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Duogynon: Analyse einer retrospektiven Fallserie sieht keinen kausalen Zusammenhang mit Fehlbildungen, kann diesen aber auch nicht sicher ausschließen

Ab den 1950er Jahren wurde das Arzneimittel Duogynon als Dragee und als Spritze zum hormonellen Nachweis einer Schwangerschaft verwendet. Basierend auf Einzelfallberichten und Publikationen wurde in der Folge die Frage gestellt, ob seine Anwendung in der Frühschwangerschaft Fehlbildungen bei Neugeborenen hervorrufen könnte.
Die Zulassungen für beide Arzneimittel sind nach schriftlichem Verzicht 1980 erloschen.
Maßnahmen hinsichtlich der Zulassungen dieser Arzneimittel sind daher nicht mehr möglich. Das BfArM erfasst und prüft jedoch weiterhin Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der damaligen Anwendung von Duogynon.
In diesem Kontext hat das BfArM 2011 veranlasst, dass das Pharmakovigilanzzentrum Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin eine Analyse und Bewertung der dem BfArM vorliegenden Verdachtsmeldungen durchführt. Insbesondere sollte die Frage beantwortet werden, ob ein Zusammenhang zwischen dem Vorkommen angeborener Entwicklungsanomalien und der mütterlichen Duogynon-Exposition in der frühen Schwangerschaft plausibel erscheint.

Das Ergebnis der Analyse liegt dem BfArM mittlerweile vor. Methodisch handelt es sich um eine deskriptive Analyse retrospektiv erhobener Fallberichte. Die Kinder, über die in den Fallberichten informiert wird, wurden in dem Zeitraum von 1957 bis 1983 geboren. Zu insgesamt 296 Kindern aus insgesamt 411 Fallmeldungen lagen Informationen vor, die für eine Auswertung als ausreichend erachtet wurden. Eine Kontrollgruppe ohne Duogynon-Einnahme zur Abschätzung des Gesamtfehlbildungsrisikos im selben Zeitraum stand nicht zur Verfügung. Behelfsweise wurden daher die ältesten verfügbaren Daten (Zeitraum 1980-1989) des Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt als Vergleichsgrupppe herangezogen. Bei der Gegenüberstellung der in der Duogynon-Kohorte beobachteten Fehlbildungen mit denen der nicht exponierten Kinder aus dem Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt zeigte sich in der Duogynon-exponierten Kohorte eine statistisch signifikante Häufung von Blasenekstrophien (OR 37,3; 95% Konfidenzintervall: 14,6 - 95,3). Die Autoren führen dieses Ergebnis aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auf statistische Verzerrungen zurück, u.a. darauf, dass Personen mit Blasenekstrophie nach öffentlicher Thematisierung eines möglichen Zusammenhangs motiviert wurden, sich zu melden.

Zur Einordnung dieses Ergebnisses wird weiterhin angeführt, dass Studien zu Duogynon oder generell zu Sexualhormonen in der wissenschaftlichen Literatur bisher kein erhöhtes Risiko für Blasenekstrophien aufzeigen konnten und es unwahrscheinlich sei, dass ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für diese spezifische Fehlbildung in bisherigen Studien im Falle eines real bestehenden 37fach erhöhten Risikos unbemerkt geblieben wäre. Darüber hinaus läge bisher kein plausibler Schädigungsmechanismus vor und auch tierexperimentelle Studien hätten keine derartigen Effekte gezeigt. Schließlich gebe es auch keine Hinweise auf eine Abnahme der Prävalenz von Blasenekstrophien, nachdem Duogynon nicht mehr vermarktet wurde.

Die Autoren fassen zusammen, dass die Fallserie keine plausiblen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen einer mütterlichen Duogynon-Exposition und Fehlbildungen beim Kind gebe. Aufgrund der methodischen Unzulänglichkeiten können diese Falldaten aber auch nicht die Hypothese einer Unbedenklichkeit von Duogynon stützen. Vor dem Hintergrund andernorts veröffentlichter und in der vorliegenden Arbeit diskutierter Studiendaten sei ein teratogener oder embryotoxischer Effekt von Duogynon, zu welchem Zwecke auch immer angewendet, jedoch unwahrscheinlich.

Das BfArM stimmt den Schlussfolgerungen der Autoren im Wesentlichen zu. Basierend auf der vom BfArM veranlassten Studie kann ein Kausalzusammenhang zwischen den berichteten Fehlbildungen und der Exposition mit Duogynon in der Schwangerschaft nicht bestätigt, aber auch nicht sicher ausgeschlossen werden.