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Artikel „Peginterferon beta-1a (Plegridy) bei Multipler Sklerose“ im arznei-telegramm 9/14:
BfArM bietet weiterführende Informationen

Pressemitteilung 14/14

Nummer 14/14 vom 25.09.2014

Als weiterführende Information veröffentlichen wir gern unsere Stellungnahme, mit der wir am 17.09.2014 die Fragen des arznei-telegramm beantwortet haben:

Auch wir sehen mit Blick auf die hohen Standards bei Patienten- und Probandensicherheit in Deutschland und Europa mit Sorge, dass immer mehr Studien in Schwellenländer außerhalb von Europa verlagert werden. Das hat mit den ethischen Standards ebenso zu tun, wie mit den wissenschaftlichen, denn Studienergebnisse aus Asien sind nicht immer ohne weiteres auf Europa übertragbar. Im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens für klinische Studien in Deutschland hat das BfArM gute Einflussmöglichkeiten. Das BfArM beanstandet rund die Hälfte aller Erstanträge und fordert Nachbesserungen oder Nachlieferungen. Vergleichbare Einflussmöglichkeiten hat das BfArM jedoch im Vorfeld klinischer Studien außerhalb von Deutschland und Europa nicht. Deshalb prüfen wir mit Blick auf die Patientensicherheit sehr genau und arbeiten auch auf internationaler Ebene eng mit den anderen Behörden zusammen, u.a. im Rahmen von GCP-Inspektionen.
Auch in Deutschland sind mit Blick auf die z.B. in Kliniken durch klinische Prüfungen entstehenden Kosten Verträge zwischen Sponsoren und Kliniken üblich. Diese Verträge sind in Deutschland allerdings den Ethikkommissionen vorzulegen.
Diese hohen Standards wollen wir schützen. Auch deshalb halten wir es für sinnvoll, klinische Prüfungen wieder verstärkt in Europa durchzuführen und nicht weiter zu verlagern.

Im Rahmen der Zulassung können wir Studienzentren in bestimmten Ländern jedoch nicht per se ausschließen. Auch deshalb sehen wir uns immer auch die Wirksamkeitsdaten für die Subgruppe der westlichen Länder bzw. der EU an. Bei Auffälligkeiten während des Review kann eine GCP-Inspektion angestoßen werden. Diese kann konkrete Erkenntnisse bringen und zu Konsequenzen im Zulassungsverfahren führen. Die von Ihnen angesprochene generelle Problematik, dass z.B. Teile der Bevölkerung keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, können wir damit jedoch nicht lösen. Wir kontrollieren jedoch u.a. sehr sorgfältig, ob die Studienärzte geschult waren, ob Patienten aufgeklärt wurden und vor Studienstart ein informed consent unterzeichnet haben, ob sie regelmäßige und korrekte Kontrolluntersuchungen hatten und ob die Medikamente laut Studienprotokoll gegeben wurden.
Im Bereich MS fordert die Guideline Überlegenheitsstudien, entweder gegenüber Plazebo oder gegenüber einem zugelassenen Arzneimittel. Nichtunterlegenheitsstudien werden ohne einen zusätzlichen Plazeboarm nicht akzeptiert, da die Effektgröße der derzeit zugelassenen MS-Medikamente im Hinblick auf die Reduktion der Schubrate eher moderat ist und sich jede Minderung der Wirksamkeit auf Plazeboniveau bewegen könnte. Plazebostudien sind natürlich bei Patienten mit hoher Schubrate unethisch. Daher sehen wir diese Patienten in der Regel nicht in den Plazebo-kontrollierten Studien, sondern nur die Patienten mit milderer Verlaufsform. Für letztere ist Plazebo über einen bestimmten Zeitraum nicht unethisch.

Bei Plegridy handelt es sich um einen eigenständigen, vollständigen Zulassungsantrag nach Art. 8(3) der Richtlinie 2001/83/EG. Dabei ist es aber auch in einem solchen Antrag stets möglich auf bekannte Daten (z.B. aus der Literatur) Bezug zu nehmen, um die eigene Aussage zu untermauern. Mit Ausnahme von "Well-established Use-Anträgen" nach Art. 10a ist bei allen anderen möglichen Formen eines Zulassungsantrags ein "gemischtes Dossier" aus eigenen Studiendaten in Kombination mit bekannten Informationen per Literatur möglich.
Im vorliegenden Fall von "Plegridy" ist genau dies erfolgt, um das präklinische Entwicklungsprogramm abzukürzen. Dies ist aus Tierschutzgründen (allgemein in der EU und von der ICH anerkannte 3R-Prinzipien) aus fachlicher Sicht auch sinnvoll und daher absolut zu unterstützen, zumal initiale präklinische PD-Studien die von anderen rekombinanten Interferon beta-Produkten (einschließlich Avonex) bekannten Effekte auf Köpertemperatur, Neopterin-Spiegel, Zellproliferation und Lymphozytenzahlen zeigten. Auch eine toxikologische Studie in Affen zeigte die von Avonex bekannten Toxizitäten.

Auch in diesem Zulassungsverfahren haben wir im CHMP kritisch hinterfragt, ob die Daten übertragbar sind. Obwohl die vorliegenden präklinischen und klinischen Daten ein Brigding von nicht pegylierten Interferon beta Präparaten auf die pegylierte Form sehr stark stützen, wurde im Abschnitt 4.2 der SmPC ein Hinweis aufgenommen, dass es keine head-to-head study gibt und dass dies bei einem Switch zu berücksichtigen ist:
Efficacy of Plegridy has been demonstrated over placebo. Direct comparative data for Plegridy versus non-pegylated interferon beta or data on efficacy of Plegridy after switching from a non-pegylated interferon beta are not available. This should be considered when switching patients between pegylated and non-pegylated interferons. Please refer also to section 5.1