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Ort Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3, 53175 Bonn

Ergebnisprotokoll der 13. Sitzung der Kommission nach § 25 Abs. 6 und Abs. 7 AMG für den humanmedizinischen Bereich, Anthroposophische Therapierichtung (Kommission C) am 18. November 2009

Anwesende

Kommission CBfArM
Dr. Thomas BreitkreuzProf. Dr. Werner Knöss
Herr Prof. Dr. A. BüssingFrau C. Werner
Frau Prof. Dr. H. FothFrau H. Gaida
Herr Dr. M. KarutzFrau Dr. M. Kirch
Frau Dr. G. KienleFrau Dr. I. Spingler-Kliemsch
Herr Dr. K.-H. KummerHerr H. Völkel (zeitweise)
Frau C. RegensburgerFrau Dr. D. Hippe
Frau B. MassagFrau Dr. C. Rothe
Herr Dr. A. LänglerFrau M. Groth
Herr B. UlrichFrau G. Dinkelbach
Herr Dr. J. Wilkens
Herr M. Sommer
Herr H. Repp
Herr M. Pütter
Herr Dr. A. Portsteffen
Herr Dr. H. Matthes
Herr B. Matthes

Tagesordnung

TOP 1 Ergebnisniederschrift der 12. Sitzung der Kommission C vom 01.04.2009

Aufgrund zweier Anmerkungen des BMG (Änderungen von Geschäftsordnungen nur nach Zustimmung des BMG; Aktualisierung der Empfehlungen der Kommission D zur Planung und Durchführung homöopathischer Arzneimittelprüfungen um die neuen Regelungen zu klinischen Prüfungen) liegt eine überarbeitete Fassung des Ergebnisprotokolls als Tischvorlage vor.
Folgende Änderungen werden erbeten:

TOP 6.2: Bewertung von anthroposophischen Arzneimitteln in der Anwendung bei Kindern

Mitglied des hierzu eingerichteten Ausschusses ist nicht Hr. B. Matthes (wie im Protokoll aufgeführt), sondern Hr. Dr. H. Matthes.

TOP 6.1: Bericht aus der HMPWG, Entwicklungen in Europa

Unter Spiegelstrich 4 des ersten Absatzes soll in dem Satz „Die Erarbeitung von Stoffmonographien durch das EDQM wurde gestoppt, bis ein „Technical Guide“ erstellt ist, ...“ ergänzt werden „...bis ein „Technical Guide“ und „Rules of Procedure“ erstellt sind, ...“.
Es wird auf die Gültigkeit der neuen Geschäftsordnung verwiesen und die daraus resultieren-den Neuerungen für die Verfassung der Sitzungsprotokolle.

TOP 2 Erklärung zur Befangenheit

Einige Mitglieder der Kommission erklären ihre Befangenheit hinsichtlich des TOP 6.1 Risikobewertung von Mistelpräparaten.
Seitens des BfArM wird erläutert, dass die Teilnahme dieser Mitglieder an der Diskussion möglich, aber ein Ausschluss von eventuellen Abstimmungen erforderlich ist.
Es sind 13 stimmberechtigte Mitglieder anwesend.

TOP 3 Bericht zur 15. AMG-Novelle

Ein Mitarbeiter des BfArM erläutert die wesentlichen, für die besonderen Therapierichtungen relevanten Änderungen der 15. AMG-Novelle.
Die offizielle Bezeichnung lautet: „Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“. Das Gesetz ist seit dem 23.7.2009 in Kraft. Von Bedeutung sind Artikel 1 (Änderungen des AMG) und Artikel 6 (Aufhebung der Verordnung über homöopathische Arzneimittel). Hieraus ergeben sich folgende Änderungen:

  • Änderung des Arzneimittelbegriffs (Übernahme aus Artikel 2 der Richtlinie 2001/83/EG): es erfolgt eine Anpassung an die europäische Definition.
  • Neueinführung der Zweifelsfallregelung § 2 Abs. 3a
  • Aufnahme einer Begriffsbestimmung anthroposophische Arzneimittel (§ 4 Abs. 33)
  • Darstellung der Homöopathika betreffende Änderungen in den §§ 10 und 11 (Kennzeichnung von Arzneimitteln)
  • § 25: Anhörung der Zulassungskommission bei Entscheidung über die Zulassung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels der besonderen Therapierichtung
  • §§ 38, 39a: Anlass der Änderungen der §§ 38 und 39a stellt die Aufhebung der Verordnung über homöopathische Arzneimittel dar; Überführung der Regelungs-inhalte der Rechtsverordnung in das AMG
  • § 55 Arzneibuch:

    • Bekanntmachung des Arzneibuchs zukünftig durch BfArM im Einvernehmen mit PEI und BVL
    • Berufung der Mitglieder durch BfArM im Einvernehmen mit PEI und BVL
    • Arzneimittelherstellung muss insgesamt anerkannten pharmazeutischen Regeln entsprechen

  • Pharmakovigilanz §§ 62 ff.: Klarstellung in § 63 b, dass und welche Meldepflichten auch für Inhaber registrierter homöopathischer und traditioneller Arzneimittel gelten
    Es wird kurz über folgende Punkte diskutiert:

    • § 25 Beteiligung der Kommission bei der Entscheidung über die Zulassung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln: Zur Frage, ob eine Beteiligung tatsächlich aus-schließlich bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vorgesehen ist, wird auf den geänderten Wortlaut des § 25 Abs. 6 verwiesen.
    • Zweifelsfallregelung § 2 Abs. 3a: Von einem Mitglied der Kommission wird die Problematik der Abgrenzung von Arzneimitteln und Lebensmitteln angesprochen. Ein Vertreter des BfArM erläutert, dass der Nachweis einer nennenswerten pharmakologischen Wirkung Voraussetzung für eine Klassifizierung als Arzneimittel ist. Es wird die Problematik der Beanspruchung von Health Claims bei Lebensmitteln dis-kutiert sowie die Möglichkeit, über eine Anwendung der Zweifelsfallregelung die Aussagen von Herstellern von Nahrungsergänzungsmitteln hinsichtlich der Wirkungen ihrer Produkte zu begrenzen. Seitens des BfArM wird auf Auswirkungen der europäischen Health Claim Verordnung verwiesen, die zu einer Überprüfung der Health Claims auf europäischer Ebene geführt hat. Ein deutlicher Mangel stellt das Fehlen eines Pharmakovigilanzsystems im Bereich der Lebensmittel dar. Derzeit existieren zu dieser Problematik 2 verschiedene Gesetzgebungsstränge national und in der Europäischen Union; es laufen Bemühungen um eine Koordination.

TOP 4 Berichte und Anfragen

TOP 4.1 Bericht aus der HMPWG vom 29. + 30.04.2009 in Prag

Eine Vertreterin des BfArM trägt die wesentlichen Inhalte der Sitzung vor:

  • das Dokument zur Stabilitätsprüfung „Points to Consider on Stability Testing of Ho-meopathic Medicinal Products“ wurde – basierend auf dem deutschen Konzept mit leichten Modifikationen – verabschiedet und ist seit 7/2009 publiziert
  • Stand der Entwicklung der List of first safe dilution: Vorwort, Struktur der Liste und Template zum Assessment Report sind seit 7/2009 publiziert zur Kommentierung, die eingegangenen public comments werden derzeit vom Rapporteur Belgien bearbeitet
  • Paper on justification of homeopathic use ist in der Vorpublikation, Kommentierung bis 10/2009 möglich; Beratung des Dokumentes ist für 12/2009 vorgesehen
  • Probleme mit Deklaration im letzten DCP-Verfahren: es wurde die Erarbeitung eines Vorschlages in die Wege geleitet, wie mit deklaratorischen Problemen in EU-Verfahren umgegangen werden soll.
  • Erörterungen zur Variation Regulation: Homöopathisch hergestellte Arzneimittel sind von der Anwendung Variation Regulation ausgeschlossen. Registrierte homöopathi-sche Arzneimittel werden weiterhin nach nationalem Änderungsrecht bewertet.
  • Vorstellung einer Arzneibuchmonographie über anthroposophische Zubereitungen von den Vertretern der Schweiz (nur zur Information), diese ist vorgesehen für die Pharmakopoeia helvetika.
  • Erarbeitung eines Glossary mit Definitionen aus dem pharmazeutischen und medizi-nischen Bereich hat begonnen.
  • EDQM: Übergang der Herstellungsvorschriften in das EDQM schreitet fort, Zurück-stellung der Monographien bis zur Erstellung des „Technical Guide“ und der „Rules of Procedure“
  • Hinweis der EU-Kommission: in MR- und DCP-Verfahren werden die Unterlagen vom RMS gesichtet, dieses erstellt den Assessment-Report; die Mitarbeit der CMS ist beschränkt auf die Prüfung des risk to public health.
  • Entscheidung für einen festen Observer des HMPWG im HMPC (Fr. Nadia Grigoras, Rumänien)
  • 2 Versionen des Modul 1-Formates auf der Homepage der europäischen Kommission. Die Korrektur ist in Bearbeitung.
    Des Weiteren berichtet ein Vertreter des BfArM von der Sitzung des HMPC. Er verweist ausdrücklich auf die Vertraulichkeit der referierten Inhalte.

TOP 4.2 Bericht vom Arbeitsausschuss zur Bewertung von anthroposophischen Arzneimitteln in der Anwendung bei Kindern vom 08.10.2009

Der Sprecher des Arbeitsausschusses wurde gewählt und berichtet über das Treffen:

Ziel der Arbeitsgruppe ist die Erarbeitung von Kriterien für den Beleg der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anthroposophischer Arzneimittel im Kindesalter. Im Rahmen des Treffens wurde über die dafür notwendigen Grundlagen diskutiert. Die anthroposophische Menschen-kunde (welche sich in der Beschreibung des Wesensgliedergefüges in den Indikationen anthroposophischer Arzneimittel widerspiegelt) ist von wesentlicher Bedeutung für den Beleg der Wirksamkeit. Daten zur Sicherheit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel sind von der pharmazeutischen Industrie vorzulegen. Eine wesentliche weitere Datenquelle stellt zudem die Datenbank des EVA-Med-Projektes dar.
Die Ausführungen werden von einer Vertreterin des BfArM um folgende Aspekte ergänzt:
Um erste Erfahrungen zu sammeln, sollen die am häufigsten angewendeten Präparate mit Indikationen aus dem Bereich der allergischen Diathese bearbeitet werden. Neben den genannten Datenquellen wird auch auf bereits vorhandene Daten (z. B. aus der Nachzulassung) zu-rückgegriffen. Es ist eine Beschreibung der Wirkungen der Arzneimittel auf das kindliche Wesensgliedergefüge erforderlich. Die toxikologische Bewertung wird vom BfArM vorbereitet und mit der Toxikologin abgestimmt. Die Erstellung einer technischen Basis, die einen gemeinsamen Zugriff aller Beteiligten auf die vorhandenen Daten ermöglicht, ist in Vorbereitung.

Das nächste Treffen des Arbeitsausschusses findet am 18.2.2010 im BfArM statt.

In der anschließenden Diskussion wird von einzelnen Mitgliedern der Kommission auf die Möglichkeit retrospektiver Datenerhebungen verwiesen. Seitens des BfArM wird festgestellt, dass alle Daten gesichtet werden, jedoch die bisherigen Marktabfragen zur Anwendungspraxis anthroposophischer Arzneimittel eine nur mäßige Qualität besitzen.

TOP 4.3 Bericht vom Arbeitsausschuss „Unbedenklichkeit“ vom 17.11.2009

Eine Vertreterin des BfArM fasst die Ergebnisse des Treffens kurz zusammen:

Der Sprecher des Ausschusses wurde gewählt.

Da in der Anthroposophie u. a. nach homöopathischen Verfahrenstechniken hergestellte Arzneimittel gebräuchlich sind, ist das Auftreten der in der Homöopathie bekannten Phänomene der Erstverschlimmerung bzw. der Arzneimittelprüfsymptomatik auch in der Anwendung dieser anthroposophischen Arzneimittel denkbar. Thematisiert wurde die Frage, inwiefern von einem nicht homöopathisch geschulten Therapeuten das Auftreten einer Erstverschlimmerung oder einer Arzneimittelprüfsymptomatik erkannt bzw. wahrgenommen werden. Ein weiteres Problem stellen mögliche unerwünschte Wirkungen der anthroposophischen Arzneimittel auf das Wesensgliedergefüge (z. B. durch eine im frühen Kindesalter verabreichte Arznei, die erst in späteren Entwicklungsstadien erwünschte Prozesse im noch kindlich geprägten Wesensgliedergefüge anstößt) dar. Es wurde festgehalten, dass das Auftreten einer Erstverschlimmerung kein größeres Risiko beinhaltet. Unklar bleibt, inwiefern eine Arzneimittelprüfsymptomatik und unerwünschte Wirkungen auf das Wesensgliedergefüge wahrgenommen bzw. als unerwünschte Arzneimittelwirkung gemeldet werden. Es wurde über mögliche Vorgehens-weisen zur Bearbeitung dieser Problematik diskutiert ohne zunächst konkrete weitere Schritte festzulegen.
Der Sprecher des Ausschusses fügt ergänzend hinzu, dass die Übertragbarkeit des auch in der Homöopathie nur anekdotisch berichteten und nicht durch klinische Studien belegten Effektes der Erstverschlimmerung auf anthroposophische Arzneimittel nicht geklärt sei. Problematisch ist auch die Erfassung von Arzneimittelprüfsymptomen mit lediglich funktionellem Charakter, da funktionelle Störungen in der Regel nicht über das Meldesystem erfasst werden, sowie die Erfassung der therapiespezifischen Nebenwirkungen (unerwünschte Beeinflussung des Wesensgliedergefüges) und die Überwachung des OTC-Marktes.
Von der Sprecherin wird darauf hingewiesen, dass umfangreiche prospektive Sicherheitserhebungen von anthroposophischen Arzneimitteln durchgeführt wurden im Kontext klinischer Studien oder Pharmakovigilanzuntersuchungen (AMOS, IPPCOS; EvaMed), und noch weiter erhoben werden, die für die Frage ernsthafter Risiken, worunter auch die diskutierten gravierende Erstverschlimmerungen oder Arzneimittelprüfsymptome fallen, derzeit die verlässlichste Quelle sind und die hier auch bei Auftreten dokumentiert werden würden.
Die Vertreterin des BfArM stellt fest, dass diese Prüfkonzepte und Untersuchungsergebnisse dem BfArM nicht vorliegen.
In der anschließenden Diskussion wird die Einrichtung der Arbeitsgruppen aufgrund der dort möglichen verfahrensunabhängigen Diskussion fachlicher Inhalte von der Kommission begrüßt. Seitens des BfArM wird daran erinnert, dass vom BMG ein ergebnisorientiertes Arbeiten der Ausschüsse im Hinblick auf verfahrensrelevante Fragen erwartet wird. Es wird ausdrücklich betont, dass die Aufgabe des BfArM auf europäischer Ebene darin besteht, seine regulatorische Expertise einzubringen.

Die vom BfArM zu den jeweiligen Treffen verfassten Protokolle werden mit den Sprechern und Mitgliedern der beiden Arbeitsausschüsse abgestimmt.
Anschließend erfolgt die Festlegung der Sitzungstermine für das kommende Jahr. Als Termine werden festgehalten:

07.07.2010 und 03.11.2010

TOP 5 Beteiligung der Kommission nach § 25, Abs. 6 AMG

Es liegen zur Zeit keine entsprechenden Anträge vor.

TOP 6 Beteiligung der Kommission nach § 25, Abs. 7 AMG

TOP 6.1 Risikobewertung von Mistelpräparaten

Der Vorsitzende der Kommission erkundigt sich nach dem Stand des zu den zu beratenden Präparaten laufenden Gerichtsverfahrens. Eine Vertreterin des BfArM erklärt, dass noch kein rechtskräftiges Urteil vorliegt und erläutert den Sachstand. Eine Vertreterin des BfArM gibt einen kurzen Überblick über die aktuelle systematische Bewertung der Indikationen anthroposophischer Mistelpräparate seitens der regulatorischen Behörde.
Von der Kommission wurde zur Erleichterung der Diskussion eine Übersicht der zur Entscheidung stehenden Punkte als Tischvorlage vorgelegt. Diese umfassen:

I. Tumorenhancement

- Gegenanzeigen: Leukämien / Lymphome / „IL-6 abhängige Tumore“

II. Immunsuppression

- Dosisschwelle bei 1 mg Mistelextrakt

III. Teilversagung für Störungen der blutbildenden Organe / Anregung der Knochenmarkstätigkeit

IV. Teilversagung für Vorbeugung von Geschwulstrezidiven

V. Teilversagung für Anwendung bei benignen Tumoren

VI. Sarkoidose

VII. Anwendung bei Kindern

VIII. „Begleitende“ oder „ergänzende“ Behandlung

Ein Vertreter des BfArM betont, dass unabhängig von der laufenden Diskussion der Mistel-problematik in den zu bearbeitenden Verfahren Entscheidungen getroffen werden müssen und nicht bis zur Klärung der noch offenen Fragen abgewartet werden kann. Der aktuelle Stand der Diskussion wird bei den Entscheidungen berücksichtigt. Die grundsätzliche Verkehrsfähigkeit von Mistelpräparaten wird in der Regel nicht in Frage gestellt.
Der Vorsitzende der Kommission leitet zur Bearbeitung der einzelnen Punkte der Tischvorlage über. Vor dem Hintergrund der bisherigen Diskussion der Mistelproblematik, in der keine einheitliche Bewertung seitens der Kommissionsmitglieder erkennbar war, erwartet er in der aktuellen Sitzung eine eindeutige Positionierung der Kommission zu den verschiedenen Themen.

Vom BfArM wird darauf verwiesen, dass im bisherigen Verlauf nicht die Notwendigkeit zu Entscheidungen bestand, da keine Voten von der Kommission erbeten wurden. Es wird nochmals die ausschließlich präparatespezifische Bedeutung der jetzt zu fällenden Voten betont.

Diskussion der einzelnen Punkte:

I. Tumorenhancement – Leukämien / Lymphome / „IL-6 abhängige Tumore“

Auf Wunsch des Vorsitzenden erfolgt einleitend eine kurze Zusammenfassung des Stand-punktes des BfArM zu dieser Thematik:
Es wird nochmals auf die Änderung der Anwendungsgebiete in der von der Kommission 1993 erstellten Fachinformation verwiesen (Monographie: Bösartige und gutartige Geschwulst-krankheiten sowie bösartige Erkrankungen und begleitende Störungen der blutbildenden Organe – Fachinformation: bösartige Geschwulsterkrankungen; bösartige Erkrankungen der blutbildenden Organe), die erst zu einer eigenständigen Teilindikation „bösartige Erkrankungen der blutbildenden Organe“ führte. Aufgrund der bereits in früheren Sitzungen der Kommission C ausführlich diskutierten Grundlagen kann einer Anwendung von Mistelpräparaten bei akuten Leukämien nicht zugestimmt werden, da die mistelinduzierte Beeinflussung des Immunsystems möglicherweise auch zu einem ungewollten Fortschreiten dieser Erkrankungen führen kann und die Unbedenklichkeit von Mistelextrakten in der Behandlung akuter hämatologischer Systemerkrankungen bisher nicht geprüft wurde. Im Rahmen der bisherigen Antragsbearbeitung wurde der pharmazeutischen Industrie ein Fenster eröffnet, Daten zur Anwendung bei niedrig malignen Lymphomen zu sammeln und vorzulegen; diese Möglichkeit wurde bisher nicht genutzt. Die Notwendigkeit der Vorlage weiterer Daten wurde bereits 1999 auch von der Kommission C gesehen.

Ein Vertreter der Kommission erläutert, dass nach der heutigen onkologischen Terminologie die bösartigen Erkrankungen der blutbildenden Organe unter den malignen Prozessen einzuordnen sind und damit bei den zu bewertenden Präparaten durch die 1978 angezeigten Indikationen (u. a. Therapie maligner Erkrankungen) belegt sei. Der Terminus „IL-6 abhängige Tu-more“ ist in der Onkologie und in der wissenschaftlichen Literatur nicht gebräuchlich, zudem hätten Studien gezeigt, dass eine moderate IL-6-Erhöhung, wie sie beispielsweise unter sportlicher Betätigung auftritt, keine negativen Auswirkungen auf das Tumorwachstum hat (z. B. Sprenger et al. (1992) Clinical Immunology and Immunopathology 63: 188-95; Northoff H, Berg A (1991), Int. J. Sports Med. 12: 9-15) .
Eine Vertreterin des BfArM erläutert, dass der Begriff „IL-6 abhängig wachsende Tumore“ bewusst als vereinfachender Oberbegriff gewählt worden sei, um eine Auflistung sämtlicher Tumorentitäten mit einer ungünstigen Nutzen-Risiko-Relation für eine Misteltherapie unter den Gegenanzeigen zu verhindern. Sollte die Kontraindikation „IL-6 abhängig wachsende Tumore“ wegfallen, ist eine entsprechende Nennung der Tumorentitäten und -stadien mit negativer Datenlage erforderlich.

Seitens der Kommission wird auf die Kontextabhängigkeit der Interleukin-Wirkungen und die vielfältigen Einflüsse, die zu einer Stimulierung der Interleukin-Freisetzung führen, verwiesen.
Das BfArM verweist auf die Notwendigkeit der regulatorischen Umsetzung von Risikoaspekten auch bei noch lückenhafter Datenlage. Es muss eine Nutzen-Risiko-Bewertung vor dem Hintergrund der gesamten zugelassenen onkologischen Therapien und nicht nur innerhalb der Besonderen Therapierichtungen erfolgen.

Aus der Sicht eines Vertreters der Kommission ist bei konsequenter Einhaltung der Herstellerinformationen (Dosisreduktion bei überschießender Lokalreaktion, da in diesem Fall mit einer erhöhten IL-6-Freisetzung zu rechen ist) das postulierte Risiko vermeidbar.

Seitens des BfArM wird nochmals auf die Notwendigkeit der getrennten Diskussion der IL-6-abhängig wachsenden Tumore und der hämatologischen Neoplasien hingewiesen und betont, dass bei Vorlage suffizienter Daten über eine Einschränkung der Kontraindikation bösartige Erkrankungen der blutbildenden Organe (Ausklammerung der niedrig-malignen Lymphome) diskutiert werden kann. Die derzeitige Datenlage hierzu ist bei weitem nicht ausreichend.

Eine Vertreterin der Kommission betont die Erfordernis sorgfältiger Untersuchungen zu Effekten therapeutisch genutzter immunmodulierender Substanzen. Die klinische Verifikation der aus in-vitro-Untersuchungen resultierenden Hypothesen im Hinblick auf den klinisch-therapeutischen Benefit für den Patienten ist unabdingbar.

Ein anderes Mitglied der Kommission verweist auf die bestehende Datenlage zu niedrig-malignen Lymphomen in Form retrospektiver Erhebungen (ca. 150 Patienten), die positive Auswirkungen der Misteltherapie belegen würden. Zum malignen Melanom liegen ebenfalls Daten (Studie Kleeberg (RCT), Augustin (retrospektive Kohortenstudie), Schuppli (Pilotstudie), Fallserien) vor.

Das BfArM konstatiert, dass zur Verifikation eines möglichen Tumorenhancements ein mat-ched-pair-Design erforderlich ist. Zudem können lediglich mit dem jeweils spezifischen An-trag vorgelegte Daten berücksichtigt werden; nicht eingereichte Studien werden nicht bewertet. Die Entscheidungen der Kommission zu den zu beratenden Präparaten muss unter Berücksichtigung der vorhandenen präparatespezifischen Untersuchungen (hier ist die Datenlage insgesamt spärlich) erfolgen.

Seitens der Kommission wird nochmals auf die grundsätzliche Bedeutung der zu diskutieren-den Problematik verwiesen, was einen Rückgriff auf eine größere Datenbasis rechtfertigt. In der Diskussion mehrfach betont wurde die Bedeutung empirischer Daten.

Eine Vertreterin der Kommission stellt fest, dass zum malignen Melanom insgesamt 8 Studien von unterschiedlicher Qualität vorliegen würden. Besonders hervorgehoben wird die retrolektive Untersuchung von Augustin, die eine hohe Qualität aufweisen würde. Das Design einer pharmakoepidemiologischen Studie würde stärker den Anwendungsalltag widerspiegeln und größere Patientenzahlen umfassen als eine klinische Untersuchung. Ferner wird die Bewertung der Überlebenszeit der misteltherapierten Patienten in der Untersuchung von Brinkmann zum Nierenzellkarzinom kritisiert. In dieser Studie erhielten die Patienten des Therapiearms A eine kombinierte Zytokintherape, die des Therapiearms B wurden ausschließlich mit einem Mistelextrakt behandelt. Bei nachgewiesener Progression bestand die Option in den jeweils anderen Therapiearm zu wechseln (Crossover), welche 8 Patienten des Therapiearms A (Wechsel A nach B) und 28 Patienten des Therapiearms B (Wechsel B nach A) nutzten. Es wurde die Überlebenszeit (5 Monate) einer Untergruppe von ausschließlich misteltherapierten Patienten in dieser Untersuchung, die von der Möglichkeit des cross-over keinen Ge-brauch machten, mit der von unbehandelten, an einem metastasierten Nierenzellkarzinom erkrankten Patienten (12 Monate) verglichen und dies als ein Verdachtsmoment für das Tu-morenhancement gewertet. Es wird auf die Stellungnahmen ausgewiesener Onkologen in den zur Sitzung vorgelegten Unterlagen verwiesen, die die Existenz eines Tumorenhancements verneinen.
Das BfArM fügt ergänzend hinzu, dass auch Prof. Nagel aufgrund der mangelhaften Datenlage zur Anwendung von Mistelextrakten bei hämatologischen Systemerkrankungen eine Entscheidung für nicht möglich hält.

Ein Vertreter der Kommission erläutert, dass ca. 90 % aller Patienten mit CLL in Herdecke und umliegenden onkologischen Praxen Mistelpräparate erhalten. Es würde sich die Frage stellen, inwiefern der Verdacht eines Tumorenhancements angesichts der gängigen Anwen-dung in der Praxis überhaupt begründet sei.

Seitens des BfArM wird Verwunderung darüber geäußert, dass trotz der großen Behandlungs-zahlen dem BfArM aus Herdecke bisher lediglich Daten zu 15 Patienten mit niedrig-malignen Lymphomen vorgelegt wurden. Zu positiven oder negativen Auswirkungen einer Mistelthera-pie auf den Verlauf einer CLL sind bisher aufgrund der schlechten Datenlage keine Aussagen zu treffen. Eine mit methodischen Mängeln behaftete, nicht den heutigen Ansprüchen genü-gende Studie, aus der der klinisch tätige Mediziner u. U. noch positive Erkenntnisse zieht, kann aus regulatorischer Sicht in der Bewertung eines Arzneimittels nicht berücksichtig werden.

Ein Mitglied der Kommission verweist auf das Problem der Patientenrekrutierung in Studien zur Anwendung von Mistelextrakten bei hämatologischen Systemerkrankungen, da viele von einer solchen Erkrankung betroffene Patienten aufgrund der allgemeinen negativen Empfehlungen der Misteltherapie Vorbehalte entgegen bringen würden. Zur Zeit würde aber eine prospektive Studie durchgeführt.
Das BfArM erinnert an die Präkludierung der nach der Nachzulassungsentscheidung erhobenen Daten für das zu beratende Präparat.

Eine Vertreterin der Kommission stellt fest, dass es die Aufgabe des pharmazeutischen Unter-nehmers ist, die Unbedenklichkeit seines Arzneimittels zu belegen.

Der Vorsitzende der Kommission bittet um Formulierung eines abstimmungsfähigen Votums zu Kontraindikation „IL-6-abhängige Tumore“. Nach weiterer Diskussion erfolgt eine Einigung auf die beiden folgenden Sätze:

Die Kommission C hält die begriffliche Kennzeichnung „IL-6-abhängige Tumoren“ für diese Gegenanzeige für nicht geeignet.
Abstimmung mit: ja – 12
nein – 1
Enthaltungen – keine

Die Kommission C hält die formulierte Gegenanzeige für die IL-6-abhängigen Tumore, speziell Hypernephrom und malignes Melanom, für begründet.
Abstimmung mit: ja – 2
nein – 10
Enthaltungen – 1

Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit schlägt der Vorsitzende vor, das Thema Tumorenhancement im Rahmen der nächsten Sitzung erneut aufzugreifen und dann verfahrensunabhängig zu diskutieren. Hiermit erklären sich die Mitglieder der Kommission einverstanden.

Anschließend wird kurz über den Punkt „Anregung der Knochenmarkstätigkeit“ diskutiert. Ein Vertreter der Kommission erläutert, dass es sich nach den heutigen Erkenntnissen nicht um eine Anregung, sondern eine Protektion des Knochenmarks handele, was sich aus der Reduktion der schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen einer Chemotherapie bei gleich-zeitiger Mistelgabe ableiten lässt (Studie Piao 2004). Das BfArM stellt klar, dass keine neuen Indikationen geschaffen werden können.

Vom Vorsitzenden der Kommission wird die Kontraindikation „bösartige Erkrankungen der blutbildenden Organe“ aufgegriffen. Er bittet um eine Zusammenfassung des Diskussions-standes. Von einem Kommissionsmitglied wird die Orientierung an der Aussage eines aktuellen Reviews zur Misteltherapie (keine Anwendung von Mistelextrakten bei Patienten mit akuten Leukämien) vorgeschlagen; eine Vertreterin der Kommission stellt hierzu fest, dass nicht alle existierenden Studien in diesem Review berücksichtigt wurden. Im Verlauf der Diskussion betont ein weiterer Vertreter der Kommission, dass den Autoren des Reviews zu Gute zu halten ist, dass sie prospektive klinische Untersuchungen zur Klärung der Problematik for-dern. Ein anderes Mitglied verweist auf eine derzeit laufende multizentrische Studie zu hoch-malignen Lymphomen in der Kinderheilkunde mit Beteiligung der größten kinderonkologischen Zentren, aus der bereits erste positive Zwischenergebnisse existieren. Aus seiner Sicht wäre die Aufnahme einer entsprechenden Kontraindikation für eine solche Studie kontraproduktiv.

Der Vorsitzende der Kommission fasst den bisherigen Stand der Diskussion zusammen. Aus seiner Sicht gibt es derzeit keinen Anwender, der bei einer akuten myeloischen Leukämie Mistelpräparate in der Therapie anwenden würde. Er erläutert die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung des Einsatzes von Mistelextrakten bei hämatologischen Systemerkrankungen aufgrund der vielen verschiedenen Subentitäten in dieser Krankheitsgruppe. Es ist zu klären, in welcher Form eine Nutzen-Risiko-Bewertung erfolgen kann. Aus seiner Sicht ist dieser Punkt derzeit noch nicht entscheidbar. Aus der erneut aufgeworfenen Frage der Präklusion zieht er den Schluss, dass sowohl eine retrospektive präparatespezifische Entscheidung auf der Basis der zum Zeitpunkt der Bearbeitung der Nachzulassung vorhandenen Datenlage getroffen werden muss; dass andererseits aber auch eine prospektive verfahrensunabhängige Diskussion der Thematik erfolgen muss aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Problems, da in der Kommission offensichtlich verschiedene Positionen hierzu bestehen und die Diskussion noch nicht abgeschlossen ist. Diese Sicht wird von der Kommission geteilt. Es wird auf die Notwendigkeit der getrennten Bewertung akuter und chronischer Leukämien/Lymphome und eine Differenzierung nach einer Mistelmono- oder -begleittherapie bei diesen Krankheitsbildern verwiesen. Aus der Sicht des BfArM würde dies aber zu einer weiteren Verringerung der Datenbasis führen.

Der Vorsitzende formuliert folgendes Votum zur Kontraindikation „bösartige Erkrankungen der blutbildenden Organe“ zu den zu beratenden Präparaten:
Die Kommission C stellt fest, dass für die in Frage stehenden Präparate ein Beleg für die Anwendung bei Leukämien und Lymphomen nicht ausreichend vorhanden ist.
Abstimmung mit: ja – 5
nein – 0
Enthaltungen – 7
(Ein stimmberechtigtes Mitglied hat mittlerweile die Sitzung verlassen.)

Die Diskussion der weiteren Punkte wird auf die nächste Sitzung verschoben.

TOP 7 Beteiligung der Kommission nach § 25, Abs. 7a AMG

Es liegen zur Zeit keine entsprechenden Anträge vor.

TOP 8 Verschiedenes

Angesichts von Problemen bei der Zusendung der Sitzungsunterlagen wird für die Zukunft von der Kommission eine Versendung der Daten in elektronischer Form vorgeschlagen. Das BfArM verweist auf entsprechende Pilotprojekte im BMG.

Der Vorsitzende der Kommission begrüßt die Rückverlagerung der im laufenden Gerichtsverfahren thematisierten Inhalte (TOP 6.1) in eine sachliche Diskussion, welche die Besonderheiten der Therapierichtung berücksichtigt und äußert die Hoffnung, dass im Rahmen des Verfahrens eine juristische Klärung des Begriffes „grundsätzliche Bedeutung“ erfolgen wird, was in Zukunft auch eine prospektive Diskussion relevanter Themen ermöglichen würde.

Ein Mitglied der Kommission ergänzt zu TOP 6.1, dass entgegen der Darstellung des BfArM im Rahmen der Veranstaltung „BfArM im Dialog“ am 4.11.2009 die Anwendung der Misteltherapie im Kindesalter durchaus eine zahlenmäßige Relevanz besitzen würde.

Ein Vertreter des BfArM dankt allen Anwesenden und Ausschussmitgliedern und schließt die Sitzung.