BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Neubewertung herkömmlicher Schmerz- und Rheumamittel wegen möglicher kardiovaskulärer Nebenwirkungen

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nimmt zur Zeit zusammen mit den anderen Arzneimittelbehörden der EU eine neue Bewertung herkömmlicher, d.h. seit langem verwendeter, Schmerz- und Rheumamittel vor. Im Zentrum der Neubewertung stehen unerwünschte kardiovaskuläre Risiken, d.h. unerwünschte Wirkungen am Herzkreislauf-System. Dazu gehören das Auftreten eines Bluthochdrucks und die Auslösung von Herzinfarkten und Schlaganfällen.

Nach der Marktrücknahme von Rofecoxib (Vioxx) im September 2004, der Veröffentlichung von klinischen Studien mit dem Wirkstoff Celecoxib und mehrere epidemiologischer Studien war nicht nur mehr über die Häufigkeit von Herzkreislauf- Komplikationen bei Anwendung dieser Wirkstoffe bekannt geworden, sondern auch die Frage gestellt worden, ob die herkömmlichen Schmerz- und Rheumamittel ebenfalls mit einem kardiovaskulären Risiko verbunden sind und ob dieses hinsichtlich der Häufigkeit solcher Nebenwirkungen vergleichbar ist. Aus der bisherigen Erfahrung bei der Anwendung herkömmlicher Schmerz- und Rheumamittel war ein signifikant erhöhtes Herzkreislauf-Risiko bisher nicht erkennbar gewesen. Es besteht jetzt ein besonderes Interesse daran, eine Neubewertung dieser Wirkstoffe vorzunehmen, weil sie möglicherweise wieder häufiger eingesetzt werden, nachdem die Arzneimittel Vioxx und Bextra, die beide ein Coxib enthielten, nicht mehr verfügbar sind.

Die Pharmakovigilanz-Arbeitsgruppe des Wissenschaftlichen Komitees der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) hat deshalb im Frühjahr 2005 ein Programm aufgelegt, in dem alle Ergebnisse aus Untersuchungen zur kardiovaskulären Sicherheit dieser Wirkstoffe, aber auch ihr Nutzen, bewertet werden. Ziel der Bewertung ist, einen Vergleich der Risiken für das Herzkreislaufsystem vornehmen zu können und da, wo das nötig ist, risikomindernde Maßnahmen anzuordnen und z.B. die Produktinformation (Packungsbeilagen) entsprechend zu ändern.

In den letzten wenigen Jahren und vor allem nach der Marktrücknahme von Vioxx sind mehrere klinische und Beobachtungsstudien veröffentlicht worden, die sich dieser Wirkstoffgruppe und diesem Arzneimittelrisiko zuwenden. So wurden am 10. Juni 2005 in der britischen Fachzeitschrift "British Medical Journal" zwei Studien veröffentlicht, aus denen ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko abhängig von Dauer der Behandlung und Höhe der Dosis für die Coxibe und einige Rheumamittel abgeleitet werden kann.

Auch die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA beabsichtigt, in den nächsten drei bis sechs Monaten die Produktinformation von herkömmlichen Schmerz- und Rheumamitteln zu ändern und sieht die Aufnahme von Warnhinweisen in den Produktinformationen vor. Eine schriftliche Anhörung der pharmazeutischen Unternehmer wird dazu eingeleitet, wie die FDA am 15. Juni 2005 mitteilte. Dieses Vorgehen ist eine Folge der Expertenanhörung der FDA im Februar 2005.

Die europäischen Arzneimittelbehörden sind der Auffassung, dass völlig gleichartige Hinweise auf ein mögliches kardiovaskuläres Risiko für alle Schmerz- und Rheumamittel nicht verwendet werden sollten und ziehen es vor, auf der Basis von Studiendaten oder anderen Erkenntnisquellen für die jeweiligen Wirkstoffe differenzierte Informationen zu entwickeln und für die Packungsbeilagen vorzuschreiben.

Schmerz- bzw. Rheumamittel, seien sie verschreibungspflichtig oder nicht, sollten nur so lange verordnet und angewendet werden, wie das aus medizinischen Gründen notwendig ist. Die Packungsbeilagen aller diese Produkte enthalten in Deutschland schon bisher mehrere unterschiedliche Hinweise (Kontraindikation, Warnhinweise, mögliche Wechselwirkung, Nebenwirkungen), die zu beachten sind und die dann ihre Anwendung so sicher wie möglich machen.