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Kriterien für Erkenntnismaterial zu klinischen Indikationen in der Homöopathie

Stand: 09. Oktober 2002

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beteiligt nach § 25 Abs. 7 AMG zur Vorbereitung der Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung nach § 105 AMG die zuständige Kommission D, sofern es sich um eine vollständige Versagung oder um eine Entscheidung grundsätzlicher Bedeutung handelt.

Die Kommission D hat gemäß ihren früheren Aufgaben im Rahmen der Aufbereitung zwischen 1978 und 1994 das homöopathische Erkenntnismaterial bewertet und in Form von Monographien veröffentlicht. Diese Aufbereitungsergebnisse können, zusammen mit weiteren Unterlagen, als „anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial“ nach § 22 Abs. 3 AMG bei der Bewertung homöopathischer Arzneimittel herangezogen werden. Da bei dieser Bewertung die Anforderungen des Arzneimittelgesetzes, der Arzneimittelprüfrichtlinien nach § 26 AMG in den jeweils aktuellen Fassungen sowie der Richtlinie 2001/83/EG zu berücksichtigen sind, sind die erstellten Monographien der Kommission D als alleiniges Erkenntnismaterial zum Beleg von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit aus heutiger Sicht nicht ausreichend.

Bereits in der ersten Fassung der „Bewertungskriterien der Kommission D für fixe Kombinationen homöopathischer Einzelmittel“ vom 16. Januar 1989 hat die Kommission D darauf hingewiesen, dass „Indikationsaussagen für schwere Erkrankungen nur auf der Basis wissenschaftlich bewertbaren speziellen Erkenntnismaterials für die jeweilige Kombination akzeptiert werden können.“

Aufgrund der Tatsache, dass die Monographien der Kommission D häufig nicht mehr dem aktuellen Erkenntnisstand entsprechen, sowie der bisherigen Erfahrungen bei der Beurteilung der homöopathischen Nachzulassungspräparate, war es aus Sicht der Kommission D und des BfArM erforderlich, die Bewertungskriterien für homöopathisches Erkenntnismaterial nochmals klarzustellen. Die Kommission D sieht sich angesichts der Erfahrungen im Nachzulassungsverfahren in ihrer Ansicht bestätigt, dass nach dem Selbstverständnis der homöopathischen Therapierichtung Angaben aus homöopathischen Arzneimittellehren nicht ohne weiteres in klinische Indikationen umformuliert werden können. Besonders bei schweren Erkrankungen erwies sich dieses Vorgehen unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit und der Anwendungssicherheit in der Selbstmedikation als problematisch.

Das vorliegende Papier orientiert sich an den Empfehlungen der evidence-based medicine und stellt ein nach Schwere der Erkrankungen abgestuftes Bewertungsschema zur Beurteilung von homöopathischem Erkenntnismaterial zur Verfügung. Die Kommission D ist mit dem BfArM der Auffassung , dass dieses Papier die Transparenz der Bewertungen deutlich verbessern wird.

Das erarbeitete Papier wurde von der Kommission D verabschiedet und wird nachfolgend veröffentlicht.

Kriterien für Erkenntnismaterial zu klinischen Indikationen in der Homöopathie
Grad des
Indikations- anspruches
Therapieziel Art des Erkenntnis- materials Evidence- Level Erforder- liche Punkte Formulierung der Anwendungs-gebiete

I *)

Leichte Erkrankungen

Besserung von Symptomen (ohne Nennung einer/s bestimmten Erkrankung, Störung/Zustands) oder leichte Erkrankungen Aktualisiertes wissenschaftliches Erkenntnismaterial unter Einschluss der Monographien der Kommission D, bei Kombinationspräparaten: zusätzlich Kombinationsbegründung IV 2-6 AWG ohne „Begleittherapie“ +differenzial- diagnostische Information *****)

II **) Mittelschwere Erkrankungen

a)

Unterstützung der Behandlung einer/s bestimmten Erkrankung/Störung/ Zustandes s. I; zusätzlich: +nachvollziehbar bewertete Literaturübersicht zur Anwendung des Arzneimittels bei der Indikation oder systematische wissenschaftlich auswertbare prospektive oder retrospektive Studien (nicht jedoch klinische Prüfungen) III 4-6 AWG mit „Begleittherapie“ +differenzial- diagnostische Information
b) Reduktion der Häufigkeit gelegentlich auftretender Störungen oder Besserung d. Symptome einer/s bestimmten Erkrankung/Störung/ Zustandes oder Behandlung einer/s bestimmten Erkrankung/Störung/Zustandes s. I; zusätzlich: + nachvollziehbar bewertete Literaturübersicht zur Anwendung des Arzneimittels bei der Indikation und systematische wissenschaftlich auswertbare prospektive oder retrospektive Studien (nicht jedoch klinische Prüfungen) III 7 AWG ohne „Begleittherapie“ +differenzial- diagnostische Information

III ***) Schwere Erkrankungen

a)

Unterstützung der Behandlung einer/s bestimmten Erkrankung/ Störung/Zustandes s.u. IIa III 4-6 AWG mit „Begleittherapie“ +differenzial- diagnostische Information
b) Besserung der Symptome einer/s bestimmten Erkrankung/Störung/ Zustands oder Behandlung einer/s bestimmten Erkrankung/Störung/Zustandes s. I; zusätzlich: nachvollziehbar bewertete Literaturübersicht zur Anwendung des Arzneimittels bei der Indikation + mindestens 1 nachvollziehbare klinische Prüfung II 9 AWG ohne „Begleittherapie“ +differenzial-diagnostische Information

IV ****) Lebens-bedrohliche Erkrankungen

a)

Palliative Therapie s.u. IIa III 4-6 AWG mit „Begleittherapie“ +differenzial- diagnostische Information
b) Behandlung von Begleitbeschwerden, Besserung der Symptome einer/s bestimmten Erkrankung/Störung/ Zustands oder Behandlung eine/s. bestimmten Erkrankung/Störung/Zustandes s. I; zusätzlich: nachvollziehbar bewertete Literaturübersicht zur Anwendung des Arzneimittels bei der Indikation + mindestens 2 klinische Prüfungen guter Qualität I 11 AWG ohne „Begleittherapie“ +differenzial- diagnostische Information

*) leicht zu erkennen, dem Laien bekannt, zur Diagnostik und Therapie keine sofortige ärztliche Hilfe erforderlich, selbstlimitierend, den Patienten wenig beeinträchtigend

**) funktionelle Beschwerden, reversible Organbeteiligung, zeitlich begrenzte Selbstmedikation, unkomplizierte Krankheitsverläufe, zur Diagnostik und Therapie selten ärztliche Intervention erforderlich

***) irreversible Organveränderungen, Organbeteiligung, Gefahr bei verzögerter Behandlung, schwere Komplikationen möglich, zur Diagnostik und Therapie ärztliche Intervention in der Regel erforderlich, nicht selbstlimitierende Erkrankung

****) hohe Komplikationsrate, Mortalität

*****) Bei der Differenzialdiagnostischen Information es sich um Hinweise für den Patienten, um eine gesundheitliche Gefährdung durch Fehleinschätzung der Erkrankungen im Rahmen der Selbstmedikation zu vermeiden. Hierbei werden Symptome angegeben, bei denen eine ärztliche Konsultation erforderlich ist.

Beurteilungskriterien für homöopathisches Erkenntnismaterial

Bewertungsscore
Art des Erkenntnismaterials Punkte Maximal erreichbare Punkte

Randomisierte, placebokontrollierte

Doppelblindstudie

Metaanalyse

.

8

8

.

8

8

Randomisierte, kontrollierte Studie 6 6

Anwendungsbeobachtung, Kohortenstudie,

vergleichende epidemiologische Studie

Kontrollierte Studie

.

4

4

.

4

4

Kasuistiken

Homöopathische Arzneimittelprüfung

2

2

2

2

Expertenurteile (Konsensuskonferenz)

Bewertete präparatebezogene

Literaturübersicht

Monographien

Long-time-Use (mind. seit 1978)

1

.

1

1

1

1

.

1

1

1

Anmerkung: Beim Scoring ist die Qualität des Erkenntnismaterials in Planung und Durchführung zu berücksichtigen.