BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Cyproteron: Anwendungseinschränkungen aufgrund des Meningeomrisikos

Wirkstoff: Cyproteron

19.05.2020 - Bescheid und Feststellungsbescheid im Stufenplanverfahren

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) setzt mit Bescheid vom 13. Mai 2020 den einstimmigen Beschluss der Koordinierungsgruppe für Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und dezentrale Verfahren - Human (CMDh) vom 25. März 2020, betreffend die Zulassungen für Humanarzneimittel mit dem Wirkstoff Cyproteron um. Damit wird das europäische Risikobewertungsverfahren nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG zu cyproteronhaltigen Arzneimitteln abgeschlossen.

Für Arzneimittel, bei denen der Zulassungsinhaber auf die Zulassung verzichtet hatte, wurde ein Feststellungsbescheid versendet.

30.03.2020 - Einstimmiger Beschluss der CMDh

Am 13. Februar 2020 hat der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA u.a. empfohlen, dass Arzneimittel mit Tagesdosen von mindestens 10 mg Cyproteron nur bei androgenabhängigen Erkrankungen wie Hirsutismus (übermäßiger Haarwuchs), androgener Alopezie (Haarausfall), Akne und Seborrhoe (übermäßig fettige Haut) eingesetzt werden sollten, wenn andere Behandlungsoptionen, einschließlich der Behandlung mit niedrigeren Dosen, versagt haben.

Die PRAC-Empfehlung wurde an die Koordinierungsgruppe für Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und dezentrale Verfahren - Human (CMDh) geschickt, die sie am 25. März 2020 im Konsens annahm. Die CMDh ist ein Gremium, das die EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen vertritt. Es ist für die Gewährleistung harmonisierter Sicherheitsstandards für Arzneimittel verantwortlich, die über nationale Verfahren zugelassen werden.

Die PRAC-Empfehlung wird nun von den EU-Mitgliedstaaten, Island, Liechtenstein, Norwegen und dem Vereinigten Königreich umgesetzt.

14.02.2020 - Empfehlung des PRAC

Einschränkungen bei der Anwendung von Cyproteron aufgrund des Meningeomrisikos

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA hat empfohlen, dass Arzneimittel mit Tagesdosen von mindestens 10 mg Cyproteron nur bei androgenabhängigen Erkrankungen wie Hirsutismus (übermäßiger Haarwuchs), androgener Alopezie (Haarausfall), Akne und Seborrhoe (übermäßig fettige Haut) eingesetzt werden sollten, wenn andere Behandlungsoptionen, einschließlich der Behandlung mit niedrigeren Dosen, versagt haben. Sobald höhere Dosen zu wirken beginnen, sollte die Dosis schrittweise auf die niedrigste effektive Dosis reduziert werden.

Die Arzneimittel sollten nur dann zur Dämpfung des Sexualtriebs bei Sexualdeviationen bei Männern eingesetzt werden, wenn andere Behandlungsoptionen ungeeignet sind.

Es gibt keine Änderung bei der Anwendung der Arzneimittel bei Männern mit Prostatakrebs.

Die Empfehlungen sind das Ergebnis einer Überprüfung des Risikos für die Entstehung des seltenen Meningeoms nach Anwendung von Cyproteron. Insgesamt tritt diese Nebenwirkung selten auf. Sie kann 1 bis 10 von 10.000 Personen betreffen, abhängig von der Dosierung und Dauer der Behandlung. Das Risiko steigt mit zunehmender kumulativer Dosis (Gesamtmenge eines Arzneimittels, die ein Patient im Laufe der Zeit eingenommen hat).

Die verfügbaren Daten weisen nicht auf ein Risiko für niedrig dosierte cyproteronhaltige Arzneimittel hin, die ein oder zwei Milligramm Cyproteron in Kombination mit Ethinylestradiol oder Estradiolvalerat enthalten und bei Akne, Hirsutismus, Verhütung oder in der Hormonersatztherapie eingesetzt werden. Als Vorsichtsmaßnahme sollten sie jedoch nicht bei Personen angewendet werden, bei denen ein Meningeom vorliegt oder in der Vergangenheit vorgelegen hat. Diese Einschränkung gilt bereits für die höher dosierten Arzneimittel.

Ärzte sollten die Patienten auf Symptome eines Meningeoms überwachen, die Veränderungen der Sehkraft, Hörverlust oder Ohrensausen, Verlust des Riechsinns, Kopfschmerzen, Gedächtnisverlust, Krampfanfälle oder Schwäche in Armen und Beinen umfassen können. Wenn bei einem Patienten ein Meningeom diagnostiziert wird, sollte die Behandlung mit cyproteronhaltigen Arzneimitteln dauerhaft beendet werden.

Im Rahmen der laufenden Bewertung der Sicherheit dieser Arzneimittel müssen Inhaber von Arzneimittelzulassungen mit Einzeldosen 10 mg Cyproteron eine Studie durchführen, um das Bewusstsein der Ärzte für das Meningeomrisiko und seine Vermeidung zu bewerten.

Das Meningeom ist ein seltener Tumor der Hirnhaut, die das Gehirn und das Rückenmark umschließt. Er ist meist nicht bösartig und wird nicht als Krebs betrachtet, allerdings können Meningeome aufgrund ihrer Lage im und um das Gehirn und das Rückenmark ernsthafte Probleme verursachen.

Informationen für Patienten

  • Es besteht ein sehr geringes Risiko für das Entstehen eines Meningeoms durch cyproteronhaltige Arzneimittel, insbesondere, wenn sie in hohen Dosen (25 mg täglich oder mehr) eingenommen werden.
  • Bei einigen Anwendungen - übermäßiger Haarwuchs, Haarausfall, Akne und fettige Haut - sollten Arzneimittel mit 10 mg oder mehr Cyproteron nur dann angewendet werden, wenn andere Behandlungsoptionen, einschließlich niedrig dosierter cyproteronhaltiger Arzneimittel, nicht gewirkt haben oder nicht eingesetzt werden können. Sobald sie ihre Wirkung zeigen, sollte die Dosis allmählich auf die niedrigste wirksame Dosis reduziert werden.
  • Cyproteronhaltige Arzneimittel sollten nur dann zur Dämpfung des Sexualtriebs bei Sexualdeviationen bei Männern eingesetzt werden, wenn andere Behandlungsoptionen ungeeignet sind.
  • Obwohl es keine Hinweise auf ein Risiko für niedrig dosierte Arzneimittel gibt, die Cyproteron in Kombination mit Ethinylestradiol oder Estradiolvalerat enthalten, sollten diese Arzneimittel vorsichtshalber nicht bei Personen eingesetzt werden, bei denen ein Meningeom vorliegt oder in der Vergangenheit vorgelegen hat. Höher dosierte cyproteronhaltige Arzneimittel weisen diese Einschränkung bereits auf: Sie dürfen bei Meningeomen nicht angewendet werden.
  • Es gibt keine Änderungen bei der Anwendung cyproteronhaltiger Arzneimitteln bei Prostatakrebs.
  • Wenn Sie ein cyproteronhaltiges Arzneimittel einnehmen und Fragen zu Ihrer Behandlung haben, sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Apotheker.

Informationen für Angehörige der Heilberufe

  • Das Auftreten von Meningeomen (singulär oder multipel) wurde in Zusammenhang mit der Einnahme von Cyproteronacetat berichtet, hauptsächlich bei Dosen 25 mg/Tag.
  • Das Risiko steigt mit zunehmender kumulativer Dosis von Cyproteronacetat an. Die meisten Fälle wurden nach längerer Exposition (mehrere Jahre) mit hohen Dosen von Cyproteron ( 25 mg pro Tag) gemeldet.
  • Arzneimittel, die 10 mg oder mehr Cyproteron enthalten, sollten nur bei Hirsutismus, androgener Alopezie, Akne und Seborrhoe eingesetzt werden, wenn andere Behandlungsoptionen, zum Beispiel niedrig dosierte cyproteronhaltige Arzneimittel wie Cyproteronacetat 2 mg/Ethinylestradiol 35 Mikrogramm, nicht wirksam waren. Nach klinischer Besserung sollte die Dosis allmählich auf die niedrigste wirksame Dosis reduziert werden.
  • Cyproteronhaltige Arzneimittel sollten bei Männern nur dann zur Reduzierung des Sexualtriebs bei Sexualdeviationen eingesetzt werden, wenn andere Behandlungen nicht angezeigt sind.
  • Angehörige von Heilberufen sollte die Patienten entsprechend der klinischen Praxis auf klinische Anzeichen und Symptome des Meningeoms überwachen. Die Symptome können unspezifisch sein und Veränderungen des Sehvermögens, Hörverlust oder Ohrensausen, Verlust des Geruchssinns, Kopfschmerzen, die sich mit der Zeit verschlimmern, Gedächtnisverlust, Krampfanfälle oder Schwäche in den Extremitäten umfassen.
  • Wenn bei einem mit Cyproteronacetat behandelten Patienten ein Meningeom diagnostiziert wird, muss die Behandlung mit allen cyproteronacetathaltigen Arzneimitteln dauerhaft eingestellt werden.
  • Cyproteronacetat (1 und 2 mg) in Kombination mit Ethinylestradiol oder Estradiolvalerat ist bei Patienten mit einem Meningeom oder einer Vorgeschichte von Meningeomen kontraindiziert. Zulassungen mit höheren Stärken cyproteronhaltiger Arzneimittel weisen diese Kontraindikation bereits auf.
  • Es gibt keine Änderung bei der Anwendung von cyproteronhaltigen Arzneimitteln bei Prostatakrebs. Diese Arzneimittel werden als Antiandrogene bei inoperablem Prostatakrebs eingesetzt, auch zur Verhinderung des anfänglichen "Flare-up"-Phänomens bei der Behandlung mit LHRH (Luteinisierendes Hormon Releasing Hormon)-Agonisten.
  • Der Zusammenhang zwischen hochdosiertem (50 mg/Tag) Cyproteronacetat und dem Risiko der Entstehung eines Meningeoms wurde erstmals 2009 in die Produktinformation für Arzneimittel mit einer Cyproterontagesdosis von 10 mg oder mehr aufgenommen. Für Patienten mit einer Vorgeschichte von Meningeomen sind die Arzneimittel kontraindiziert.
  • Das aktuelle Risikobewertungsverfahren umfasst die jüngsten Ergebnisse einer französischen epidemiologischen Studie, die eine kumulative dosisabhängige Assoziation zwischen Cyproteronacetat und Meningeom aufzeigte (Weill et al.), sowie einer Analyse der französischen Arzneimittelbehörde (ANSM), von Fällen zum Auftreten von Meningeomen bei Anwendung von Cyproteron in Frankreich. Die kürzlich veröffentlichte Literatur und eine Analyse der EU-Datenbank für unerwünschte Nebenwirkungen, EudraVigilance, wurden ebenfalls einbezogen.

Es wird eine direkte Mitteilung (Roter-Hand-Brief) an die Angehörigen der Heilberufe versandt werden, die das Arzneimittel aktuell verschreiben, abgeben oder verabreichen.

12.07.2019 - Start des Verfahrens

Die EMA hat mit der Überprüfung cyproteronhaltiger Arzneimittel begonnen, die zur Behandlung einer Reihe von Erkrankungen verwendet werden, darunter übermäßiges Haarwachstum, Prostatakrebs und Akne. Es wird auch in der Hormonersatztherapie angewendet.

Im Rahmen des Risikobewertungsverfahrens soll das Risiko der Entwicklung eines Meningeoms untersucht werden, einem seltenen, meist nicht-bösartigen Tumor der Hirnhaut, die das Gehirn und das Rückenmark umschließt. Das mit einer täglichen Einnahme von mindestens 10 mg Cyproteron verbundene Risiko eines Meningeoms ist seit 2008 bekannt. Es wurde in die Produktinformationen für diese Arzneimittel aufgenommen - zusammen mit einem Hinweis, dass Cyproteron nicht bei Patienten angewendet werden sollte, bei denen ein Meningeom vorliegt oder in der Vergangenheit bestand. Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch keine Informationen über das Ausmaß und die Dosisabhängigkeit des Risikos.

Eine kürzlich in Frankreich durchgeführte Studie hat nun Hinweise ergeben, dass das Risiko der Entstehung eines Meningeoms - auch wenn es als sehr gering eingestuft wird - bei Frauen zunimmt, die über einen längeren Zeitraum hohe Dosen von Cyproteron einnehmen. Die Studie zeigte auch, dass sich das Risiko der Tumorbildung verringerte, wenn die Patientinnen die Behandlung mit Cyproteron für mindestens ein Jahr eingestellt hatten. Insgesamt blieb das Risiko aber etwas höher als bei unbehandelten Patientinnen.

Aufgrund ihrer Lage im und um das Gehirn und Rückenmark können Meningeome ernste Probleme verursachen. Die französische Arzneimittelbehörde hat die EMA daher gebeten, dieses Risiko unter Berücksichtigung aller neuesten Daten zu untersuchen.

Der Ausschuss für Risikobewertung (PRAC) der EMA wird nun die verfügbaren Erkenntnisse prüfen und Empfehlungen abgeben, ob die Zulassungen cyproteronhaltiger Arzneimittel in der gesamten EU angepasst werden sollten.

Mehr über die Arzneimittel

Cyproteron hat antiandrogene Wirkungen, d.h. es blockiert die Wirkung von Androgenen, Sexualhormonen, die sowohl bei Männern als auch bei Frauen vorkommen. Es wirkt in der gleichen Weise wie Progesteron, einem anderen Sexualhormon. Cyproteronhaltige Arzneimittel werden zur Behandlung verschiedener androgenabhängiger Erkrankungen wie Hirsutismus (übermäßiger Haarwuchs), Alopezie (Haarausfall), vorzeitige Pubertät, Amenorrhoe (fehlende Regelblutung), Akne und Prostatakrebs eingesetzt. Sie werden auch in der Hormonersatztherapie angewandt. Cyproteronhaltige Arzneimittel enthalten entweder Cyproteron allein oder in einer niedrigeren Dosis in Kombination mit Östrogen.

Cyproteron ist seit den 1970er Jahren in der EU national zugelassen, es ist verschreibungspflichtig und unter verschiedenen Handelsnamen erhältlich.

Mehr über das Verfahren

Die Überprüfung cyproteronhaltiger Arzneimittel wurde auf Antrag Frankreichs gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG eingeleitet.

Die Überprüfung wird vom Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC), dem für die Bewertung von Sicherheitsfragen bei Humanarzneimitteln zuständigen Ausschuss, durchgeführt, der eine Reihe von Empfehlungen abgeben wird. Da cyproteronhaltige Arzneimittel alle national zugelassen sind, werden die Empfehlungen des PRAC an die Koordinierungsgruppe für gegenseitige Anerkennung und dezentrale Verfahren - Human (CMDh) weitergeleitet, die dann eine Position abgibt. Die CMDh ist ein Gremium, das die EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen vertritt. Sie ist dafür verantwortlich, harmonisierte Sicherheitsstandards für Arzneimittel zu gewährleisten, die im Rahmen nationaler Verfahren in der gesamten EU zugelassen sind.

Weitere Informationen

Details zu dem Verfahren können unter folgendem Link bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) abgerufen werden:

Cyproterone-containing medicinal products

Zum Rote-Hand-Brief vom 16.04.2020