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Auswertung zu Vorkommnissen mit Orthesen für die untere Extremität (1998 bis Ende 2009)


Referenz-Nr.: 94.02/2010

Das BfArM hat Vorkommnismeldungen in Zusammenhang mit Orthesen für die untere Extremität ausgewertet.


Übersicht

Die betrachteten Produkte waren Orthesen und weitere Stützsysteme, die vom Hüftbereich abwärts eingesetzt werden (z. B. Hüftbeugeschiene, Sprunggelenksschiene). Von 1998 bis Ende 2009 wurden insgesamt 46 Meldungen in Zusammenhang mit diesen Produkten ausgewertet.


Quelle der Meldungen

Die Meldungen an das BfArM erfolgten fast durchweg von den Inverkehrbringern der betroffenen Produkte. Diese umfassten sowohl Sanitätshäuser oder orthopädietechnische Werkstätten als Hersteller von Sonderanfertigungen als auch überregional tätige Unternehmen mit deren Bevollmächtigten und Vertrieb.
Lediglich 4 Meldungen stammten aus anderen Quellen (z. B. Landesbehörde, behandelnder Arzt).


Inhalt der Meldungen

Mit 24 Fällen standen die Vorkommnismeldungen überwiegend in Zusammenhang mit mechanischen Problemen. Hierzu gehörten vor allem Brüche (19 Fälle) und ferner Lockerungen von Bauteilen (2 Fälle), mechanische Einengung (1 Fall), Ausreißen von Vernietungen (1 Fall) sowie Deformierung des Produktes (1 Fall).
Ein weiteres häufiges Fehlerbild waren mit 13 Meldungen Funktionsstörungen der Orthese, hier vor allem das Versagen der Sperre (11 Fälle) sowie ferner Ausfall des Bewegungsanschlags (1) sowie spontane Blockade des Orthesengelenks (1 Fall).
Die übrigen 9 Meldungen verteilten sich auf medizinische Erscheinungsbilder (8 Fälle, z. B. Rötungen, Stürze, Therapieversagen) sowie eine reklamationsartige Meldung über eine Reihe von notwendigen Produktreparaturen (1 Fall).


Folgen der Unfälle

Die Hälfte der Vorkommnisse (23 Fälle) hatte keine Personenschäden oder lediglich geringe Verletzungen wie Druckstelle, Hautabschürfung oder Prellung zur Folge.
Bei 20 Fällen kam es dagegen zu schweren Verletzungen des Patienten (z. B. Fraktur, Luxation, schwere Hautverletzung).
In 3 Fällen lagen keine Angaben über konkrete Folgen vor.


Ursachen der Unfälle

Bei der Bewertung der Vorkommnisse wurden in 9 Fällen Fehler des Produktes als Ursache festgestellt. Dies waren zumeist Fehler bei der Produktion oder Verarbeitung (7 Fälle, z. B. Materialfehler, Fehlbau, Beschädigung der Struktur bei der Bearbeitung). In 2 Fällen wurde ein grundsätzlicher Konstruktionsmangel der Orthese festgestellt, die Produkte waren zu schwach ausgelegt.
In 29 Fällen wurden dagegen Ursachen festgestellt, die nicht im Produkt selber liegen sondern durch externe Faktoren bedingt sind. Dies waren z. B. falsche Anwendung, Diskrepanz zwischen Eignung des Produktes und patientenbedingten Einsatzgegebenheiten oder extreme äußere Krafteinwirkung auf das Produkt.
Bei 8 Fällen konnte keine Ursache festgestellt werden, z. B. wenn eine Untersuchung des Produktes nicht möglich war oder keine eindeutige Erklärung für den vorliegenden Schaden gefunden wurde.
In 10 Fällen wurden korrektive Maßnahmen getroffen, um festgestellte Produktmängel zu beseitigen. Die Maßnahmen umfassten Konstruktionsänderungen, Rückrufe, Anpassungen einzelner Produktionsschritte, Überprüfungen bereits ausgelieferter Produkte, Informationsschreiben und Änderungen der Gebrauchsanweisung. Zum Teil wurden die einzelnen Maßnahmen auch kombiniert, z. B. als Rückruf von Produkten mit Ersatz durch eine verbesserte Konstruktion oder als Änderung der Gebrauchsanweisung, verbunden mit der Information bereits belieferter Kunden.


Prävention

Der überwiegende Anteil der ausgewerteten Vorkommnisse betraf Bauteilbrüche sowie das plötzliche Versagen der Sperrfunktion.
Die Unfälle in Zusammenhang mit Orthesen der unteren Extremität hatten aufgrund des Versagens der Stütz- oder Sperrfunktion und der damit verbundenen Stürze oder Ausfälle der Gelenkführung teilweise schwerwiegende Folgen für den Patienten.
Auffällig war der hohe Anteil an Unfällen, bei denen kein Fehler des Produktes, sondern externe Faktoren ursächlich waren. Die diesbezügliche Prävention hätte daher primär von der Anwenderseite erfolgen müssen, z. B. korrektes Anlegen der Orthese oder ordnungsgemäße Wartung.
Demgegenüber konnten systematische Fehler, die dem Produkt selbst innewohnten und durch Konstruktions- oder Produktionsfehler bedingt waren, vom Hersteller durch entsprechende korrektive Maßnahmen behoben werden.

Bei der Verteilung der unterschiedlichen Ursachen auf die beiden häufigsten Fehlerbilder (Materialbrüche und Ausfall der Sperrfunktion) ergab sich folgendes Bild:
Auf die 19 registrierten Materialbrüche waren 6 der insgesamt verzeichneten 9 produktbezogenen Fehler konzentriert.
Demgegenüber hatte bei den 11 beobachteten Funktionsausfällen der Sperre nur 1 Fall einen Produktfehler als Ursache. Alle restlichen 10 Unfälle wurden durch externe Faktoren verursacht, wie z. B. unvollständiges Einrasten der Verriegelung durch eigenmächtige Veränderungen am Produkt oder Weiternutzung eines stark verschlissenen Produktes.
Dies ist insofern von Bedeutung, als dieses Fehlerbild – mit nur 2 Fällen als Ausnahme – fast durchweg schwerwiegende Folgen für den Patienten hatte.
Im Vergleich dazu traten bei den 19 ausgewerteten Bauteilbrüchen lediglich in 7 Fällen schwerwiegende Folgen auf.


Fazit

Stürze durch Materialbrüche und insbesondere Verletzungen durch den Ausfall der gelenkführenden Funktion von Orthesen der unteren Extremität können schwerwiegende Verletzungen des Patienten wie Frakturen oder Luxationen zu Folge haben.
Unter Berücksichtigung der Ursachenverteilung und der Verteilung schwerwiegender Folgen bei den ausgewerteten Fällen ist vor allem die anwendungsbezogene Prävention von Bedeutung, insbesondere hinsichtlich des ordnungsgemäßen Zustands der Sperrfunktion.

Bei etwaigen Rückfragen wenden Sie sich bitte an:


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