BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Levonorgestrel- und ulipristalacetathaltige Arzneimittel zur Notfallkontrazeption: Einfluss des Körpergewichtes/BMI auf die Wirkung/Bioverfügbarkeit

Wirkstoff: Levonorgestrel, Ulipristalacetat

07.11.2014 - Bescheid im Stufenplanverfahren

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) setzt mit Bescheid vom 5. November 2014 den entsprechenden Durchführungsbeschluss der EU-Kommission C(2014)7147 um. Damit wird das europäische Risikobewertungsverfahren nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG zu Levonorgestrel enthaltenden Arzneimitteln (Notfallkontrazeptiva) abgeschlossen.

Die Europäische Kommission hat am 30. September 2014 entschieden, dass für die Fach- und Gebrauchsinformation der betroffenen Arzneimittel die Texte nach Anhang III („Änderungen der entsprechenden Abschnitte der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels und der Packungsbeilage“) des o.g. Beschlusses der Europäischen Kommission im Wortlaut zu übernehmen sind.

Das Gutachten des Ausschusses der Agentur für Humanarzneimittel (CHMP) vom 24.7.2014 mit positiver Nutzen-Risikobewertung der Notfallkontrazeptiva wird damit rechtsverbindlich. Notfallkontrazeptiva bleiben unabhängig vom Körpergewicht geeignete Notfallkontrazeptiva für alle Frauen.

24.07.2014 - Gutachten des CHMP

Die Europäische Arzneimittelagentur hat ihre Überprüfung der Notfallkontrazeptiva, die Levonorgestrel oder Ulipristalacetat enthalten, abgeschlossen. Überprüft wurde, ob ein erhöhtes Körpergewicht die Wirksamkeit dieser Medikamente bei der Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder Versagen der Kontrazeption beeinflusst.

  • Der Ausschuss der Agentur für Humanarzneimittel (CHMP) empfiehlt vor dem Hintergrund der positiven Nutzen-/ Risikobewertung, dass diese Notfallkontrazeptiva weiterhin von allen Frauen unabhängig vom Körpergewicht verwendet werden können.

Im November 2013 wurde infolge eines nationalen Verfahrens bezüglich eines Notfallkontrazeptivums mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (Norlevo®) die Produktinformation basierend auf den Ergebnissen von zwei klinischen Studien dahingehend geändert, dass Norlevo® weniger wirksam ist bei Frauen mit einem Gewicht ab 75 kg und nicht wirksam ist bei Frauen mit einem Gewicht von mehr als 80 kg.

Eine EU-weite Überprüfung sollte dann beurteilen, ob vergleichbare Angaben auch in den Produktinformationen anderer Notfall-Kontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel oder Ulipristalacetat (ellaOne®) ergänzt werden müssen.

Nach Prüfung aller verfügbaren Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Notfallkontrazeptiva war der CHMP der Ansicht, dass die verfügbaren Daten zu begrenzt und nicht robust genug sind, um mit Sicherheit feststellen zu können, dass die empfängnisverhütende Wirkung - wie in der Produktinformation für Norlevo® angegeben - bei erhöhtem Körpergewicht reduziert ist.

Für Levonorgestrel enthaltende Produkte haben einige klinische Studien Hinweise auf eine verminderte Wirksamkeit bei Frauen mit hohem Körpergewicht ergeben, dagegen konnte in anderen Studien der Trend für eine reduzierte Wirkung mit zunehmendem Körpergewicht nicht bestätigt werden. Auch für Ulipristalacetat deuten begrenzte Daten aus klinischen Studien auf einen möglichen Trend für eine reduzierte kontrazeptive Wirkung hin. Allerdings sind diese Daten zu gering und nicht aussagekräftig genug, um daraus endgültige Schlüsse ziehen zu können. Der CHMP empfahl zwar, die Ergebnisse dieser Studien in den Produktinformationen der Notfallkontrazeptiva aufzunehmen, die aktuellen Aussagen über die Auswirkungen des Körpergewichts in den Produktinformationen für Norlevo® sollten aber gestrichen werden.

Der CHMP kam zu der Auffassung, dass das Sicherheitsprofil von Notfallkontrazeptiva vor dem Hintergrund der in der Regel moderaten Nebenwirkungen günstig sei, und sie weiterhin unabhängig vom Körpergewicht der Frau angewendet werden können.

Frauen sollten aber daran erinnert werden, dass Notfallkontrazeptiva so bald wie möglich nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen und auch nur als gelegentliche "Notfall"-Methode verwendet werden sollen, da sie nicht vergleichbar zuverlässig wie regelmäßige Verhütungsmethoden wirken.

Die Empfehlung des CHMP wird nun an die Europäische Kommission weitergeleitet, die eine europaweit bindende Entscheidung trifft.

Informationen für Anwenderinnen

  • Notfallverhütungsmittel werden verwendet, um eine ungewollte Schwangerschaft nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder Versagen anderer empfängnisverhütender Maßnahmen zu verhindern.

  • Es wurde eine EU-weite Bewertung mit dem Ziel durchgeführt, um zu untersuchen, ob Notfall-Kontrazeptiva weniger wirksam bei übergewichtigen oder stark übergewichtigen Frauen sind. Dabei wurde festgestellt, dass die wenigen verfügbaren Daten nicht eindeutig darauf schließen lassen, dass die empfängnisverhütende Wirkung bei Frauen mit hohem Körpergewicht reduziert ist.

  • Notfall-Kontrazeptiva können weiterhin nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder nach Versagen anderer empfängnisverhütender Maßnahmen angewendet werden, unabhängig vom Körpergewicht der Frau. Für eine optimale Wirksamkeit ist es jedoch wichtig, dass sie so bald wie möglich nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr angewendet werden.
  • Frauen werden daran erinnert, dass Notfallkontrazeption ein Ausnahmeverfahren ist, da diese nicht so zuverlässig wie regelmäßig angewendete Verhütungsmethoden - wie z.B. die ´Pille´ - funktioniert.
  • Frauen sollten bei Fragen oder Vorbehalten mit ihrem Arzt oder Apotheker sprechen.

Informationen für medizinisches Fachpersonal

  • Notfallkontrazeptiva können weiterhin verwendet werden, um eine ungewollte Schwangerschaft bei Frauen jeden Gewichtes oder Body-Mass-Index (BMI) zu verhindern. Die verfügbaren Daten sind begrenzt und nicht robust genug, um daraus mit Sicherheit auf eine verminderte empfängnisverhütende Wirkung bei Frauen mit einem erhöhten Körpergewicht / BMI zu schließen.
  • Medizinisches Fachpersonal sollte weiterhin Frauen daran erinnern, dass die Notfall-Kontrazeption ein Ausnahmeverfahren ist und eine regelmäßige, zuverlässigere Verhütungsmethode nicht ersetzen kann.

Für Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel hat die Agentur folgende Daten ausgewertet:

  • eine Meta-Analyse zwei veröffentlichter Studien1, 2, in die überwiegend Frauen mit kaukasischer Herkunft einbezogen wurden. Eine reduzierte kontrazeptive Wirksamkeit wurde bei Frauen mit einem erhöhten Körpergewicht oder BMI beobachtet (Schwangerschaftsrate betrug 0,96% [CI: 0,44-1,82] bei Frauen einem BMI von 18,5 bis 25; 2,36% [CI: 1,02-4,60] bei Frauen mit einem BMI von 25 bis 30 und 5,19% [CI: 2,62-9,09] bei Frauen mit einem BMI ≥ 30).
  • eine Meta-Analyse von drei WHO Studien3,4,5, die vor allem afrikanische und asiatische Frauen einbezog. Die Ergebnisse dieser Analyse zeigen im Gegensatz zu den obigen Ergebnissen keinen Trend für eine verminderte Wirksamkeit bei zunehmendem Körpergewicht / BMI (Schwangerschaftsrate betrug 0,99% [CI: 0,70-1,35] bei Frauen mit einem BMI von 18,5 bis 25, 0,57% [CI: 0,21 -1,24] bei Frauen mit einem BMI von 25 bis 30, und 1,17% [CI: 0,24-3,39] bei Frauen mit einem BMI ≥ 30).

Beide Meta-Analysen enthalten keine Off-Label-Anwendung (d.h. Einnahme mehr als 72 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr).

Für Ulipristalacetat hat die Europäische Arzneimittelagentur folgende Daten ausgewertet:

  • eine Meta-Analyse von vier klinischen Studien, die im Rahmen des Antrags auf Zulassung von ellaOne®6 eingereicht wurden, die einen möglichen Trend für eine reduzierte kontrazeptive Wirksamkeit mit hohem Körpergewicht oder BMI nahelegen, obwohl sich die Konfidenzintervalle überlappen (Schwangerschaftsrate betrug 1,23% [CI: 0,78-1,84] bei Frauen mit einem BMI von 18,5 bis 25, 1,29% [CI: 0,59-2,43] bei Frauen mit einem BMI von 25 bis 30, und 2,57% [CI: 1,34-4,45] bei Frauen mit BMI ≥ 30).

Referenzen:

  1. Creinin MD et al. Progesterone receptor modulator for emergency contraception: a randomized controlled trial. Obstet Gynecol 2006;108: 1089–97.

  2. Glasier A et al. Ulipristal acetate versus levonorgestrel for emergency contraception: a randomized noninferiority trial and meta-analysis. Lancet 2010; 375: 555–62.

  3. von Hertzen H et al. Randomised controlled trial of levonorgestrel versus the Yuzpe regimen of combined oral contraceptives for emergency contraception. Lancet 1998; 352: 428-33.

  4. von Hertzen H et al. Low dose mifepristone and two regimens of levonorgestrel for emergency contraception: a WHO multicentre randomised trial. Lancet 2002; 360: 1803-10.

  5. Dada OA et al. A randomized, double-blind, noninferiority study to compare two regimens of levonorgestrel for emergency contraception in Nigeria. Contraception 2010; 82: 373–378.

  6. Studies HRA2914-507, HRA2914-508, HRA2914-509 and HRA2914-513. For more information on these studies, see the CHMP assessment report for ellaOne

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Mehr über die Arzneimittel

Notfallkontrazeptiva werden als Kontrazeptiva verwendet, um eine ungewollte Schwangerschaft infolge ungeschützten Geschlechtsverkehrs oder bei Versagen anderer empfängnisverhütender Maßnahmen zu verhindern. Die in diese Untersuchung einbezogenen Notfallkontrazeptiva sind Arzneimittel, die Levonorgestrel enthalten, wie Norlevo®, Levonelle® / Postinor®, Levodonna® und PiDaNa®, die in der EU mittels nationaler Verfahren zugelassen wurden. Die Überprüfung umfasst auch ein zentral zugelassenes Arzneimittel, ellaOne®, das den Wirkstoff Ulipristalacetat enthält und im Jahre 2009 eine Marktzulassung in der EU erhalten hat.

Notfallverhütungsmittel wirken, indem sie den Eisprung verhindern oder verzögern. Arzneimittel, die Levonorgestrel enthalten, können bis zu 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder Versagen anderer empfängnisverhütender Maßnahmen verwendet werden, während Ulipristalacetat bis zu 120 Stunden danach angewendet werden kann.
Levonorgestrelhaltige Notfallkontrazeptiva sind in mehreren europäischen Ländern von der Verschreibungspflicht freigestellt. EllaOne® kann nur mit einer ärztlichen Verschreibung erworben werden.

Mehr über das Verfahren

Die Überprüfung der Notfallkontrazeptiva, die Levonorgestrel und Ulipristalacetat enthalten, wurde im Januar 2014 auf Antrag Schwedens gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG eingeleitet.
Das endgültige Gutachten der Europäischen Arzneimittel Agentur hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP), der für Fragen zu Arzneimitteln für die Anwendung beim Menschen zuständig ist, angenommen. Die Stellungnahme des CHMP wird nun an die Europäische Kommission weitergeleitet, die in Kürze eine endgültige Entscheidung erteilen wird.

Informationen der EMA zum Risikobewertungsverfahren zu Notfallkontrazeptiva

Levonorgestrel and ulipristal remain suitable emergency contraceptives for all women, regardless of bodyweight

24.01.2014 - Start des Verfahrens

Das BfArM informiert über die Einleitung eines europäischen Bewertungsverfahrens nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG. Eingeleitet wurde das Verfahren auf Antrag der schwedischen Arzneimittelbehörde. Gegenstand der Bewertung sind alle Daten zum Einfluss des Körpergewichts bzw. Body Mass Index (BMI) auf die Wirksamkeit von Notfallkontrazeptiva mit den Wirkstoffen Levonorgestrel und Ulipristalacetat.

Weitere Informationen

Details zu dem Verfahren können unter folgendem Link bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) abgerufen werden:

Review of emergency contraceptives started