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Bisphosphonate und Knochennekrosen

Wirkstoff: Bisphosphonate

Bisphosphonate werden mit zunehmender Häufigkeit zur Behandlung der Osteoporose verordnet. Darüber hinaus finden sie Anwendung bei Osteolysen infolge von Knochenmetastasen solider Tumoren oder hämatologischer Neoplasien, bei tumorinduzierter Hyperkalzämie und beim M. Paget.

Im Jahr 2003 wurde in einer US-amerikanischen Publikation erstmals der Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Bisphosphonaten und Osteonekrosen des Kiefers geäußert. Der Autor berichtete von 36 Patienten, die, zumeist wegen eines Multiplen Myeloms oder eines metastasierten Mamma-Karzinoms, mit Bisphosphonaten behandelt wurden und Osteonekrosen des Kiefers entwickelten. Klinisch bot sich typischerweise das Bild schmerzhafter, nicht heilender Läsionen mit freiliegendem Unter- oder seltener Oberkieferknochen. Konservative oder chirurgische Maßnahmen führten meist nicht zu einer dauerhaften Sanierung oder verschlechterten den Lokalbefund weiter Rote-Hand-Brief.

In der Folge berichteten Autoren aus den USA und Australien über weitere Fälle Rote-Hand-Brief . Das klinische Bild ähnelte dabei stark einer Berufserkrankung, die früher bei Arbeitern auftrat, die in der Streichholzproduktion weißem Phosphor ausgesetzt waren Rote-Hand-Brief . Hinsichtlich der Pathogenese verweisen einige der Autoren neben der hemmenden Wirkung auf den physiologischen Knochenumbau auf die anti-angiogenetische Wirkung der Bisphosphonate.

Dem BfArM wurden bisher 63 Verdachtsfälle von Knochennekrosen des Kiefers unter Anwendung von Bisphosphonaten gemeldet. Alle Meldungen stammen aus den Jahren 2004 und 2005 und wurden vermutlich durch die genannten Publikationen und einen entsprechenden Hinweis der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Rote-Hand-Brief ausgelöst.

Kritiker des vermuteten Kausalzusammenhangs weisen darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der betroffenen Patienten an malignen soliden Tumoren mit Knochenmetastasen oder an einem Multiplen Myelom litten und eine Chemo-, Radio- oder Steroidtherapie erhielten. Diese Faktoren erhöhen jedoch selbst das Risiko für die Entwicklung von Knochennekrosen. Darüber hinaus betrafen fast alle publizierten oder dem BfArM gemeldeten Fälle die Bisphosphonate Pamidronat (u.a. Aredia®) und Zoledronat (Zometa®). Diese intravenös zu applizierenden Arzneimittel werden entsprechend ihres zugelassenen Anwendungsgebiets vornehmlich bei Tumorpatienten mit Knochenmetastasen eingesetzt. Nur wenige Berichte betreffen Patienten, die andere Bisphosphonate erhielten oder aufgrund einer Osteoporose behandelt wurden. In einem großen Teil der Fälle ging dem Auftreten der Knochennekrose ein zahnmedizinischer Eingriff, wie z.B. eine Zahnextraktion voraus.

Insgesamt ist ein kausaler Zusammenhang zwischen der Anwendung von Bisphosphonaten und dem Auftreten von Osteonekrosen des Kiefers nicht gesichert. Möglicherweise tritt der Effekt bevorzugt bei Patienten auf, die durch Tumorerkrankungen oder durch Chemo-, Radio- und Steroidtherapien eine Prädisposition für Osteonekrosen haben, wobei ein zahnmedizinischer Eingriff als Auslöser fungieren kann.

Für Pamidronat (u.a. Aredia®) und Zoledronat (Zometa®) wird seit kurzem in den Fach- und Gebrauchsinformationen auf den möglichen Zusammenhang hingewiesen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass andere Bisphosphonate, die vorwiegend zur oralen Therapie bei Osteoporose eingesetzt werden, ebenfalls zu der beschriebenen unerwünschten Wirkung führen. Betroffene Patienten wenden sich häufig nicht an den das Bisphosphonat verordnenden Arzt, sondern den Zahnarzt oder Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen, dem die bestehende Medikation nicht bekannt ist. Wir bitten daher alle Ärzte und Zahnärzte um besondere Aufmerksamkeit für die beschriebene mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkung. Bei Patienten, die Bisphosphonate erhalten, insbesondere wenn zusätzliche Risikofaktoren wie Tumorerkrankungen, Chemo-, Radio- oder Steroidtherapie bestehen, sollten zahnmedizinische Eingriffe auf das erforderliche Minimum begrenzt werden. Gegebenenfalls sollte vor Beginn einer Bisphosphonat-Therapie eine zahnärztliche Untersuchung erfolgen und eine notwendige zahnärztliche Behandlung abgeschlossen werden.

Verdachtsfälle bitten wir dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zu melden.

Berichtsbögen können beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Kurt- Georg-Kiesinger-Allee 3, 53175 Bonn (Tel. 0228-20730, Fax 0228-207 5207), angefordert oder unter

abgerufen werden.

  1. Marx, R.E., Pamidronate (Aredia) and zoledronate (Zometa) induced avascular necrosis of the jaws: a growing epidemic. J Oral Maxillofac Surg, 2003. 61(9): p. 1115-7.Rote-Hand-Brief
  2. Migliorati, C.A., Bisphosphonates and oral cavity avascular bone necrosis. J Clin Oncol, 2003. 21(22): p. 4253-4.Rote-Hand-Brief
  3. Carter, G.D. and A.N. Goss, Bisphosphonates and avascular necrosis of the jaws. Aust Dent J, 2003. 48(4): p. 268.
  4. Berthold HK, D.I., Gouni-Berthold I. "Phossy Jaw" revisited - do Bisphosphonates cause "Bisphossy Jaws" ? in Abstracts of the ISoP Annual Conference. 2004. Dublin.Rote-Hand-Brief
  5. AkdÄ, Osteonekrosen des Kiefers unter Bisphosphonaten. Deutsches Ärzteblatt, 2004. 101(31-32): S. A 2203.Rote-Hand-Brief