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Coxibe: Europäisches Bewertungsverfahren abgeschlossen mit Anordnung aktualisierter Informationen zu gastrointestinalen, kardiovaskulären und dermalen Nebenwirkungen

Mit einer Entscheidung der Europäischen Kommission vom 30. April 2004 wurde ein Risikobewertungsverfahren abgeschlossen, in das die nachfolgend aufgeführten in der EU verfügbaren Coxibe - Rofecoxib, Celecoxib, Etoricoxib, Valdecoxib und Parecoxib - eingeschlossen waren. Vor allem zu den gastrointestinalen und kardiovaskulären Risiken der Coxibe wurden die Angaben in allen relevanten Abschnitten der Produktinformationen aktualisiert und weitgehend vereinheitlicht. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Coxibe wurde weiterhin als positiv bewertet.

Coxibe (selektive COX-2-Inhibitoren) sind innerhalb der therapeutischen Gruppe der nicht-steroidalen Antiphlogistika (non-steroidal anti-inflammatory drugs, NSAIDs ) eine relativ neue Wirkstoffgruppe. Zulassungen wurden in Deutschland für Arzneimittel mit den Wirkstoffen Rofecoxib (1999), Celecoxib (2000), Parecoxib (2002), Valdecoxib (2003) und Etoricoxib (2004) erteilt. Die Coxibe hemmen in therapeutisch eingesetzten Mengen weitgehend selektiv, aber mit unterschiedlicher Potenz das Enzym Cyclooxygenase 2 (COX-2). COX-2 ist an den entzündlichen Reaktionen in verschiedenen Geweben beteiligt. Eine Hemmung der COX-2 führt zu Entzündungshemmung und Schmerzlinderung. Aus diesen Wirkungen leiten sich die therapeutischen Anwendungsgebiete ab, nämlich die symptomatische Behandlung chronisch entzündlicher und degenerativer Gelenkerkrankungen wie rheumatoide Arthritis und Osteoarthritis (Rofecoxib, Celecoxib, Valdecoxib sowie Etoricoxib). Weitere zugelassene Anwendungsgebiete sind die Behandlung von Schmerzen und Entzündungszeichen bei akutem Gichtanfall (Etoricoxib), Linderung von Schmerzen bei primärer Dysmenorrhoe (Rofecoxib, Valdecoxib), Linderung akuter Schmerzen (Rofecoxib) sowie die kurzfristige parenterale Anwendung bei postoperativen Schmerzen (Parecoxib). Die Wirksamkeit der genannten Coxibe in den zugelassenen Indikationen ist hinreichend belegt. Für Celecoxib besteht darüber hinaus eine zentrale EU-Zulassung mit dem Status "Arzneimittel bei seltener Erkrankung" für die Anwendung bei familiärer adenomatöser Polyposis. Die Ergebnisse des Coxibe- Bewertungsverfahrens gelten insoweit auch für dieses Arzneimittel.

Die Coxibe sind mit der Annahme entwickelt worden, die Häufigkeit und Schwere der bekannten gastrointestinalen Nebenwirkungen konventioneller NSAIDs, vor allem bei der Behandlung chronischer rheumatischer Erkrankungen senken zu können. Die COX-2-Selektivität kann bei der Behandlung chronischer rheumatischer Erkrankungen von Vorteil sein, weil eine COX-1-Hemmung, die bei den herkömmlichen, nicht-COX-2-selektiven - NSAIDs, als eine Ursache gastrointestinaler Schädigungen und Komplikationen angesehen wird, nur gering ausgeprägt ist oder fehlt.

Klinische und epidemiologische Studien, deren Ergebnisse nach der Zulassung von Rofecoxib oder Celecoxib veröffentlicht wurden, sowie Einzelfallberichte zu den Coxiben haben den Verdacht aufkommen lassen, dass der gastrointestinale Sicherheitsvorteil der Coxibe geringer ist als zunächst angenommen und dass zusätzlich ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von kardiovaskulären Nebenwirkungen einschließlich Herzinfarkten und Schlaganfällen besteht. Außerdem wurden Einzelfälle von schweren Hautreaktionen bekannt. Wegen der inzwischen hohen Anwendungshäufigkeit der Coxibe, des Schweregrades der möglichen gastrointestinalen und kardiovaskulären Schädigungen und Komplikationen und der daraus resultierenden Bedeutung für die öffentliche Gesundheit bestand ein hohes Interesse an einer umfassenden Neubewertung von Nutzen und Risiken aller Coxibe-haltigen Arzneimittel. Diese wurde in den letzten zwei Jahren unter Federführung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf europäischer Ebene in Kooperation mit allen damaligen EU-Mitgliedsstaaten vorgenommen.

In die Bewertung wurden die verfügbaren Daten aus präklinischen Untersuchungen mit allen genannten Coxiben und Ergebnisse aus veröffentlichten und unveröffentlichten klinischen oder epidemiologischen Studien einbezogen, welche vor allem für Rofecoxib und Celecoxib vorliegen. Einzelfallberichte aus den bestehenden Spontanmeldesystemen ergaben für die zugelassenen Coxibe zusätzliche Informationen zu Schweregrad und Risikofaktoren gastrointestinaler und kardiovaskulärer Nebenwirkungen sowie zu den schweren Hautreaktionen. Die wissenschaftliche Neubewertung fand ihren Abschluss in einem Gutachten des Arzneispezialitätenausschusses (CPMP) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA), das dieser im November 2003 als Empfehlung an die Europäische Kommission abgegeben hat.

Die Bewertung wurde mit folgenden Schlussfolgerungen abgeschlossen:

  • Die Anwendung aller Coxibe ist mit einem, für die Mehrzahl der Coxibe dosisabhängigen Risiko für das Auftreten von gastrointestinalen Nebenwirkungen, einschließlich solcher mit schwerem, auch tödlichem, Verlauf verbunden. Das relative Risiko hierfür ist niedriger als bei Anwendung einiger herkömmlicher NSAIDs. Die Risikounterschiede fallen bei einem Vergleich mit NSAIDs mit bekannt hohem Potenzial für gastrointestinale Komplikationen (z.B. Naproxen) deutlich und zu Gunsten der Coxibe aus. Im Vergleich mit anderen NSAIDs (z.B. Diclofenac, Ibuprofen) sind sie jedoch geringer ausgeprägt bzw. ist das Risiko für schwere gastrointestinale Schädigungen (Perforationen, Ulzera, Blutungen) vergleichbar. Patienten mit Risikofaktoren für das Auftreten gastrointestinaler Komplikationen (z.B. höheres Lebensalter, frühere gastrointestinale Schädigung) sind mehr gefährdet, und die Anwendung von Coxiben sollte, wie die von konventionellen NSAIDs, bei diesen Patienten mit Vorsicht erfolgen. Dies gilt auch für Patienten, die Acetylsalicylsäure (ASS) in niedriger Dosis zur Herzinfarktprophylaxe oder die sonst zusätzlich konventionelle NSAIDs anwenden.

  • Die Ergebnisse aus klinischen Studien haben erkennen lassen, dass die Anwendung von einigen Coxiben im Vergleich zu konventionellen NSAIDs (Rofecoxib oder Etoricoxib vs. Naproxen bzw. tendenziell Celecoxib vs. Naproxen oder Diclofenac) mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Herzinfarkten verbunden sein kann. Das Risiko für eine Blutdruckerhöhung scheint dem der konventionellen NSAIDs zu entsprechen. Deshalb ist bei der Anwendung selektiver COX-2-Hemmer insbesondere bei Patienten mit ischämischer Herzkrankheit in der Vorgeschichte Vorsicht geboten. Eine Verschlechterung der spezifischen klinischen Symptome bei solchen Patienten kann entsprechende Maßnahmen oder ein Absetzen der Behandlung mit Coxiben erforderlich machen.

  • Sehr selten treten bei Anwendung der Coxibe schwere Hautreaktionen (toxische epidermale Nekrolyse, Stevens-Johnson-Syndrom, Erythema exsudativum multiforme) auf. Nach Anwendung aller Coxibe wurden schwere Überempfindlichkeitsreaktionen (z.B. Anaphylaxie, Angioödem) beobachtet. Da Celecoxib, Valdecoxib und Parecoxib in ihrem Molekül eine Sulfonamidstruktur aufweisen, sind Patienten mit Sulfonamidallergie einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Überempfindlichkeitsreaktionen ausgesetzt.

Diese wesentlichen Ergebnisse der aktualisierten Nutzen-Risiko-Bewertung haben Eingang in die Produktinformationen der Coxibe gefunden. Die Abschnitte "Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung" wurden neu formuliert und sind nun in der inhaltlichen Aussage einheitlich für alle Coxibe. Andere Abschnitte der Produktinformationen ("Wechselwirkungen", "Nebenwirkungen") und die Abschnitte der Fachinformationen zu präklinischen und klinischen Daten enthalten entsprechende neue oder erweiterte Informationen. Die Änderungen sind Mitte des Jahres 2004 erfolgt.

Das BfArM macht auf die Ergebnisse der Nutzen-Risiko-Bewertung für die Coxibe und die daraus resultierenden neuen Produktinformationen aufmerksam. Es ist wichtig, dass die Fachkreise die Hinweise bei der Verordnung oder Abgabe von Coxiben berücksichtigen. Obwohl mit der Umsetzung der nunmehr abgeschlossenen Neubewertung ein aktueller Kenntnisstand in den Zulassungen der einbezogenen Arzneimittel abgebildet ist, ist die Beurteilung des Stellenwertes der Coxibe in der Behandlung chronischer rheumatischer Erkrankungen bzw. von Schmerzzuständen weiterhin nicht abgeschlossen.

Das BfArM bittet nach wie vor um Berichte über Verdachtsfälle unerwünschter Wirkungen, vor allem über solche am Gastrointestinaltrakt, im Herz-Kreislauf-System, an der Niere und an der Haut. Dabei sind Schweregrad und Risikofaktoren, die im Einzelfall bestanden haben, von besonderem Interesse und sollten so gut wie möglich dokumentiert werden. Berichtsbögen finden Sie auf der Internetseite des BfArM (www.bfarm.de) oder Sie können diese über die Postadresse (BfArM, Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3, 53175 Bonn) anfordern.

Warenzeichen:

Vioxx®, Vioxx Dolor®, Ceoxx®, (Rofecoxib)

Celebrex®, Celebra® (Celecoxib)

Bextra®, Valdyn® (Valdecoxib)

Dynastat®, Rayzon® (Parecoxib)

Arcoxia® (Etoricoxib)

Onsenal® (Celecoxib; Indikation: FAP)