BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Navigation und Service

Thrombose-Risiko bei relativer Heparin-assoziierter Thrombozytopenie

Der Nutzen sowohl von unfraktionierten als auch von niedermolekularen Heparinen bei der Thromboembolieprophylaxe ist durch zahlreiche Untersuchungen dokumentiert.

Bei der Gabe von Heparin wird zu Beginn der Behandlung gelegentlich beobachtet, daß die Zahl der Thrombozyten auf Werte zwischen 100 000 und 150 000/ul absinkt. Diese als Heparin-assoziierte Thrombozytopenie Typ I (HATTyp I) bezeichnete Veränderung gilt als unbedenklich.

Im Gegensatz dazu stellt ein Absinken der Thrombozytenanzahl auf Werte unter 100 000/ul (Heparin-assoziierte Thrombozytopenie Typ II; HAT Typ II), das in der Regel antikörpervermittelt ist, eine potentiell lebensbedrohliche Arzneimittelnebenwirkung dar Rote-Hand-Brief. Die tritt bei Patienten, die bis dahin nicht sensibilisiert waren, meistens erst nach 6 - 14 Tagen Behandlung auf. Bei bis zu 20 % der Patienten mit HATTyp II kommt es zu Thrombosen und Gefäßverschlüssen infolge Ausbildung eines Whiteclot-Syndroms. Die Letalität in diesen Fällen wird mit 25 - 30 % angegeben. Empfehlungen zum Vorgehen bei heparinassoziierten Thrombozytopenien wurden bereits früher veröffentlicht Rote-Hand-Brief sowie auf Veranlassung des Instituts für Arzneimittel des Bundesgesundheitsamtes im Jahre 1992 in die Fach- und Gebrauchsinformationen zu heparinhaltigen Arzneimitteln aufgenommen.

Neueren Berichten aus der Literatur zufolge können bei einer Thromboembolieprophylaxe mit Heparinen jedoch unerwartet schwere thromboembolische Komplikationen auftreten, ohne daß bei der Thrombozytenzahl ein Wert von 150 000/ul unterschritten wurde Rote-Hand-Brief. Nicht allein eine niedrige absolute Thrombozytenzahl und ihr zahlenmäßiges Absinken, sondern auch der bei einer Thrombozytose beobachtete deutliche und signifikante Abfall der Thrombozytenzahl auf weniger als 50 % des Ausgangswertes legen den Verdacht auf eine HAT Typ II nahe. Dies gilt auch für das Auftreten von (Re-)Thrombosierungen und arteriellen Embolien trotz Fehldeutung dieser Situation durch den behandelnden Arzt in dem Sinne, daß er eine nicht ausreichende Dosierung von Heparin annimmt und daraufhin möglicherweise die Heparindosis erhöht.

Beim Auftreten einer (Re-)Thrombose oder einer arteriellen Embolie unter Thromboembolieprophylaxe mit Heparinen sollte zuerst ermittelt werden, ob eine unzureichende Wirkung oder eine heparinassoziierte Wirkung oder eine heparinassoziierte Thrombozytopenie vorliegt. Neben einer hinreichend häufigen Kontrolle der Thrombozytenzahlen [3, 4] wird die Durchführung eines immunologischen In-vitro-Tests auf Heparin-Antikörper (z.B. HIPA-Test [7] oder ELISA [8] zur Sicherung der Diagnose und zur Auswahl eines alternativen, nicht kreuzreagierenden Wirkstoffes zur Weiterführung der Thromboembolieprophylaxe empfohlen.

Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) liegen zwei Veröffentlichungen bzw. Mitteilungen [5, 6] vor, in denen über acht Patienten berichtet wird, bei denen während einer Thromboembolieprophylaxe mit unfraktionierten oder aber auch mit niedermolekularen Heparinen antikörpervermittelte thromboembolische Komplikationen aufgetreten sind und die Thrombozytenzahl im Referenzbereich lag.

Zur Bewertung dieses Risikos benötigen wir zusätzliche Informationen aus der Praxis. Wir bitten daher insbesondere Ärzte, die Patienten zur Thromboembolieprophylaxe mit Heparinen behandeln, dem BfArM aufgetretene thromboembolische Komplikationen mitzuteilen und diese so umfassend wie möglich zu dokumentieren.Berichtsbögen können beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Kurt- Georg-Kiesinger-Allee 3, 53175 Bonn (Tel. 0228-20730, Fax 0228-207 5207), angefordert oder unter

abgerufen werden.

Literatur:

  1. Scharf, R. E., et al.: Deutsches Ärzteblatt 91 (1994) B 1293 - 1294.
  2. Hunter, J. B., et al..: Brit. Med. Journal--British Medical Journal 307 (1993) 53 - 55.
  3. Greinacher, A., und Mueller-Eckardt, C.: Dtsch. med. Wschr. 116 (1991) 1479 - 1482.
  4. Kleinschmidt, S., und Seyfert, U.T.: Angiology 46 (1995) 37 - 43.
  5. Hach-Wunderle, V., et al.: Lancet 344 (1994) 469 - 70.
  6. Warkentin, T. E., et al.: New Engl. J. Med.. 332 (1995) 1330 - 1335.
  7. Greinacher, A., et al..: Thrombosis and Haemostasis 66 (1991) 734 - 736.
  8. Amiral, J., et al.: Thrombosis and Haemostasis 68 (1992) 95 - 96.