. Diese Informationen sind bereits in den Produktinformationen enthalten.

9. Wie wird der Verwendung eines Fluorchinolons bei chronischer Prostatitis oder beim chronischen Beckenschmerzsyndrom entgegengewirkt, wenn die Ursache nicht bakteriell ist?

Die Anwendung von Fluorchinolonen ist auf die Behandlung nachgewiesener bakterieller Infektionen beschränkt und die Produktinformationen werden entsprechend aktualisiert. Als Anwendungsgebiete werden „bakterielle Prostatitis, Epididymorchitis" oder "akute bakterielle Prostatitis" angegeben, um dies zu unterstreichen.

Eine akute bakterielle Prostatitis ist eine schwere Erkrankung, die eine schnelle und wirksame antibakterielle Behandlung erfordert. Gefährliche Komplikationen können entstehen, wenn die bakterielle Infektion nicht wirksam behandelt wird. Die Auswahl an Antibiotika gegen bakterielle Prostatitis ist begrenzt. Bestimmte Fluorchinolone dringen in ausreichender Menge in das Prostatagewebe ein und wirken gegen die Bakterien, die die Infektion verursachen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Fluorchinolone für die Behandlung der bakteriellen Prostatitis verfügbar bleiben.

10. Es wird empfohlen, die Anwendung eines fluorchinolonhaltigen Antibiotikums bereits bei den ersten Anzeichen einer schwerwiegenden Nebenwirkung zu stoppen. Ist es dann nicht bereits zu spät, die
Behandlung zu beenden?

Der PRAC empfiehlt, dass ein Patient die Einnahme eines Fluorchinolons beim ersten Anzeichen einer potenziell schweren Nebenwirkung beenden und seinen Arzt um Rat fragen sollte. Dieser Warnhinweis ist in den Produktinformationen im Absatz über die Art der schwerwiegenden Nebenwirkungen enthalten.

Diese Vorwarnung über das Potenzial des Arzneimittels für schwerwiegende Nebenwirkungen soll dazu führen, dass der Patient dafür sensibilisiert wird und auf solche spezifischen Anzeichen achtet. Ohne eine solche Warnung könnten Patienten (oder der Arzt) erste Anzeichen übersehen und der Patient könnte nachfolgend anhaltende, möglicherweise bleibende Schäden erleiden.

Obwohl dieser Warnhinweis z.B. plötzliche Sehnenschäden, andere schwere Nebenwirkungen oder verzögert auftretende Nebenwirkungen nicht vollständig verhindern kann, so lässt sich durch eine frühzeitige Reaktion auf erste Anzeichen doch das Ausmaß weiterer Schäden in vielen Fällen verringern.

11. Warum geben die Empfehlungen des PRAC nicht konkret vor, wie in jedem Einzelfall Nutzen und Risiken der Behandlung abgewogen werden sollten?

Wie bei jeder Behandlung sollte der Arzt gemeinsam mit dem Patienten ein Arzneimittel wählen, das ein akzeptables Verhältnis zwischen dem Nutzen des Mittels und seinen Risiken bietet. Im Rahmen der Zulassung wird festgelegt, wie das Arzneimittel eingesetzt werden muss, damit das Gleichgewicht zwischen dem Nutzen durch die Behandlung der Erkrankung und dem Schadenspotenzial durch mögliche Nebenwirkungen insgesamt positiv ist.

Davon abzugrenzen ist die individuelle Behandlung und Abwägung, bei der Arzt und Patient mithilfe der Produktinformationen (die Packungsbeilage für den Patienten und die Fachinformation für den Arzt bzw. Apotheker) gemeinsam und unter Berücksichtigung aller weiteren individuellen Begleitumstände über die Eignung eines Arzneimittels für den jeweiligen Patienten entscheiden. Dabei kann es gelegentlich erforderlich sein, dass der Arzt die positive Wirkung des Mittels darlegt, aber auch die möglichen Schäden mit ihm diskutiert und die verfügbaren Alternativen darlegt. Eine solche individuelle Nutzen-Risiko-Bewertung ist Teil der klinischen Routine.

12. Gelten die Empfehlungen auch für den Einsatz von Fluorchinolonen im Krankenhaus bzw. im Umfeld operativer Eingriffe?

Die Empfehlungen gelten für alle fluorchinolonhaltigen Arzneimittel, die über den Mund, durch Inhalation oder durch Injektion verabreicht werden. Daher betreffen die Empfehlungen auch den Einsatz im Krankenhaus bzw. bei operativen Eingriffen.

13. Können die schwerwiegenden Nebenwirkungen der Fluorchinolone als ein neues, diagnosefähiges Syndrom angesehen werden?

Das Spektrum der Nebenwirkungen, die im Rahmen des Risikobewertungsverfahrens überprüft wurden, ist breit. Es umfasst die Muskeln und Sehnen, die Gelenke und das zentrale Nervensystem. Der PRAC hat nicht erwogen, die Nebenwirkungen zu einem Syndrom zusammenzufassen, weil sie nicht auf eine einzige pathologische Ursache zurückgeführt werden können und die Klassifikation als "Syndrom" bei einer solchen Konstellation nicht begründet ist.

14. Wie sollten Fluorchinolon-Nebenwirkungen behandelt werden?

Es existieren keine etablierten spezifischen Gegenmittel oder Behandlungsmethoden für die durch Fluorchinolone verursachten schwerwiegenden Nebenwirkungen. Bei Sehnenschäden raten die Produktinformationen bereits dazu, den schmerzhaften Bereich ruhig zu stellen und warnen, dass unnötige Bewegung zu vermeiden ist, da dies das Risiko eines Sehnenrisses erhöhen kann. Der PRAC begrüßt die Erforschung dieser Nebenwirkungen, um sie besser verstehen und möglicherweise eine wirksame Behandlung finden zu können.

Der behandelnde Arzt wird seine Behandlung individuell an Art und Schwere der jeweiligen Nebenwirkungen, an denen sein Patient leidet, anpassen.

15. Warum wurden fluorchinolonhaltige Arzneimittel zur lokalen Anwendung auf der Haut und an Augen oder Ohren nicht ebenfalls überprüft?

Im Rahmen des Risikobewertungsverfahrens wurden alle Arzneimittel, die durch den Mund, eine Injektion oder als Inhalation verabreicht werden, überprüft. Andere Darreichungsformen dieser Mittel waren bei Beginn dieser Bewertung im Februar 2017 nicht Bestandteil des Verfahrens.

Als Reaktion auf entsprechende Hinweise von den am öffentlichen Anhörungsverfahren Beteiligten wurde jedoch auch nach Berichten über schwerwiegende Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der lokalen Applikation von Fluorchinolonen gesucht. Diese Suche ergab jedoch keine aussagekräftigen Fälle. Generell sollten aber fluorchinolonhaltige Arzneimittel zur Anwendung an Augen und Ohren nicht angewendet werden, wenn zuvor schwere und insbesondere anhaltende Nebenwirkungen nach Einnahme über den Mund, Inhalation oder Verabreichung durch Injektion aufgetreten sind.

Die weitere Risikoüberwachung der fluorchinolonhaltigen Arzneimittel schließt nun auch die Arzneimittel ein, die zur Anwendung auf der Haut oder an Augen bzw. Ohren vorgesehen sind. Bei Bedarf können jederzeit Maßnahmen ergriffen werden.

16. Warum hat mir niemand von der Möglichkeit dieser Nebenwirkungen erzählt?

Wir können als BfArM nicht dazu Stellung nehmen, in welcher Form und Ausführlichkeit die ärztliche Beratung und Information im jeweiligen Einzelfall stattgefunden hat. Jede Arzneimittelpackung enthält aber eine Packungsbeilage. Die Packungsbeilagen sind in einer für den medizinischen Laien möglichst verständlichen Sprache gehalten. Sie informieren darüber, wie das betreffende Mittel angewendet werden soll, über seine Nebenwirkungen, auch über die im beschriebenen Sinn schwerwiegenden Nebenwirkungen und die Vorsichtsmaßnahmen, die der Patient treffen sollte. Damit sind Packungsbeilagen eine wichtige Informationsquelle für den Patienten, die seinem Schutz dient.

Mit den aktualisierten und präzisierten Empfehlungen werden Ärztinnen und Ärzte auf die möglichen schwerwiegenden Nebenwirkungen noch deutlicher aufmerksam gemacht, damit sie die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Patienten ergreifen können.

17. Was wird getan, um Ärztinnen und Ärzte über die neuen Empfehlungen zu informieren?

Mit jeder Zulassung einschließlich späterer Änderungen und Aktualisierungen werden die Bedingungen festgelegt wie ein Arzneimittel verwendet werden darf. Diese Informationen werden dem medizinischen Fachpersonal (in Form der Fachinformation) und den Patienten (als Packungsbeilage) zur Verfügung gestellt. Falls ernste Sicherheitsrisiken bestehen - wie im aktuellen Fall der schwerwiegenden Nebenwirkungen von Fluorchinolonen – werden Rote-Hand-Briefe an alle potenziell verordnenden Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker versendet. Im aktuellen Fall wurde der Rote-Hand-Brief am 8. April 2019 versendet (siehe auch Antwort zur Frage 1). Es liegt in der beruflichen Verantwortung der Ärzte, Apotheker und ggf. weiterer an der Behandlung Beteiligter selbst sicherzustellen, dass sie über ein Arzneimittel und dessen zugelassene Anwendungsbestimmungen Bescheid wissen und dass sie den einzelnen Patienten umfassend in Behandlungsentscheidungen einbeziehen und aufklären. Zudem wird auf Fortbildungsveranstaltungen für Ärztinnen und Ärzte, z.B. auf solchen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) in Kooperation mit Ärztekammern, auf die neuen Einschränkungen für die Anwendung von Fluorchinolonen hingewiesen.

Zudem wurden auch die Leitlinienautoren und zuständigen Fachgesellschaften in Deutschland angeschrieben, damit die neuen Informationen auch für gerade in Überarbeitung oder Entwicklung befindliche Therapieleitlinien Berücksichtigung finden können.

Antibiotika wie Fluorchinolone sind verschreibungspflichtig, d.h. nur auf Rezept erhältlich. Damit ist sichergestellt, dass die Anwendung nur nach einer ärztlichen Entscheidung erfolgen kann.

18. Diese Antibiotika wurden in Deutschland zugelassen, welche Verantwortung hat die EMA in dieser Situation?

Wenn ein Arzneimittel in mehr als einem Land der Europäischen Union zugelassen ist, kann sich eine nationale Behörde mit Bedenken zur Sicherheit der betroffenen Arzneimittel an die EMA wenden. In solchen Fällen übernimmt der PRAC die Aufgabe, das bzw. die Arzneimittel im Namen der gesamten Europäischen Union zu überprüfen. Er nimmt eine wissenschaftliche Bewertung der Anwendungsrisiken im Verhältnis zum Nutzen des bzw. der Arzneimittel vor und bewertet auch die Frage, ob bzw. wie diese Risiken vermieden oder begrenzt werden könnten. Die nationalen Behörden setzen dann die aus der Überprüfung resultierenden EU-Entscheidungen im jeweiligen Mitgliedsland um.

19. Welche weiteren Maßnahmen sind als Ergebnis der Überprüfung durch die EMA noch geplant?

Die EMA hat eine Studie beauftragt, um das Verschreibungsverhalten für die Anwendung von Fluorchinolonen zu erfassen (Arzneimittelanwendungsstudie, englisch: "Drug Utilisation Study"). Das Ziel solcher Studien ist die Schaffung einer Datenbasis, die es erlaubt, Aussagen zur Effektivität der beschlossenen Maßnahmen zu treffen, z. B. ob sich das Verordnungsverhalten in der gewünschten Weise verändert hat. Die Ergebnisse dieser Studie wurden im Mai 2023 im PRAC diskutiert. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Fluorchinolone weiterhin außerhalb ihrer empfohlenen Anwendungsgebiete verschrieben werden und dass die Maßnahmen zur Einschränkung der Anwendung dieser Arzneimittel als Ergebnis der EU-weiten Überprüfung nur eine geringe Wirkung hatten.

Die EMA weist aber auch darauf hin, dass die Studie mit Einschränkungen verbunden war und dass daher bei der Interpretation der Daten Vorsicht geboten ist. Der Studienbericht ist in den HMA-EMA Catalogues of real-world data sources and studies unter der Nummer 37856 veröffentlicht.

BfArM und EMA unterstützen weitere Untersuchungen über die schwerwiegenden Nebenwirkungen. Dabei liegt das Augenmerk insbesondere auf ihren Ursachen, ihren Risikofaktoren, auf Behandlungsmöglichkeiten und biologischen Markern für eine Vorhersage solcher Nebenwirkungen.

Darüber hinaus sind die für fluorchinolonhaltige Arzneimittel verantwortlichen pharmazeutischen Unternehmen dazu verpflichtet, mehr Details zu jedem der gemeldeten Fälle von schweren und langanhaltenden, potenziell irreversiblen Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Fluorchinolonen in Erfahrung zu bringen, insbesondere zu der Nebenwirkung selbst (Beginn, Dauer, Intensität im Laufe der Zeit, Auswirkungen auf die täglichen Aktivitäten) und zu Risikofaktoren für diese Nebenwirkungen (z.B. frühere körperliche Aktivität, Niereninsuffizienz, vorhergehende oder gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Statine bzw. von Kortikosteroiden, Organtransplantation).