Ersatz von Tierversuchen – Kaninchen-Pyrogentest weitgehend gestrichen
Die Europäische Arzneibuchkommission hat in ihrer 179. Sitzung im Juni 2024 den Kaninchen-Pyrogentest in 57 Arzneibuchmonographien gestrichen. Dies ist ein Meilenstein in der Weiterentwicklung des Europäischen Arzneibuchs zugunsten der Vermeidung, Reduzierung und Verbesserung bisher gesetzlich vorgeschriebener Tierversuche in der Arzneimittelprüfung (Replacement, Reduction, Refinement, RRR).
In der Europäischen Arzneibuchkommission sind als Mitglieder der deutschen Delegation Mitarbeitende des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI) vertreten.
Der Kaninchen-Pyrogentest
Der Kaninchen-Pyrogentest wurde bereits in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt. Hier wird bei Kaninchen der Anstieg der Körpertemperatur gemessen, nachdem ihnen die zu untersuchenden Substanz, intravenös injiziert wurde. Auf diese Weise können fiebererregende Stoffe, so genannte Pyrogene und Endotoxine, nachgewiesen werden. Der Kaninchen-Pyrogentest ist seitdem ein wichtiger Test in der Arzneimittelentwicklung gewesen, um Verunreinigungen in Arzneimitteln frühzeitig nachzuweisen, die bei Patientinnen und Patienten lebensbedrohliche Nebenwirkungen hervorrufen könnten. Um Alternativmethoden zu entwickeln und deren Gleichwertigkeit zum Tiermodell mit substanziellen Daten belegen zu können, brauchte es rund 20 Jahre.
Förderung und Ausdauer bei der Entwicklung von Alternativmethoden wichtig
Zunächst wurde ein Test entwickelt, der auf dem Blut von Pfeilschwanzkrebsen (Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test, LAL) beruht, einer gefährdeten Tierspezies. Neuere Tests wie der rekombinante-Faktor-C-Test auf Endotoxin- und der Monozytenaktivierungstest auf Pyrogengehalt können nun ganz auf Tiere oder Material tierischen Ursprungs verzichten. Eine Vielzahl von Initiativen wurden u.a. durch die EU, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Damit konnten beispielsweise im Paul-Ehrlich-Institut eine Reihe von Forschungsprojekten bearbeitet werden.
Hintergrund – Europäisches Arzneibuch
Das Europäische Arzneibuch (Pharmacopoea Europaea, Ph. Eur.) wird vom Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln (European Directorate for the Quality of Medicines and Health Care, EDQM) in Straßburg in englischer Sprache publiziert. Das Arzneibuch beinhaltet anerkannte pharmazeutische Regeln zur Qualität, Prüfung, Lagerung, Abgabe und Bezeichnung von Arzneimitteln und den bei der Herstellung eingesetzten Stoffen. Zusätzlich enthält das Arzneibuch Regeln für die Beschaffenheit von Behältnissen und Umhüllungen. Im Rahmen einer Zulassung müssen die Anforderungen des Arzneibuchs eingehalten und Änderungen umgesetzt werden.
Die Arzneibuchkommission ist zuständig für alle Inhalte des Arzneibuchs und strebt an, dass insbesondere technische Anforderungen im Vorfeld einer Abstimmung hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit beurteilt werden. Die Kommission tagt dreimal jährlich. Die inhaltliche Abstimmung findet in Arbeitsgruppen statt, in denen Expertinnen und Experten der Zulassungsbehörden, wie z.B. des Paul-Ehrlich-Instituts, und der pharmazeutischen Unternehmen vertreten sind. Neben den Ländern der EU sind außerdem weitere Länder entweder als Mitglieder oder Beobachterstaaten beteiligt.
Weitere Informationen
Mitteilung der EDQM zum Ende des Kaninchen-Pyrogentests (englisch)