BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Erythropoetin: Ergebnisse klinischer Studien an onkologischen Patienten mit oder ohne Anämie

Wirkstoff: Erythropoetin

Seit Ende 2006 sind dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Ergebnisse aus drei klinischen Studien bekannt geworden, in denen verschiedene Erythropoetin-haltige Arzneimittel in onkologischen nicht zugelassenen Indikationen geprüft wurden. Zwei dieser Studien wurden wegen ungünstiger Ergebnisse in der Zwischenauswertung abgebrochen.


Im Dezember 2006 wurde die in Dänemark durchgeführte DAHANCA 10 Studie1 vorzeitig beendet. Die Zwischenergebnisse der Studie legten die Schlussfolgerung nahe, dass mit Darbepoetin alfa behandelte Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren keinen Vorteil gegenüber standardtherapierten Patienten haben. Der Studie lag die Hypothese zugrunde, dass bei Patienten, deren Hämoglobinwerte mit Darbepoetin alfa auf 14-15,5 g/dl erhöht werden, mit einer primär kurativen Strahlentherapie ein besseres Ergebnis erzielt werden kann als in der Kontrollgruppe mit niedrigeren Hämoglobinwerten. Die vorläufigen Ergebnisse nach Einschluss von 484 Patienten zeigten jedoch einen signifikanten 10%igen Unterschied (p=0,01) in der regionalen Progredienz der Erkrankung zugunsten der Kontrollgruppe.


Bereits in 2003 wurden von Henke et al. eine sehr ähnliche Studie in Lancet publiziert2, in der sich eine verminderte Überlebenszeit und eine erhöhte Rate regional fortgeschrittener Tumorerkrankungen bei Patienten fand, die mit Epoetin beta behandelt wurden. Methodisch bedingte Ungleichheiten zwischen den Behandlungsgruppen wurden als Ursache für das negative Ergebnis diskutiert, aber auch mögliche protektive Effekte des Erythropoetins auf Tumorzellen wurden als Ursache in Erwägung gezogen. Henke untersuchte daher an einer Subgruppe der ehemaligen Studienpatienten (n=154) die Frage, ob die Erythropoetin-Rezeptor-Expression auf Tumorzellen mit negativen Ergebnissen hinsichtlich des Krankheitsverlaufs der Tumorerkrankung assoziiert ist. Im Ergebnis zeigte sich, dass die locoregionale progressionsfreie Überlebenszeit bei Patienten mit positivem Rezeptorstatus und Epoetin beta Therapie kürzer war als bei Vergleichspatienten3.


Im Januar 2007 wurden dem BfArM erste Ergebnisse einer Hersteller-finanzierten Phase 3 Studie berichtet, in der die Effektivität von Darbepoetin alfa bei anämischen Patienten mit malignen Erkrankungen ohne Chemo- oder Strahlentherapie in einem Plazebo-kontrollierten, randomisierten, doppelt-blinden Studiendesign untersucht wurde. Die Effektivität der Therapie mit Darbepoetin alfa wurde an der Anzahl der verabreichten Erythrozytenkonzentrate gemessen. Die Ergebnisse wiesen keinen signifikanten Unterschied in der Anzahl der Erythrozytenkonzentrate zwischen Patienten mit Darbepoetin alfa Behandlung und Patienten der Plazebogruppe auf. 176 Transfusionen wurden in der Verumgruppe verabreicht gegenüber 215 Transfusionen in der Plazebogruppe (Hazard Ratio: 0,89; 95%CI 0,65-1,22). Während der Studie verstarben 26% der Patienten der Darbepoetin alfa-Gruppe gegenüber 20% der Plazebogruppe.


Im Februar 2007 wurde von Wright JR et al. eine kanadische Studie publiziert4, die ebenfalls vorzeitig beendet wurde, nachdem eine ungeplante Zwischenauswertung gezeigt hatte, dass bei Patienten mit Bronchialkarzinomen eine Behandlung mit Epoetin alfa im Vergleich zu Plazebo mit einer kürzeren medianen Überlebenszeit assoziiert war. Die mediane Überlebenszeit der Patienten der Verumgruppe betrug 63 Tage gegenüber 129 Tage bei Patienten der Plazebogruppe (Hazard Ratio: 1,84; 95%CI 1,01-3,35; p=0,04). Die in die Studie eingeschlossenen Patienten wurden nicht im Rahmen einer Chemotherapie mit Epoetin alfa behandelt.


Die Studien werden zurzeit in der Pharmakovigilanz-Arbeitsgruppe des CHMP (Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA) bewertet. Im Mittelpunkt der Bewertung steht die Frage, inwieweit diese Studienergebnisse auf die Anwendung von Erythropoetinen in den zugelassenen Indikationen übertragbar sind. In allen Studien wurden die Erythropoetine in nicht zugelassenen Indikationen untersucht.


Bis die Ergebnisse des europäischen Bewertungsverfahrens vorliegen, empfiehlt das BfArM Erythropoetine ausschließlich in den zugelassenen Indikationen anzuwenden, die angegebenen Hämoglobin-Zielwerte einzuhalten und die Dosierungsempfehlungen zu beachten. Hämoglobinwerte sollten engmaschig kontrolliert werden und es sollte die niedrigste Dosierung gewählt werden, die ausreichend ist, um die symptomatische Anämie bei Tumorpatienten mit Chemotherapie zu behandeln.


Literatur


1 Overgaard J, Principle Investigator of DAHANCA 10: Study of the importance of novel erythropoiesis stimulating protein (Aranesp) for the effect of radiotherapy in patients with primary squamous cell carcinoma of the head and neck. http://frejacms.au.dk/dahanca/#
2 Henke M, Laszig R, Rube C et al.: Lancet 362:1255-1260, 2003
3 Henke M, Mattern D, Pepe M et al.: J Clin Oncol. 24 (29):4708-13, 2006
4 Wright JR, Ung YC, Julian JA et al.: J Clin Oncol.. 25 (9):1027-32, 2007


Warenzeichen: Erypo®, Eprex® (Epoetin alfa), NeoRecormon® (Epoetin beta), Aranesp® (Darbepoetin alfa)